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  • Umsatzsteuer
    Vorsteuerabzug trotz Vermietung an Arzt oder Versicherungskaufmann - Altfallregelung nutzen
    von Dipl.-Finw. Jürgen Serafini, Troisdorf
    Wird eine Immobilie an einen Unternehmer vermietet, so kann der Vermieter grundsätzlich zur Umsatzsteuerpflicht optieren und die Vorsteuer aus den Gebäudeherstellungskosten abziehen. Eingeschränkt wird diese Möglichkeit jedoch durch § 9 Abs. 2 UStG. Danach ist eine Option - und damit der Vorsteuerabzug - ausgeschlossen, wenn der mietende Unternehmer nur steuerfreie Umsätze erbringt. § 9 Abs. 2 UStG ist in der jetzigen Fassung zwar grundsätzlich seit 1994 anzuwenden, allerdings sieht § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG eine Übergangsregelung vor. Bei Gebäuden, mit deren Errichtung vor dem 11.11.93 begonnen wurde und die vor dem 1.1.98 fertig gestellt worden sind, kann der Vermieter trotz Überlassung an einen Unternehmer mit steuerfreien Umsätzen auch weiterhin zur Umsatzsteuerpflicht optieren. Diese Übergangsregelung ist von Dauer und kann selbst dann genutzt werden, wenn eine Immobilie erst in 2003 oder 2004 umfassend modernisiert wird. Das heißt: Wird ein Gebäude renoviert, das an einen Arzt oder Versicherungskaufmann überlassen wird und das noch unter die Altfallregelung fällt, kann der Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Renovierungskosten auch heute noch geltend gemacht werden - und zwar selbst dann, wenn zwischenzeitlich der Eigentümer gewechselt hat. Dadurch ergibt sich ein - selten genutztes - Gestaltungspotenzial.
    1. Rechtsentwicklung und Ausgangssituation
    Ursprünglich war es für die Option nach § 9 UStG bei Immobilienvermietungen ohne Belang, ob der mietende Unternehmer vorsteuerschädliche oder -unschädliche Umsätze getätigt hat. Diese Regelung eröffnete in der Vergangenheit auch solchen Unternehmern - zumindest mittelbar - den Vorsteuerzugriff, denen er auf Grund ihrer vorsteuerschädlichen Umsätze überhaupt nicht zugestanden hätte. Benötigte beispielsweise ein Arzt bzw. eine Bank für den eigenbetrieblichen Bedarf ein neues Gebäude, so war der Vorsteuerabzug aus den Erstellungskosten trotz § 15 Abs. 2 UStG mittelbar möglich, indem eine nahe stehende Person (Ehegatte bzw. Tochterpersonengesellschaft) das Objekt errichtete und anschließend unter Option zur Umsatzsteuerpflicht und damit vorsteuerwirksam an den Unternehmer "zurückvermietete".
    Zur Unterbindung solcher Gestaltungen bestimmt § 9 Abs. 2 UStG seit 1994, dass eine Option zur Umsatzsteuerpflicht bei der Immobilienvermietung nur noch gegenüber solchen Mietern möglich ist, die das angemietete Objekt ausschließlich zur Ausführung vorsteuerunschädlicher Umsätze verwenden. Die Anwendungsregelung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG verfügt insofern jedoch, dass für "Altfälle" die frühere Rechtslage weiterhin Bestand haben soll:
    Beispiel 1
    Vermieter V begann im Frühjahr 1993 mit dem Bau eines mehrgeschossigen Bürogebäudes, das Ende 1994 fertig gestellt und ab 1.1.95 an eine Versicherungsgesellschaft vermietet wurde. V hat insofern von Beginn an zur Umsatzsteuerpflicht dieser Vermietungsumsätze optiert.
