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  • Bilanzierung

    Das Rückstellungsverbot für künftige AK/HK und dessen Umgehung

    von StB WP Dr. Wolf-Dieter Hoffmann, Freiburg i. Br.

    Das StEntlG 1999/2000/2002 hat in § 5 Abs. 4b EStG ein generelles Rückstellungsverbot für Aufwendungen normiert, „die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut sind“. Beispielsweise darf eine Gaststätte, der aufgelegt wird, innerhalb der nächsten  zwei Jahre einen Fettabscheider einzubauen (= Anschaffungskosten), für diese Verpflichtung keine Rückstellung bilden.

    Es handelt sich dabei allerdings nur um eine gesetzliche Klarstellung einer schon gefestigten BFH-Rechtsprechung; dementsprechend gibt es hierzu keine zeitliche Anwendungsvorschrift. Nach § 52 Abs. 14 EStG sind entsprechende Rückstellungen im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Veranlagungszeitraum in voller Höhe, also ohne zeitliche Staffelung, aufzulösen. Der folgende Beitrag zeigt daher Gestaltungsmöglichkeiten auf, um das Ansatzverbot des § 5 Abs. 4b EStG zu umgehen.

    1. Wirtschaftliche und bilanzrechtliche Bedenken

    Die wirtschaftliche Begründung des BFH und dieser folgend des Gesetzgebers für das Rückstellungsverbot lautet ungefähr wie folgt: Die Anschaffung bzw. Herstellung von Wirtschaftsgütern führe nur zu einer Vermögensumschichtung, ist also erfolgsneutral. Die künftigen AfA-Beträge seien wirtschaftlich erst nach dem Bilanzstichtag des Investitionsjahres verursacht (m. E. fraglich). Außerdem könnte sonst ein schnell investierender Steuerpflichtiger wegen der erforderlichen Aktivierung nur die AfA absetzen, ein später reagierender (zunächst) den vollen Aufwand.

    Das Schrifttum folgt dieser „Lehre“ weitgehend, gegenteilige Auffassungen sind eher Minderheit geblieben. Doch so stringent die Begründung auf den ersten Blick erscheint, so bestehen doch betriebswirtschaftliche und bilanzrechtliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung bzw. Gesetzesregelung. Denn der Unterschied von Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu den „normalen“ Aufwendungen besteht eigentlich nur darin, daß erstere lediglich sukzessive, also im Zeitverlauf, zu Aufwand werden, letztere dagegen sofort. Anders ausgedrückt: Aufwand im bilanzrechtlichen und damit auch steuermindernden Sinn liefern auch Anschaffungs- oder Herstellungskosten, allerdings erst im Zeitverlauf durch die Vornahme von Abschreibungen oder durch Abgang der betroffenen Wirtschaftsgüter. Daher erscheint es doch nicht unbedingt zwingend, dass für diese „gespeicherten“ Aufwendungen keine Rückstellung erfolgen kann. Hierzu folgendes Schulbeispiel:

    Beispiel

    Im Bauhof eines Bauunternehmens werden Gewässerverunreinigungen festgestellt. Die Umweltbehörde macht die Auflage, die Quelle der Verunreinigungen zu beseitigen. Dazu muss zunächst umfangreich Erdreich abgetragen werden, um überhaupt zur „Quelle“ vorzustoßen. Das Bauunternehmen kalkuliert zum Bilanzstichtag 00 folgende Kosten zur Behebung des Schadens:
     

     
    Es wird unterstellt, dass die übrigen Voraussetzungen zur Rückstellungsbildung für Altlastenbeseitigungen erfüllt sind (BFH 19.10.93, BStBl II, 891).

    Dann gilt für die Rückstellungsbemessung folgendes: Die Arbeitslöhne sind in Höhe der Vollkosten rückstellungsfähig. Zweifelhaft ist die Behandlung der Verwendung von bereits abgeschriebenem Anlagevermögen (Spundmaterial). Vermutlich wird man den Fall so lösen, dass man hier keine „Aufwendungen“ i.S. des § 5 Abs. 4b EStG sehen wird. Eine andere Betrachtungsweise mag Platz greifen, wenn diese Anlagengegenstände noch nicht abgeschrieben worden sind. Ob dann lediglich Aufwendungen entsprechend der Jahresabschreibung für ein Jahr oder für die Restjahre zurückgestellt werden können, lässt sich aus dem Gesetz nicht ablesen. Dem Willen des Gesetzgebers wird wohl am ehesten mit einer ratierlichen Aufwandsverrechnung durch Weiterführung der Abschreibungen Rechnung getragen; also wird eine Rückstellung nicht zu bilden sein.

    Nun aber zu dem eigentlichen Problembereich des § 5 Abs. 4b EStG, dem Ansatzverbot für Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Nach dieser insoweit eindeutigen Gesetzesformulierung kommen für die Anschaffungskosten des Baggers Rückstellungen nicht in Betracht. Auch hier wird der Aufwand erst in der „normalen“ Form dem Ergebnis belastet werden, also durch reguläre Abschreibungen.

