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  • · Fachbeitrag · Sektorenübergreifende Versorgung

    Neue Bedarfsplanung gefährdet viele Chefarzt-Ermächtigungen

    von RA, FA für MedR und Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Keine gute Nachricht für ermächtigte Chefärzte: Nach der Verabschiedung der neuen Bedarfsplanungs-Richtlinie ( CB 03/2013, Seite 13 ) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss im Dezember 2012 (Abruf-Nr. 130708) zeichnet sich ab, dass aufgrund der neuen Zuschnitte der Planungsbereiche bestehende Ermächtigungen vieler Arztgruppen gefährdet sind. Zudem dürfte es auch schwieriger werden, neue Ermächtigungen zu erlangen. Doch es gibt Optionen für den Chefarzt - dieser Beitrag erläutert sie. |

     

    • Hintergrund: Die Ermächtigung (§ 116 Sozialgesetzbuch V)

    Ärzte, die in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag besteht, oder die in einer stationären Pflegeeinrichtung tätig sind, können mit Zustimmung des Trägers vom Zulassungsausschuss zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden. Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten der vorbenannten Einrichtungen nicht sichergestellt wird.

     

    Aus der Einschränkung „soweit und solange (...)“ ergibt sich der „Vorrang der Niedergelassenen“: Somit ist Rücksicht zu nehmen auf die Interessen der Vertragsärzte, die im selben Gebiet wie der um eine Ermächtigung nachsuchende Krankenhausarzt tätig sind. Ermächtigungen kommen daher nur in Betracht, soweit die niedergelassenen Ärzte keine ausreichende ambulante ärztliche Versorgung gewährleisten und eine Versorgungslücke besteht (Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. April 2008, Az. B 6 KA 40/07 R).

    Wann besteht eine Unterversorgung?

    Der Versorgungsbedarf ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Es kommt darauf an, ob die vertragsärztliche Versorgung durch die zugelassenen Vertragsärzte ausreichend und zweckmäßig ist und ob das Leistungsangebot der Vertragsärzte den Anforderungen genügt. Die Prüfung kann sich auf quantitativ-allgemeine wie qualitativ-spezielle Aspekte erstrecken.

     

    • Ein quantitativ-allgemeiner Bedarf liegt vor, wenn in einem Planungsbereich in einer Arztgruppe zu wenige niedergelassene Ärzte tätig sind.
    • Ein qualitativ-spezieller Bedarf setzt voraus, dass ein Krankenhausarzt besondere, für eine ausreichende Versorgung notwendige Untersuchungs- und Behandlungsleistungen anbietet, die von niedergelassenen Ärzten im Planungsbereich nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden.

     

    Ermächtigungsbedarf von Planungsbereichen abhängig

    Die Feststellung des Versorgungsbedarfs erfolgt somit grundsätzlich für den konkreten Planungsbereich. Von dieser Begrenzung auf den Planungsbereich kann nach der bisherigen Rechtsprechung nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden - etwa dann, wenn nur wenige Ärzte eine hochspezialisierte Leistung vorhalten und eine planungsbereichsübergreifende Inanspruchnahme daher üblich ist. Da der für Ermächtigungen notwendige Versorgungsbedarf somit regelmäßig auf Basis des jeweiligen Planungsbereichs festzulegen ist, wirkt sich eine Veränderung der Planungsbereiche unmittelbar auf Ermächtigungen aus.

     

    Jetzt vier Versorgungsebenen

    Die neue Bedarfsplanung sieht vier Versorgungsebenen vor. Die Versorgung mit Hausärzten soll möglichst lokal erfolgen, während die Fachärzte mit zunehmendem Spezialisierungsgrad über deutlich größere Einzugsgebiete und damit Planungsbereiche beplant werden. Konkret sind nunmehr folgende Arztgruppen bei der Beplanung zusammengefasst:

     

    • Hausärztliche Versorgung 
    • Allgemeinmediziner, Praktische Ärzte, Ärzte ohne Gebietsbezeichnung, und hausärztlich tätige Internisten werden im Mittelbereich (Verband mehrerer Gemeinden unterhalb der Landkreis-Ebene) beplant.