    Grundsätzlich sieht der seit 1994 geltende § 9 Abs. 2 UStG vor, dass gegenüber Mietern mit vorsteuerschädlichen Umsätzen - wie dem Versicherungsunternehmen - nicht mehr optiert werden kann. Da mit dem Bau jedoch vor dem 11.11.93 begonnen und dieser vor dem 1.1.98 fertig gestellt wurde (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG), gilt für V die frühere Rechtslage fort. Die vorgenommene Option war daher in 1994 zulässig - und bleibt es auch in den Folgejahren. V kann demnach die in den Herstellungskosten (und späteren laufenden Objektverwaltungskosten) enthaltene Vorsteuer voll geltend machen. Da die mietende Versicherungsgesellschaft nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann V die Umsatzsteuer - wirtschaftlich betrachtet - nicht auf die vereinbarte Miete aufschlagen, sondern muss sie vielmehr renditeschmälernd aus diesem Betrag herausrechnen. Da die Option aber nach Ablauf des Überwachungszeitraums i.S. von § 15a UStG, also nach Ablauf von zehn Jahren, das heißt ab 2005, ohne die Folge einer Vorsteuerkorrektur zurückgenommen werden kann, bleibt per Saldo trotz dieser Umsatzsteuerzahllast regelmäßig ein erheblicher Vorsteuerüberschuss. Angesichts der vollen Vorsteuerauskehrung im Erstjahr und der über zehn Jahre verteilten Umsatzsteuerabführung ergibt sich zudem ein erheblicher Finanzierungsvorteil.
    Im Ertragsteuerrecht sind Altfallregelungen im Zusammenhang mit Immobilien regelmäßig personenbezogen. Kauft ein Erwerber ein Altobjekt nach dem entsprechenden Stichtag, so gilt für ihn bereits die neue Rechtslage. § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG weist aber - anders als das Ertragsteuerrecht - eine objektbezogene Regelungstechnik auf:
    Beispiel 2
    Investor X erwirbt in 2003 ein leer stehendes Bürogebäude, das E in 1992 errichtet hatte. X vermietet dieses ab 1.1.04 an ein Versicherungsunternehmen und befragt seinen Steuerberater zu den Möglichkeiten einer Option zur Umsatzsteuerpflicht.
    Das von E in 1992 errichtete Gebäude war wegen Erfüllung der zeitbezogenen Voraussetzung (Baubeginn bzw. -fertigstellung vor dem 11.11.93 bzw. 1.1.98) bei E als begünstigter "Altfall" i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG anzusehen. Da diese Anwendungsvorschrift objektbezogen formuliert ist, haftet diese Altfalleigenschaft dem Gebäude dauerhaft an - das heißt auch in den Händen des Erwerbers X (A 148a Abs. 7 UStR 2000). X könnte daher bei seiner Vermietung zur Umsatzsteuerpflicht optieren. Dies macht allerdings regelmäßig wenig Sinn, da die Umsatzsteuer nicht
    auf das Versicherungsunternehmen übergewälzt werden kann und damit die Nettomieteinnahmen um 16 Prozent sinken. Ein Vorsteuerabzug in mindestens ebenso großem Umfang steht dem nicht gegenüber.
    Die vorstehende objektbezogene Formulierung von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG führt dazu, dass ein großer Teil der Vermietungsimmobilien auf deutschem Boden "Altfälle" sind und dauerhaft bleiben - auch in den Händen der nachfolgenden Erwerber. Der Gesetzgeber wählte diese objektbezogene Regelungstechnik, da sie ihm - wie in Beispiel 2 demonstriert - "ungefährlich", das heißt nicht missbrauchsanfällig erschien.
    2. Gestaltungspotenzial in Renovierungsfällen
    Die Altfallregelung bietet jedoch über den eigentlichen Herstellungsvorgang hinaus auch bei späteren Renovierungsmaßnahmen Vorsteuerpotenzial:
    Beispiel 3a
    U ist Eigentümer eines vermieteten dreigeschossigen Ärztehauses, das er in 1960 selbst errichtet hat. Von August 2002 bis Februar 2003 lässt er das Gebäude grundlegend für 300.000 EUR zuzüglich 48.000 EUR Umsatzsteuer renovieren und vermietet es anschließend wieder an den bisherigen Mieter (Gemeinschaftspraxis).
