· Der praktische Fall
BFH zur Drei-Objekt-Grenze bei erstmaligen Grundstücksveräußerungen im sechsten Jahr

von Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln
| Sofern ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, kann die erweiterte Grundstückskürzung nicht in Anspruch genommen werden. Im vorliegenden Streitfall ( BFH 20.3.25, III R 14/23, Abruf-Nr. 248227 ) war zu klären, ob von Beginn an ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Grundstückserwerb noch kein einziges Objekt veräußert wird, im sechsten Jahr jedoch eine zweistellige Anzahl. Der folgende Musterfall stellt die jüngste Rechtsentwicklung dar. |
1. Sachverhalt
Die Beteiligten stritten im Hinblick auf die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG über die Frage, ob bei der A-GmbH in den Erhebungszeiträumen 2011 und 2013 ein gewerblicher Grundstückshandel vorlag.
Der Unternehmensgegenstand der A-GmbH war die Verwaltung eigenen Grundbesitzes, insbesondere der Erwerb, die Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Geschäftsführer der im Jahr 2007 gegründeten A-GmbH waren ursprünglich B und C. C verstarb im Jahr 2012, woraufhin B die alleinige Geschäftsführung übernahm. Alleinige Gesellschafterin der A-GmbH war die im Jahr 2004 gegründete A-Holding-GmbH. Deren Gesellschafter waren ursprünglich B und C zu gleichen Teilen. Nach dem Tod des C trat zunächst seine Ehefrau als Alleinerbin in die Gesellschaft ein. Sie veräußerte ihre Anteile an B, der fortan Alleingesellschafter war. Zu der Unternehmensgruppe der A-Holding-GmbH gehörten mehrere weitere Gesellschaften.
Die A-GmbH war Eigentümerin von Grundstücken, die sie im Anlagevermögen hielt. Der Erwerb der Grundstücke erfolgte im Jahr 2007. Nach dem Tod des C im Jahr 2012 veräußerte die A-GmbH im Jahr 2013 13 Objekte an eine einzige Erwerberin. Zuvor waren keine Grundstücksverkäufe erfolgt. In ihren Gewerbesteuererklärungen für 2011 und 2013 machte die A-GmbH die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen geltend.
Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Betriebsprüfer zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nicht erfüllt seien, weil die A-GmbH durch die Grundstücksveräußerungen die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel überschritten habe. Das FA schloss sich dieser Auffassung an, erließ Änderungsbescheide nach § 164 Abs. 2 AO über den Gewerbesteuermessbetrag und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG Münster (26.4.23, 13 K 3367/20 G, EFG 23, 1094) statt.
2. Entscheidungsgründe
Der BFH hielt die Revision des FA für unbegründet. Das FG sei zutreffend von den richterrechtlich geprägten Grundsätzen des gewerblichen Grundstückshandels ausgegangen (grundlegend BFH 3.7.95, GrS 1/93, BStBl II 95, 617 und 10.12.01, GrS 1/98, BStBl II 02, 291; siehe auch BVerfG 4.2.05, 2 BvR 1572/01, BVerfGK 5, 71).
Kapitalgesellschaften wie die A-GmbH unterliegen nach § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GewStG kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer. An die Stelle der sog. einfachen Kürzung nach S. 1 tritt gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Ein-/Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung).
Beachten Sie | Notwendige Voraussetzung für ein Grundstücksunternehmen i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet. Die Grenze zur Gewerblichkeit wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz i. S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z. B. durch Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (vgl. BFH 10.12.01, GrS 1/98, BStBl II 02, 291, unter C.III.1.).
Nach der typisierenden Drei-Objekt-Grenze kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von i. d. R. fünf Jahren (zwischen Anschaffung oder Errichtung und dem Verkauf) mindestens vier Objekte veräußert werden. Solche Veräußerungen lassen typischerweise darauf schließen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (vgl. BFH 10.12.01, GrS 1/98, BStBl II 02, 291, unter C.III.2., m. w. N.). Durch die Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze wird die im Zeitpunkt des Erwerbs oder des Baubeginns vorliegende innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht indiziert (vgl. BFH 28.10.15, X R 22/13, BStBl II 16, 95, Rz. 23).
MERKE | Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der ‒ ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf ‒ den Schluss auf diese innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht zulässt, nicht jedoch einer unwiderleglichen Vermutung, die eine Rechtfertigungsgrundlage im materiellen Recht erfordern würde (BFH 27.9.12, III R 19/11, BStBl II 13, 433, Rz. 22). |
Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist zwar keine starre Grenze. Bei Grundstücksveräußerungen nach Ablauf von mehr als fünf Jahren ‒ und in besonderem Maße bei erstmaligen Veräußerungen danach ‒ müssen jedoch nach Ansicht des BFH weitere Beweisanzeichen hinzutreten, um von Anfang an einen gewerblichen Grundstückshandel annehmen zu können. Ferner können nach dem BFH-Urteil vom 15.6.04 (VIII R 7/02, BStBl II 04, 914) eine hohe Zahl von Veräußerungen außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums oder eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung und Errichtung indizieren.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze habe das FG zu Recht entschieden, dass die A-GmbH in den Streitjahren die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erfüllt hat und deshalb die beantragte erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen kann. Es sei ohne Rechtsfehler zur Auffassung gelangt, dass die A-GmbH die Grenze der Vermögensverwaltung nicht überschritten und keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Es ist von den Rechtsgrundsätzen zur Drei-Objekt-Grenze ausgegangen, seine Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände sei nicht zu beanstanden.
