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  • · Fachbeitrag · Sektorenübergreifende Versorgung

    Regressfalle Ermächtigung und Verordnung

    von RA und FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Eine Erstverordnung durch einen ermächtigten Chefarzt ist auch dann als regressrelevante Pflichtverletzung einzustufen, wenn die der Verordnung vorhergehende Behandlung zwar nachweislich stattgefunden hat, die ­Abrechnung aber vom Krankenhausträger aus Nachlässigkeit versäumt wurde (Bundesozialgericht - BSG, Urteil vom 20. März 2013, Az. B 6 KA 17/12 R, Abruf-Nr. 134039 ). Wegen des Gebots der persönlichen Leistungserbringung müssen im Rahmen der Ermächtigung ausgestellte Verord­nungen vom ermächtigten Arzt persönlich unterschrieben werden. Der ­Vertreter des ermächtigten Krankenhausarztes ist dazu nicht befugt. |

    Ermächtigter Chefarzt unterzeichnete nicht selbst

    Eine Krankenkasse in Rheinland-Pfalz begehrte Regresszahlungen aufgrund von verschiedenen Verordnungen, die gar nicht bzw. nicht vom ermächtigten Chefarzt, sondern von einem anderen Krankenhausarzt unterzeichnet ­waren. Ebenfalls gerügt wurden Erstverordnungen, für die kein Überweisungsschein mit Angabe einer zugrunde liegenden Behandlung vorlag. Der Beklagte ist Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie. Er war Chefarzt in einem Krankenhaus und zwischen 2003 und März 2007 ermächtigt, auf Überweisung im Einzelnen benannte vertragsärztliche Leistungen zu erbringen.

    Sozialgericht wies Klage ab - BSG nimmt Stellung

    Die Krankenkasse rief zunächst die Schlichtungsstelle an, dann zusätzlich das Sozialgericht (SG) Mainz.Dieses hat die Klage abgewiesen. Für den geltend gemachten Regress seien ausschließlich die Prüfgremien und nicht die Schlichtungsstellen oder das SG zuständig. Die Krankenkasse könne bei den Prüfgremien den Erlass eines entsprechenden Regressbescheids bean­tragen. Daraufhin legte die Krankenkasse Sprungrevision beim BSG ein.

     

    Bundessozialgericht weist Revision der Kasse zurück

    Das BSG weist die Revision der Kasse zurück, da die Überprüfung von Leistungsverordnungen gemäß § 48 Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) allein den Prüfgremien und nicht nach § 49 BMV-Ä den Schlichtungsstellen vorbehalten sei. § 49 BMV-Ä beziehe sich nur auf Behandlungs-, nicht auf Verordnungsleistungen. Das BSG hebt dabei hervor, dass § 48 BMV-Ä für ermächtigte Krankenhausärzte und reguläre Vertragsärzte gleichermaßen gelte.

     

    Ausscheiden des Arztes aus Vertragsarztversorgung unbeachtlich

    Es sei für die Anwendbarkeit der Vorschrift zudem unbeachtlich, wenn der Arzt nach Ausstellung der Verordnung aus der vertragsärztlichen Versorgung ausscheide. Die Zuständigkeit der Prüfgremien wirke auch in diesen Fällen nach - eine direkte Klage der Krankenkasse ­gegen den Arzt sei daher nicht möglich. Das BSG ließ es sich trotz Unzuständigkeit nicht nehmen, inhaltlich intensiv auf die mit der Klage aufgeworfenen Frage einzugehen, ob der Chefarzt einen Pflichtverstoß begangen hat.

     

    Klinikleitung hatte Weitergabe von Unterlagen versäumt

    Der Rüge der Krankenkassen, dass bei drei Erstverordnungen des Chef­arztes kein Überweisungsschein vorgelegen habe, der die zugrunde liegende ärzt­liche Behandlung angab, begegnete dieser mit dem Einwand von Abrechnungsversäumnissen aufseiten der Klinikleitung. Die Behandlungen hätten stattgefunden und seien auch dokumentiert worden. Er habe der Klinik­leitung die zur Abrechnung notwendigen Unterlagen auch zur Verfügung ­gestellt - sie seien dann allerdings nicht entsprechend an die Kassenärzt­liche Vereinigung (KV) weitergeleitet worden.

     

    Chefarzt muss sich Versäumnisse der Geschäftsleitung zurechnen lassen

    Das BSG stellt dazu klar, dass der Chefarzt sich das Verschulden der Klinik­leitung zurechnen lassen muss, auch wenn ihm persönlich keine Versäumnisse vorgeworfen werden können. Der Chefarzt könne bei einer etwaig ­erfolgreichen Inanspruchnahme durch die Krankenkasse gegebenenfalls Regress beim Klinikträger nehmen.

    Persönliche Leistungserbringung betrifft auch Verordnung

    Auch dem Einwand des Chefarztes, dass das Gebot der persönlichen Leistungserbringung nur eine Entscheidung über das verordnete Medikament selbst, nicht aber die persönliche Ausstellung der Verordnung beinhalte, ­erteilte das BSG eine klare Absage. Eine solche Einschränkung sei den Regelungen über die persönliche Leistungserbringung nicht zu entnehmen. So stelle auch die Arzneimittelverschreibungsverordnung in § 2 Abs. 1 Nr. 10 klar, dass die Verschreibung die eigenhändige Unterschrift der verschreibenden Person enthalten muss.

     

    Die dargelegte Rechtsprechung des BSG bleibt von der Einführung des neuen BMV-Ä zum 1. Oktober 2013 unberührt. Zwar wurde der § 48 BMV-Ä um einen Absatz 5 ergänzt. Dieser befasst sich aber ausschließlich mit den Ansprüchen der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber den Krankenkassen bei unzulässiger Verwendung der Versichertenkarte. Im Übrigen wurde der Wortlaut der bisherigen §§ 48, 49 BMV-Ä in die neue Fassung übernommen.

     

    PRAXISHINWEIS |  Ermächtigte Chefärzte sollten auch im hektischen Klinik­alltag darauf achten, dass sie bei der Ausstellung von Verordnungen den Bereich ihrer Ermächtigung von der übrigen Krankenhaustätigkeit strikt trennen.

     

    Eine Vertretung ist im Rahmen der Ermächtigung nur für die enumerativ vorgesehenen Gründe zulässig - also bei Krankheit, Urlaub, Teilnahme an einer ärzt­lichen Fortbildung oder Wehrpflicht. Der stationäre Notfalleingriff, den der ­ermächtigte Chefarzt persönlich durchführen muss, eröffnet somit keine zuläs­sige Vertretung. Dies ist medizinisch und menschlich zwar schwer zu fassen, ­entspricht aber den klaren Vorgaben in der Ärzte-Zulassungsverordnung. Der Patient in der Ermächtigungsambulanz muss sich somit manchmal gedulden.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 13 | ID 42349162