    Da es sich bei dem Gebäude angesichts der Errichtungsdaten um einen Altfall i.S. des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG handelt, kann U gegenüber dem Mieter - trotz § 15 Abs. 2/§ 4 Nr. 14 UStG - zur Umsatzsteuerpflicht optieren. Entscheidet er sich für diese Option, so steht ihm korrespondierend der Vorsteuerabzug von 48.000 EUR aus den Baukosten (sowie den laufenden Objektverwaltungskosten) zu.
    Eine Option ist insofern überaus lohnend, denn die Nettomietschmälerung durch die herauszurechnende Umsatzsteuer wird durch den hohen Vorsteuerabzug überkompensiert: Bereits für Vermietungsumsätze ab 2004 kann U nämlich seine Option i.S. von § 9 UStG wieder zurücknehmen, ohne seinen ursprünglichen Vorsteuerabzug zu gefährden. Eine Vorsteuerrückforderung i.S. von § 15a UStG kommt in diesem Fall nur in Betracht, wenn die Baumaßnahmen nicht als Erhaltungs-, sondern als Herstellungsaufwand zu qualifizieren waren. Diese Abgrenzung ist auch für umsatzsteuerliche Zwecke nach den im Ertragsteuerrecht geltenden Kriterien vorzunehmen.
    Nach der jüngsten BFH-Rechtsprechung kommen für den vorliegenden Sachverhalt Herstellungskosten nur in Betracht, wenn die Baumaßnahmen zu einem höheren Gebäudestandard geführt haben (vgl. zu den drei Standardstufen BMF 18.7.03, BStBl I, 386 Rz. 28 i.V.m. Rz. 9; siehe auch Kreft GStB 02, 302). Eine Standardsteigerung in diesem Sinne dürfte jedoch im vorliegenden Sachverhalt zu verneinen sein, denn als Vergleichsgröße für eine solche Steigerung ist nicht auf den Gebäudezustand vor Renovierung, sondern auf die Zeit der Errichtung (nach den Maßstäben von 1960) abzustellen (BMF 18.7.03, a.a.O., Rz. 26). Das heißt: Lag 1960 nach den damaligen Verhältnissen ein mittlerer Standard vor und liegt nach einer umfassenden Modernisierung in 2002/2003 nach heutigen Verhältnissen ebenfalls ein mittlerer Standard vor, so sind die Modernisierungskosten Erhaltungsaufwand. Dabei ist zu beachten, dass nach den Maßstäben des BMF ein "sehr einfacher Standard" im Jahre 1960 nur selten gegeben sein dürfte und andererseits heute ein "sehr anspruchsvoller Standard" im Mietwohnungsbau ebenfalls nur ausnahmsweise anzutreffen ist. Eine Standardsteigerung bei selbst errichteten Gebäuden dürfte also die Ausnahme bleiben. Liegt demnach Erhaltungsaufwand vor, so beurteilt sich die Abziehbarkeit der in den Renovierungskosten enthaltenen Vorsteuer ausschließlich nach den Nutzungsverhältnissen des Kalenderjahrs des Leistungsbezugs (2002/2003), das heißt, eine veränderte Nutzung in den nächsten Jahren bleibt folgenlos.
    Beispiel 3b
    Wie Beispiel 3a, U hat das Gebäude aber erst in 2001 erworben (Baujahr ebenfalls 1960) und anschließend wie beschrieben renoviert.
    Hier liegt zwar ebenfalls ein Altfall i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG vor. Eine ab 2004 zurückgezogene Option nach § 9 UStG hätte jedoch möglicherweise eine Vorsteuerrückforderung nach § 15a UStG zur Folge. Nach den o.a. neuen ertragsteuerlichen Rechtsprechungsgrundsätzen würde dann nämlich der Standard des Gebäudes bei Erwerb maßgebend sein, und zwar nach den Maßstäben 2001 (vgl. BMF 18.7.03, a.a.O., Rz. 26). Angesichts des hohen Renovierungsvolumens in 2002/2003 dürfte davon auszugehen sein, dass an dem Gebäude jahrelang nichts getan wurde und es daher nach den Verhältnissen in 2001 nur noch einen "sehr einfachen Standard" aufwies. Daher ist es denkbar, dass in 2002/2003 eine Standardsteigerung in "drei von vier der zentralen Bereiche" (vgl. BMF 18.7.03, a.a.O., Rz. 28 i.V.m. Rz. 10) stattgefunden hat.