Weiter führt der BFH aus, dass das Urteil des FG auch nicht im Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung in den Urteilen VIII R 7/02, III R 101/06 und III R 19/11 steht.
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Soweit der BFH im Urteil vom 15.6.04 (VIII R 7/02, BStBl II 04, 914) entschieden hat, dass eine hohe Zahl von Veräußerungen außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums oder eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung und Errichtung indizieren können (siehe unter II.2.b und c), ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass in solchen Fällen stets von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen wäre. Zwar lag auch dem vorgenannten Urteil ein Sachverhalt zugrunde, in dem innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums im Sinne der Drei-Objekt-Grenze noch keine Veräußerung erfolgt war, im Anschluss daran aber relativ zeitnah eine zweistellige Zahl an Objekten veräußert wurde. Der Entscheidung ist aber kein über den Einzelfall hinausgehender Rechtsgrundsatz zu entnehmen, wonach das Fehlen von Indizien für eine bedingte Veräußerungsabsicht während des Fünf-Jahres-Zeitraums durch das Indiz einer hohen Zahl von Veräußerungen kurz nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums kompensiert werde.
Überdies fehlt es im Urteilsfall an vom FG festgestellten, die Objektveräußerungen vorbereitenden Maßnahmen innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums. |
Auch soweit das FG bei seiner Gesamtwürdigung das überraschende Versterben des C im Alter von 55 Jahren als besonderen Umstand berücksichtigt und diesen gegenüber der hohen Zahl von Veräußerungen nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums abgewogen hat, widerspricht dies nicht den in den Urteilen III R 101/06 und III R 19/11 aufgestellten Grundsätzen. Das FG habe in tatsächlicher Hinsicht ohne Verfahrensfehler für unzweifelhaft erachtet, dass die Veräußerung der 13 Objekte nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums lediglich auf den nicht vorhersehbaren Todesfall zurückzuführen war. Dieser lasse keine Rückschlüsse auf die im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absichten zu. Vor dem Hintergrund des unerwarteten Todesfalls vermöge allein die (hohe) Anzahl von 13 veräußerten Objekten die Annahme einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht nicht zu rechtfertigen, nachdem bei der Veräußerung mehr als fünf Jahre seit Erwerb verstrichen waren.
Hiernach hat das FG die Voraussetzungen der von der A-GmbH beantragten erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG in zutreffender Weise bejaht und der Klage der A-GmbH deshalb zu Recht stattgegeben.
3. Relevanz für die Praxis
Mit dem Besprechungsurteil bestätigt der BFH die Entscheidung des FG Münster (26.4.23, 13 K 3367/20 G), dass die A-GmbH im Streitfall die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erfüllt hat. Maßgeblich war, dass die A-GmbH mit der Veräußerung von 13 Objekten im Jahr 2013 keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat, da die Verkäufe mehr als fünf Jahre nach dem Erwerb der Grundstücke erfolgten und keine hinreichenden Indizien für eine bedingte Veräußerungsabsicht im Erwerbszeitpunkt vorlagen.
Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, nicht jedoch einer unwiderleglichen Vermutung. Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist zwar keine starre Grenze. Bei Grundstücksveräußerungen nach Ablauf von mehr als fünf Jahren und besonders bei erstmaligen Veräußerungen danach müssen jedoch weitere Beweisanzeichen hinzutreten, um von Anfang an einen gewerblichen Grundstückshandel zu bejahen.
Der BFH erkennt den Tod des Geschäftsführers als außergewöhnlichen und nicht planbaren Umstand an, der die Veräußerungen ausgelöst hat und damit keine Rückschlüsse auf eine ursprünglich bestehende Verkaufsabsicht zulässt. Die Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist allein genügt im Urteilsfall demnach nicht, um einen gewerblichen Grundstückshandel zu begründen.
Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Grundstücksunternehmen, indem sie klarstellt, dass eine hohe Anzahl an Verkäufen nach Ablauf der Fünf-Jahres-Frist nicht automatisch zur Bejahung eines gewerblichen Grundstückshandels und der damit einhergehenden Versagung der erweiterten Kürzung führt. Dafür sind weitere Indizien erforderlich. Die sorgfältige Prüfung der Umstände des Einzelfalls bleibt in der Beratungspraxis weiterhin essenziell.
Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.