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  • 03.05.2011 | Europäischer Gerichtshof

    Ausnutzen unterschiedlicher Rechtsauslegungen im EU-Raum als Gestaltungsmissbrauch?

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Nach § 42 AO gilt eine Maßnahme dann als missbräuchlich, wenn ihr eine unangemessene rechtliche Gestaltung zugrunde liegt, die nicht durch beachtliche außersteuerliche, sondern vor allem durch Steuervorteile motiviert ist. Die gemeinschaftsrechtliche Sichtweise weicht hiervon allerdings ab. Der EuGH hat jüngst in zwei Entscheidungen die Zuhilfenahme einer „Vorschaltgesellschaft" bzw. das gestalterische Ausnutzen der unterschiedlichen nationalen Wertungen zu Leasingumsätzen als nicht missbräuchlich eingeordnet (EuGH 22.12.10, C-103/09 und C-277/09).  

    1. Das Vorlageverfahren C-103/09

    Die britische Unternehmensgruppe CGC erbringt vorwiegend umsatzsteuerfreie vorsteuerschädliche Versicherungsdienstleistungen. Für betriebliche Investitionen schalteten die Gesellschafter daher die konzernzugehörige WL vor, die die Investitionsgüter mit Vorsteuerabzug erwarb und umsatzsteuerpflichtig an die Zielgesellschaft verleaste. Durch den anfänglichen Vorsteuerabzug mit nachgelagerter - zeitlich gestaffelter - Umsatzbesteuerung ergab sich für die CGC im Vergleich zur Direktinvestition ein Steuerstundungseffekt, den der EuGH jedoch als nicht generell gestaltungsmissbräuchlich bewertete. Dies gilt laut EuGH zumindest dann, wenn die Vertragsbedingungen - insbesondere die Miethöhe - marktüblich sind. Dass das vorgeschaltete Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigte, hielt der EuGH für irrelevant.  

     

    Praxishinweis

    Diese EuGH-Rechtsprechung weicht von der bisherigen deutlich restriktiveren deutschen Sichtweise ab, nach der das Vorschalten einer Gesellschaft zur Erlangung eines Steuerstundungseffekts für letztlich vorsteuerschädliche Investitionen (z.B. Immobilieninvestitionen nach dem Bankenmodell/ Arztehegattenmodell) einen rechtlichen Gestaltungsmissbrauch darstellt, wenn für die Gestaltung keine vernünftigen außersteuerlichen Gründe dargelegt werden können (vgl. BMF 29.5.92, IV A 2-7300 - 63/92, BStBl I 92, 378; BFH 9.11.06, V R 43/04; BFH 16.3.00, V R 9/99).  

     

    Im vorliegenden Verfahren ging zwar auch der EuGH von einer vorwiegend mehrwertsteuerlich motivierten Vorgehensweise aus. Er betonte jedoch, der Vorfinanzierungseffekt bei umsatzsteuerpflichtigem Leasing sei auch bei Fremdleasingunternehmen eine gewöhnliche Systemfolge und daher noch kein dem Mehrwertsteuerrecht zuwider laufender Gestaltungsmissbrauch. Dementsprechend konnte auch der Vorfinanzierungseffekt beim „Seeling-Modell“ nur durch gesetzgeberische Veränderungen (Einführung des § 15 Abs. 1b UStG durch das JStG 2010) unterbunden werden.  

    2. Das Vorlageverfahren C-277/09

    Die in Großbritannien ansässige R-Bank bediente sich hinsichtlich ihrer unternehmerisch benötigten Fahrzeuge ihrer in Deutschland ansässigen Leasing-Tochergesellschaft L. Die L erwarb zu diesem Zweck die gewünschten Fahrzeuge in Großbritannien und verleaste sie unmittelbar an die R. Die speziellen Leasingverträge führten nach deutschem Recht zu - in Großbritannien zu besteuernden - Fahrzeuglieferungen. Das britische Recht ging hingegen von - in Deutschland zu besteuernden - Leasingdienstleistungen aus, sodass es letztlich in keinem der beiden Staaten zur Umsatzbesteuerung kam.  

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