    Beispiel 3c
    Wie Beispiel 3a, mit der Modernisierung wurde jedoch erst in 2004 begonnen.
    Seit dem 1.1.04 ist § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. zu beachten, wonach Aufwendungen für Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen innerhalb von drei Jahren nach Grundstückserwerb als (anschaffungsnahe) Herstellungskosten gelten, wenn die (Netto-)Kosten 15 Prozent der Gebäudeanschaffungskosten übersteigen. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt über A 214 Abs. 3 UStR auch für die Umsatzsteuer. Das führt hier dazu, dass hinsichtlich der Renovierungskosten ein neuer Überwachungszeitraum i.S. von § 15a UStG beginnt, wenn die 15-Prozent-Grenze überschritten ist. U sollte daher die umsatzsteuerpflichtige Vermietung für zehn Jahre fortführen. Eine Anwendung der neuen Rechtslage würde jedoch vermieden, wenn U noch in 2003 mit Baumaßnahmen begonnen hat: Nach § 52 Abs. 16 S. 7 EStG n.F. gilt § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. nämlich nicht, wenn mit der Baumaßnahme bereits vor dem 1.1.04 begonnen wurde, und § 52 Abs. 16 S. 9 EStG n.F. stellt klar, dass für diese Frage alle Baumaßnahmen als "eine Baumaßnahme" zusammenzufassen sind. Auszuklammern sind lediglich "jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten".
    3. Gestaltungspotenzial beim Gebäudeumbau
    In ähnlicher Weise lässt sich die Regelungstechnik des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG auch bei Umbaumaßnahmen vorsteuersteigernd nutzen:
    Beispiel 4
    U hatte 1980 ein dreigeschossiges Verwaltungsgebäude errichtet und dieses langfristig an eine Bank vermietet. Da die Bank seit geraumer Zeit einen erheblich gestiegenen Raumbedarf hat und weitere Verwaltungsaktivitäten an diesen Standort verlagern möchte, kommt U Anfang 2002 mit ihr überein, das Gebäude um zwei weitere Stockwerke aufzustocken. Anfang 2003 ist die Aufstockungsmaßnahme (Baukosten: 1 Mio. EUR zzgl. 160.000 EUR Umsatzsteuer) abgeschlossen und die beiden zusätzlichen Etagen werden an die Bank vermietet.
    Bei dem Ursprungsgebäude handelt es sich um einen Altfall i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG, das heißt, U kann bei der Vermietung des Objekts zur Umsatzsteuerpflicht optieren. Da die Option bei einem Gebäude flächenbezogen teilbar ist (A 148 Abs. 6 UStR 2000), kann U für die Vermietungsumsätze bezüglich der beiden Neuetagen gemäß § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht optieren, während er zugleich für die Altetagen die Umsatzsteuerfreiheit der Vermietungsumsätze beibehält.
    Durch eine solche Teiloption erhält U den Zugang zum Vorsteuerabzug von 160.000 EUR aus den Baukosten. Nach Ablauf des Erstvermietungsjahres 2003 kann U sich nun entscheiden: Einerseits besteht die Möglichkeit, die Option zur Umsatzsteuerpflicht noch die übrigen neun Jahre des Vorsteuerkorrekturzeitraums des § 15a UStG aufrecht zu erhalten und danach vorsteuerunschädlich zurückzunehmen. Der vermiedenen Vorsteuerkorrektur steht in diesem Fall die mietschmälernde Zahllast der in 120 Monatsmieten enthaltenen Umsatzsteuer gegenüber. Hierdurch verbleibt regelmäßig ein erheblicher Vorsteuerüberschuss - insbesondere bei Einbeziehung der (anteiligen) Vorsteuerbeträge aus den Objektverwaltungskosten.
