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  • 01.04.2006 | Betriebsaufgabe

    Freibetrag bei zeitlich gestreckter Betriebsaufgabe steuerlich optimal nutzen

    von RiFG Dr. Alexander Kratzsch, Bünde

    Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auch bei einer zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe, bei der Gewinne in zwei VZ realisiert werden, in Anspruch genommen werden. Der BMF vertritt im Einklang hiermit die Auffassung, der Freibetrag von derzeit maximal 45.000 EUR sei insgesamt nur einmal zu gewähren und im Verhältnis der jeweils realisierten Gewinne auf die VZ zu verteilen (BMF 20.12.05, IV B 2 - S 2242 -18/05, Abruf-Nr. 060911). Auch die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG könne für diesen Gewinn auf Antrag in beiden VZ gewährt werden; der für diese Zwecke geltende Höchstbetrag von fünf Mio. EUR sei dabei aber insgesamt nur einmal zu gewähren. Entgegen der bisherigen BMF-Auffassung soll der ehemalige Betriebsinhaber den Freibetrag zudem auch bei der teilentgeltlichen Übergabe eines Betriebes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in voller Höhe beanspruchen können. Welche Gestaltungsspielräume sich dadurch bieten, zeigt der folgende Musterfall. 

    1. Sachverhalt

    Unternehmer U, der am 10.5.05 55 Jahre alt geworden war, gibt seinen Maschinenbaubetrieb auf. In der Zeit von Oktober 2006 bis März 2007 veräußert er alle wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens an verschiedene Erwerber. Das Betriebsgrundstück konnte er erst im März 2007 veräußern. Der durch Auflösung der stillen Reserven realisierte Gewinn beträgt insgesamt 150.000 EUR. Davon fallen 50.000 EUR (33,3 v.H.) in 2006 und 100.000 EUR (66,6 v.H.) in 2007 an. U erzielt in 2007 keine weiteren Einkünfte und will wissen, mit welcher Steuerbelastung er rechnen muss. 

    2. Überlegungen zur Rechtslage

    Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wird nur auf Antrag und nur einmal im Leben gewährt. Neben dem Freibetrag kann auf Antrag abweichend von § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelungsregelung) und unter denselben Voraussetzungen wie nach § 16 Abs. 4 EStG (= Vollendung des 55. Lebensjahres oder Erwerbsunfähigkeit bei Beendigung der Betriebsaufgabe) die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz von 56 v.H. des durchschnittlichen Steuersatzes besteuert werden. Die Inanspruchnahme der Vergünstigungen der §§ 16, 34 EStG setzt somit bei einer zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe voraus: 

     

    • Verwirklichung der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 EStG: Eine Betriebsaufgabe liegt nur vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebes innerhalb kurzer Zeit veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden oder der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört. Eine zeitlich gestreckte Betriebsaufgabe erfolgt innerhalb „kurzer Zeit“, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen zwar nicht zu demselben Zeitpunkt, aber innerhalb eines kurzen Zeitraums veräußert bzw. entnommen werden (vgl. auch H 139 Abs. 2 EStH 2004). Eine Betriebsaufgabe ist von der Betriebsunterbrechung und der allmählichen Betriebsabwicklung abzugrenzen, bei denen realisierte Gewinne als laufende Gewinne zu versteuern wären.

     

    Maßgeblich für die Gewinnrealisierung ist der Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem jeweiligen Wirtschaftsgut übergeht (BFH 2.5.84, BStBl II, 820, 821). Maßgeblich für den Beginn des Betrachtungszeitraumes ist hingegen bereits die erste vom Aufgabeentschluss getragene Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist; der Zeitraum endet mit Veräußerung der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage. Die zulässige Dauer des Abwicklungszeitraums richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. So kann z.B. ein 12-monatiger Abwicklungszeitraum ausnahmsweise unschädlich sein, wenn dies durch wirtschaftlich nachvollziehbare Gründe gerechtfertigt ist. Bei der Aufgabe eines Weinguts mit verschiedenen Weinbergen und landwirtschaftlichem Streubesitz kann z.B. noch eine Frist von 14 Monaten hingenommen werden. Ein Abwicklungszeitraum von 36 Monaten wäre laut BFH allerdings in jedem Fall zu lang (26.4.01, IV R 14/00). Im Ausgangsfall umfasst der Abwicklungszeitraum ca. 6 Monate. Damit dürften im Ausgangsfall (Oktober 2006 bis März 2007) insoweit keine Probleme auftreten.

     

    • Der Betriebsinhaber muss im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe das 55. Lebensjahr vollendet haben oder dauernd berufsunfähig sein. Da U bei Veräußerung der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage das 55. Lebensjahr längst vollendet hat, ist ihm der Freibetrag zu gewähren. Es hätte sogar ausgereicht, wenn er das 55. Lebensjahr erst im zweiten Veranlagungsjahr vollendet hätte. Selbst dann hätten ihm der (anteilige) Freibetrag und die Tarifermäßigung auch für den ersten VZ gewährt werden müssen (siehe BMF 20.12.05, a.a.O., unter IV.). Entscheidend ist allein, dass der Betriebsinhaber noch vor Veräußerung der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage das 55. Lebensjahr vollendet hat.

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