Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Strafrecht

    Nach Tod eines 14-jährigen Jungen: Ehemaliger Chefarzt muss 100.000 Euro zahlen!

    von RA, FA für MedR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

    | Im August 2023 stellte das Landgericht (LG) Verden ein Strafverfahren gegen einen früheren Chefarzt gegen Zahlung einer Geldauflage ein. Die Staatsanwaltschaft hatte dem früheren Chefarzt vorgeworfen, eine Hirnblutung bei einem 15-jährigen Patienten nicht erkannt und keine weiteren Maßnahmen eingeleitet zu haben. Da zum Verfahren kein Urteilstext veröffentlicht wurde, gibt dieser Beitrag wieder, was der Pressemitteilung des Klinikkonzerns und der Berichterstattung des NDR zu entnehmen ist. |

     

    Angeklagter Chefarzt war nicht vor Ort

    Der Patient war im Jahre 2018 nach einem Fahrradunfall in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht worden. Der damalige Chefarzt hatte sich selbst nicht in der Klinik, jedoch zu Hause in Rufbereitschaft befunden. Er hatte mehrfach mit den diensthabenden Ärzten telefoniert.

     

    Hirnblutung statt bloßer Gehirnerschütterung

    Als erste Diagnose war zunächst eine Gehirnerschütterung angenommen worden. Im weiteren Verlauf hatte der Patient mehrfach blutig erbrochen, auffällige Kaliumwerte aufgewiesen und trotz Schmerzmittel über sehr starke Kopfschmerzen geklagt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten weitere medizinische Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um eine Hirnblutung auszuschließen ‒ so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Da dies unterblieben sei, klagte die Staatsanwaltschaft die beteiligten Ärzte wegen fahrlässiger Tötung an. Der Junge sei einen Tag später an den Folgen einer Gehirnblutung verstorben. Der diensthabende Arzt habe in der Nacht gewechselt. Nachdem zunächst ein CT zur Abklärung angeordnet worden sei, sei diese Anordnung später ohne erkennbaren Grund zurückgenommen worden ‒ nach Rücksprache mit dem Chefarzt. Dieser hätte jedoch voraussehen müssen, dass der Junge an einer Hirnblutung versterben könnte, warf ihm die Anklage vor.

     

    Chefarzt plädiert erst auf Freispruch und stimmt dann einer Geldauflage zu

    Der angeklagte Chefarzt plädierte zunächst auf Freispruch und räumte keine Schuld ein. Nach langwierigen Verhandlungen änderte er unter Berücksichtigung der Prozesssituation jedoch seine Meinung und stimmte einer Geldauflage i. H. v. 100.000 Euro zu. Das Verfahren wurde daraufhin eingestellt. Von den 100.000 Euro gingen 40.000 Euro an die Hinterbliebenen und 60.000 Euro an die Landeskasse. Als vorbestraft gilt der frühere Chefarzt damit nicht.

     

    FAZIT | Der Fall zeigt, dass in gravierenden Fällen neben einer zivilrechtlichen Haftungsklage der Patientenseite auch eine strafrechtliche Aufarbeitung des Vorgehens der einzelnen Ärzte im konkreten Behandlungsfall die Folge sein kann. Hierbei stehen auch nicht selten eher das „Feilschen um Geld“ oder im Extremfall die Vermeidung von Haftstrafen als „die Gerechtigkeit“ im Vordergrund, etwa wenn es um Geldauflagen oder Verfahrenseinstellungen geht.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 13 | ID 49685201