    Alternativ kann U die Option zur Umsatzsteuerpflicht auch ab 2004 wieder zurückziehen. In diesem Fall steht der ersparten Umsatzsteuerzahlung aus der Miete eine Vorsteuerrückzahlung für die verbleibenden neun Jahre nach § 15a UStG gegenüber. Da die Vorsteuer aber nicht auf einen Schlag, sondern verteilt über neun Jahre zurückgezahlt werden muss, hat der Gesamtvorgang in dieser Variante den Charakter der Rückzahlung eines unverzinsten Darlehens über den Korrekturzeitraum i.S. von § 15a UStG.
    4. Grenzen der Altfallregelung
    Handelt es sich - wie im Beispiel 4 - bei den Gebäudeumbaukosten ertragsteuerlich um nachträgliche Herstellungskosten, so gilt auch für sie der Altfallcharakter des Ursprungsgebäudes, das heißt, der Altfallcharakter "färbt" ab. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn der neue Gebäudeteil nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ein "neues, eigenständiges Wirtschaftsgut" darstellt. Hier ergibt sich gegebenenfalls eine andere Rechtsfolge:
    Beispiel 5
    U betreibt eine Apotheke im Erdgeschoss eines Gebäudes, das er 1980 selbst errichtet hat. Zur Steigerung seiner Umsätze würde er gerne eine Arztpraxis in der Nähe ansiedeln. Daher entschließt er sich im Frühjahr 2002, das Gebäude um eine Etage aufzustocken, in dieser Praxisräume einzurichten und diese an einen Arzt zu vermiete
    Nach den Errichtungsdaten ist das Gebäude des U ein Altfall i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Bei einer Qualifizierung der Aufstockungskosten als nachträgliche Herstellungskosten würde daher auch für die Neuetage eine Option - und damit der Vorsteuerabzug aus den Baukosten - ermöglicht. Im vorliegenden Sachverhalt stellen die Aufstockungskosten jedoch ertragsteuerlich Aufwand für die Errichtung eines selbstständigen "neuen Wirtschaftsguts" i.S. von R 13 Abs. 4 EStR 2003 dar: Sie erweitern nämlich nicht das bereits vorhandene Wirtschaftsgut "eigenbetrieblich genutzter Gebäude", sondern schaffen ein neues Wirtschaftsgut "fremdbetrieblich genutzter Gebäudeteil" (vgl. auch § 7 Abs. 5a EStG). In A 148a Abs. 6 S. 1 UStR 2000 vertritt die Finanzverwaltung insofern die Auffassung, Anbau- oder Aufstockungsmaßnahmen an einem "Altfallgebäude" würden dann unter die ab 1.1.94 gültige neue Rechtslage fallen, wenn durch die Baumaßnahme ein selbstständiges Wirtschaftsgut im ertragsteuerrechtlichen Sinne geschaffen wird. Dies ist vorliegend zu bejahen, so dass eine Inanspruchnahme der Altfallregelung für die Aufstockung ausscheidet.
    Wäre hingegen die Ehefrau des U Eigentümerin des o.a. Gebäudes und würde dieses an ihn vermieten und nun um die beschriebene Aufstockung erweitern, so wäre die Lösung eine andere: In diesem Fall wären die Aufstockungskosten nämlich ertragsteuerlich als nachträgliche Herstellungskosten für das bereits vorhandene selbstständige Wirtschaftsgut "fremdbetrieblich genutztes Gebäude" i.S. von R 13 Abs. 4 EStR 2003 zu werten, so dass § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG Anwendung findet.