    2. Gestaltungsmöglichkeiten

    Die Frage geht nun dahin, ob es einen Weg gibt, das Verbot der Rückstellungsbildung für die Anschaffungskosten des Baggers zu umgehen. Irgendwie erscheint es wirtschaftlich doch nicht ganz so eindeutig, dass der Produktionsfaktor Arbeit zur Rückstellung berechtigt, nicht jedoch der Produktionsfaktor Kapital.

    Eine Gestaltungsalternative zur Gewährleistung einer sofortigen Verrechnung der Gesamtkosten könnte die Beauftragung eines fremden Unternehmens sein, also eine Art Outsourcing. Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S. von § 5 Abs. 4b EStG dürften dann nicht anzunehmen sein. Zweifel könnten sich allerdings dann ergeben, wenn die Subunternehmerleistungen in die Herstellung eines Wirtschaftsgutes einfließen, wenn also im Zuge der Baggerarbeiten ein Fundament gelegt wird, das für einen späteren Bau (z.B. eine Kläranlage) verwendet werden kann. Abgesehen von dieser Besonderheit dürfte jedenfalls die Einschaltung eines Subunternehmers zur Behebung der Gewässerverunreinigung und der „Trockenlegung“ der Quelle die Rückstellungsbildung ermöglichen.

    Eine andere Möglichkeit zur Vermeidung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Gesetzessinn stellt die Leasingfinanzierung dar. Nach traditionellem deutschen Bilanzierungsverständnis und der darauf basierenden Vertragsgestaltungen führt eine Leasingfinanzierung für den Bagger nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S. des § 5 Abs. 4b EStG. Vielmehr werden die entsprechenden Aufwendungen in Form von Leasingraten laufzeitabhängig verrechnet. Diese periodischen Zahlungen enthalten nicht nur den vom leasinggebenden Unternehmen kalkulierten Wertverzehr des Wirtschaftsguts selbst, sondern auch die Finanzierungskosten. Die Rückstellung wäre dementsprechend nach Maßgabe der geplanten Nutzungsdauer des Baggers für den Bodenaushub und den in diesem Zeitraum anfallenden Leasingraten zu bemessen; nach § 6 Abs. 1 Nr. 3e EStG ist eine Abzinsung mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent p.a. vorzunehmen. Die Leasingfinanzierung dürfte sich kostenmäßig angesichts der Konkurrenzsituation in der Branche kaum negativ von einer herkömmlichen Bankfinanzierung unterscheiden. Der Gestaltungsvorschlag enthält also keine wirtschaftlichen Nachteile für das betreffende Unternehmen (ohne Berücksichtigung des Rückstellungseffektes).

    Wenn der Unternehmer gleichwohl eine herkömmliche Finanzierung – also Anschaffung als eigenes Wirtschaftsgut mit Finanzierung durch Eigenkapital oder durch Bankkredit oder gemischt – vorzieht, könnte auch wie folgt vorgegangen werden: Es wird eine eigene Gesellschaft gegründet, und zwar eine Bagger-GmbH. Diese tut dann dasselbe wie eine herkömmliche Leasinggesellschaft, verleast oder vermietet also den Bagger an das Baugeschäft. Auch hier verhindert § 5 Abs. 4b EStG die Rückstellungsbildung nicht. Natürlich muss darauf geachtet werden, dass das wirtschaftliche Eigentum während der gesamten Leasingdauer beim Leasinggeber bleibt. Dies könnte insbesondere bei Wirtschaftsgütern kritisch werden, die speziell auf die Belange des Leasingnehmers zugeschnitten werden (so genanntes Spezialleasing; vgl. BMF 19.4.71, BStBl I, 264).

    Die hier erörterte Gestaltungsvariante könnte im Übrigen noch in anderer Hinsicht steueroptimierend eingesetzt werden. Unterstellt, das Baugeschäft wird als Personengesellschaft oder Einzelunternehmen geführt und der Pachtzins übersteigt 250.000 DM p.a., dann bewirkt die nach § 8 Nr. 7 GewStG vorzunehmende Zurechnung noch einen weiteren positiven Gestaltungseffekt, nämlich bezüglich der Gewerbesteuer-Anrechnung nach § 35 EStG n.F. Denn die Zurechnung beim mietenden Baugeschäft erhöht den Gewerbesteuermessbetrag und damit das Anrechnungsvolumen des betroffenen (Mit-)Unternehmers. Die entsprechende Kürzungsvorschrift bei der Bagger-(Verpachtungs-) GmbH ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, denn eine GmbH ist ohnehin nicht zu einer Gewerbesteuer-Anrechnung nach § 35 EStG n.F. berechtigt. Allerdings darf dann kein nachhaltig negativer Gewerbeertrag bei der GmbH entstehen, weil sonst die Messbetragserhöhung beim Baugeschäft nicht durch eine entsprechende (steuerwirksame) Messbetragsminderung bei der GmbH kompensiert wird.

    Also ein schönes Beispiel für die Kombination von steueroptimierender Bilanzpolitik mit der vom Gesetzgeber gewollten Mittelstandsförderung durch Gewerbesteuer-Anrechnung im Zuge der Unternehmenssteuerreform.

    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 02/2001, Seite 62

    Quelle: Ausgabe 02 / 2001 | Seite 62 | ID 103590

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