    Diese ertragsteuerliche Abgrenzung zur Entstehung eines "neuen Wirtschaftsguts" ist auch bei tiefgreifenden Umbaumaßnahmen von Bedeutung:
    Beispiel 6
    U erwirbt Anfang 2002 ein stark renovierungsbedürftiges denkmalgeschütztes Fachwerkhaus. Mit einem Kostenaufwand von 400.000 EUR lässt er das Gebäude anschließend entkernen, und hinter der stehen gebliebenen und aufwendig restaurierten Fachwerkfassade wird das Gebäude mit überwiegend neuer Substanz wieder aufgebaut. Nach Abschluss der Bauarbeiten vermietet U das Objekt Anfang 2003 insgesamt (Ladenlokal und Büroräume) an ein Versicherungsmaklerbüro.
    Wird ein Gebäude so grundlegend umgebaut, dass dabei die für die Gebäudenutzungsdauer maßgebenden Elemente (Fundamente, tragende Außen- und Innenwände sowie Zwischendecken und Dachkonstruktion) überwiegend ausgetauscht oder verändert werden, so liegt aus ertragsteuerlicher Sicht ein "bautechnisch neues Gebäude" vor (BFH 13.10.98, BFH/NV 99, 603). Dies wird man hier bejahen müssen, so dass das Gesamtgebäude (anders als in den Beispielen 4 u. 5 also nicht nur die neu eingefügte Bausubstanz!) als Neufall unter die ab 1994 geltende Regelung des § 9 Abs. 2 UStG fällt. U ist eine Option zur Umsatzsteuerpflicht hinsichtlich der Vermietungsumsätze und damit auch der Abzug der Vorsteuer aus den Baukosten nicht möglich, da der Mieter das Objekt zu vorsteuerschädlichen Zwecken nutzt (s.a. FG Nürnberg 13.8.02, DStRE 03, 819).
    Das Ertragsteuerrecht kennt bei grundlegenden Gebäudeumbaumaßnahmen noch weitere, zu Herstellungskosten führende Sachverhalte, die auch umsatzsteuerlich relevant sind:
    Beispiel 7
    U erwirbt Anfang 2002 ein Mehrfamilienhaus in Innenstadtlage. Da in der Umgebung eine starke Nachfrage nach Büroflächen besteht, baut U bis Anfang 2003 das Gebäude mit einem Kostenaufwand von 400.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer zu Büroetagen um und vermietet das Objekt anschließend an einen Finanzdienstleister.
    Die Baumaßnahme führt weder zur Schaffung eines "neuen Wirtschaftsguts" i.S. von R 13 Abs. 4 EStR 2003 noch zu einem "bautechnisch neuen Gebäude" im Sinne der Beispiele 5 und 6. Gleichwohl liegen keine "gewöhnlichen" nachträglichen Herstellungskosten vor: Wird ein Gebäude nämlich für eine andere als die bisherige Nutzung unter erheblichem Bauaufwand in seinem Wesen grundlegend verändert, so führt der Bauaufwand ertragsteuerlich zur Schaffung eines "anderen Wirtschaftsguts" (R 43 Abs. 5 EStR 2003, BFH 31.03.92, BStBl II, 808). Dieser ertragsteuerlichen Wertung folgt auch das Umsatzsteuerrecht: Nach A 148a Abs. 6 S. 2 UStR 2000 führt auch Bauaufwand zur Schaffung eines "anderen Wirtschaftsguts" dazu, dass das Gebäude nicht mehr als Altfall i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG angesehen werden kann. U kann daher gegenüber dem Finanzdienstleister - wegen § 9 Abs. 2 UStG i.V.m. § 4 Nr. 8/§ 15 Abs. 2 UStG - nicht zur Umsatzsteuerpflicht der Vermietungsumsätze optieren und folglich die Vorsteuer aus den Umbaukosten nicht abziehen.
    Diese umsatzsteuerliche Folge eines ertragsteuerlich "anderen Wirtschaftsguts" hat der V. Senat des BFH zwar grundsätzlich bestätigt; dennoch scheint er dies deutlich großzügiger auszulegen (BFH 5.6.03, BFH/NV 03, 1511): Im zu Grunde liegenden Fall hatte der Investor ein altes Eisenbahnverwaltungsgebäude (Baujahr vor 1993) für rund 600.000 DM erworben und mit einem Bauvolumen von ca. 5,3 Mio. DM zu einem Gebäude mit Büro- und Schulungszentrum nebst einigen Wohnungen umbauen lassen. Nach Abschluss der Umbauarbeiten vermietete er die Flächen (außer den Wohnungen) an einen Arzt für dessen Praxis sowie an ein Aus- und Fortbildungsunternehmen. Trotz deren vorsteuerschädlicher Umsätze (§ 4 Nr. 14 bzw. § 4 Nr. 21 UStG) optierte er bei den Vermietungen - wegen Annahme eines Altfalls - zur Umsatzsteuerpflicht und machte die in den Baukosten enthaltene Vorsteuer überwiegend geltend.
    Nach bisheriger ertragsteuerlicher Rechtsprechung hätte im vorliegenden Fall m.E. zweifelsfrei die Schaffung eines "anderen Wirtschaftsguts" bejaht werden müssen, denn neben den veränderten Nutzungsgegebenheiten war der Umbau auch derart tiefgreifend, dass die eingefügte Substanz der Gesamtheit das Gepräge gibt und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Der V. Senat des BFH sieht dies jedoch anders: Nach seiner Ansicht unterscheide sich das entstandene Schulzentrum mit Arztpraxis und Wohnungen nicht derart grundlegend von der früheren Nutzung zu Eisenbahnverwaltungszwecken, dass von einer wesentlichen Funktions- und Zweckänderung gesprochen werden müsse. Diese Interpretation ist erstaunlich. Nimmt man sie jedoch ernst, so dürfte das FA dem Investor, der ein Gebäude umbaut, nur noch in seltenen Fällen die "Altfalleigenschaft" i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG wegen Schaffung eines "anderen Wirtschaftsguts" absprechen können.
    5. Nutzung der Altfallregelung als Gestaltungsmissbrauch?
    Der Vorsteuerabzug aus Gebäudeinstandsetzungs- oder -umbaukosten durch Nutzung der Altfallregelung stellt grundsätzlich keine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung dar. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn Mieter und Vermieter nahestehende Personen sind.
    Beispiel 8
    Arzt A möchte für sein Unternehmen ein älteres Praxisgebäude (Baujahr vor 1993) erwerben und für seine Belange umfassend renovieren. Nach Rücksprache mit dem Steuerberater wird das Objekt schließlich von seiner Ehefrau EF erworben, renoviert und anschließend an A vermietet. Zur Erlangung des gewünschten Vorsteuerabzugs optiert EF gegenüber A hinsichtlich der Mieteinnahmen zur Umsatzsteuerpflicht.
    Die Zwischenschaltung einer nahestehenden Person zur Erlangung des Vorsteuerabzugs ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich. Etwas anderes gilt jedoch, wenn EF die laufenden Grundstücks- und Darlehensaufwendungen nicht aus eigenen Mitteln (inkl. Miete) decken kann und deshalb auf zusätzliche Zuwendungen des mietenden Ehegatten angewiesen ist (vgl. ausführlich: BFH 16.1.92, BStBl II, 541; BFH 10.9.92, BStBl II 93, 253 und BFH 22.10.92, BStBl II 93, 210). Zudem ist die "Mindestbemessungsgrundlage" i.S. von § 10 Abs. 5 UStG zu beachten.
    Ähnliches gilt, wenn ein Unternehmen zur Vorsteuererlangung bei einem Altfall i.S. von § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG eine nahestehende juristische Person - zum Beispiel Tochterpersonengesellschaft (keine Kapitalgesellschaft wegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG!) - zwischenschaltet. Hier ergibt sich die Grenzziehung zu § 42 AO aus dem BMF-Schreiben vom 29.5.92 (BStBl I, 378) sowie der BFH-Entscheidung vom 30.3.00 (BFH/NV 00, 1368 m.w.N.).
    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 01/2004, Seite 25
    Quelle: Ausgabe 01 / 2004 | Seite 25 | ID 103893

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