     

    • Allgemeine fachärztliche Versorgung 
    • Augenärzte, Chirurgen, Frauenärzte, Hautärzte, HNO-Ärzte, Nervenärzte, Orthopäden, Psychotherapeuten, Urologen und Kinderärzte werden wie bislang im Kreis bzw. in der kreisfreien Stadt beplant.

     

    • Spezialisierte fachärztliche Versorgung 
    • Anästhesisten, Fachärztlich tätige Internisten, Kinder- und Jugendpsychiater und Radiologen werden in der Raumordnungsregion beplant, also kreisübergreifend unter Berücksichtigung der Pendlerströme.

     

    • Gesonderte fachärztliche Versorgung 
    • Humangenetiker, Laborärzte, Neurochirurgen, Nuklearmediziner, Pathologen, Physikalische- und Rehabilitationsmediziner, Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner werden im KV-Bezirk beplant.

     

    Während sich die Situation für ermächtigte Ärzte der zweiten Gruppe (allgemeine fachärztliche Versorgung) nicht verändern dürfte, werden ermächtigte Ärzte, die der spezialisierten fachärztlichen oder der gesonderten fachärztlichen Versorgung angehören, mit großen Veränderungen rechnen müssen.

     

    Reaktionen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen

    Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), die im Rahmen von Ermächtigungsverfahren eingebunden sind und üblicherweise großen Einfluss auf die Ermittlung des Versorgungsbedarfs nehmen, haben sich bislang noch nicht positioniert, wie mit den veränderten Vorgaben der Bedarfsplanung in Bezug auf Ermächtigungen umgegangen werden soll.

    Ein Blick in die Glaskugel

    Wie aber soll für Ermächtigungen der spezialisierten fachärztlichen Versorgung bzw. der gesonderten fachärztlichen Versorgung ein Versorgungs-bedarf künftig festgestellt werden? Mit welchen tatsächlichen Auswirkungen ist zu rechnen? Im Bereich der KV Westfalen-Lippe werden Ermächtigungen, deren Befristung abläuft, derzeit nicht wie üblich für zwei Jahre verlängert, sondern nur für einen kürzeren Zeitraum - mit dem Verweis, durch die neue Bedarfsplanung sei eine abschließende Feststellung des Versorgungs-bedarfs derzeit nicht ermittelbar.

     

    Dies kann nur ein Beispiel für eine vorübergehende Behandlung des Themas sein. Zum zukünftigen Umgang mit Ermächtigungen daher folgende Thesen:

     

    • Eine Prüfung des Versorgungsbedarfs, die sich auf den gesamten Planungsbereich bezieht, dürfte rechtlich bedenklich sein: So sind etwa im Bereich von Sonderbedarfszulassungen, an die noch strengere Anforderungen als an Ermächtigungen gestellt werden, nach der ständigen Rechtsprechung Leistungsangebote nur im 25-km-Umkreis um den geplanten Standort des Vertragsarztsitzes zu berücksichtigen. Viel spricht dafür, dass für Ermächtigungen keine strengeren Anforderungen gelten dürfen.

     

    • Mit Blick auf Sinn und Zweck der neuen Bedarfsplanung ist vorstellbar, dass abhängig vom Spezialisierungsgrad der angebotenen Ermächtigungsleistungen der Versorgungsbedarf in kleineren bzw. größeren Radien ermittelt wird. Diese Lösung, die offenbar in einigen KVen diskutiert wird, birgt wegen des fehlenden Bewertungsmaßstabs das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen.

     

    • Das Verfahren vor den Zulassungsgremien wird länger dauern als bislang, da in den größeren Planungsbereichen nun im Rahmen der Bedarfsermittlung mehrere Leistungsanbieter involviert werden müssen. Unter Umständen müssen auch - anders als bislang - mehrere Bezirksstellen der KVen eine Stellungnahme abgeben.

     

    • Der Kreis der niedergelassenen Vertragsärzte, die sich gegen eine Ermächtigung zur Wehr setzen können, wird erweitert. Es ist nicht auszuschließen, dass Chefärzte, die bislang in Abstimmung mit den niedergelassenen Vertragsärzten in der näheren Umgebung ermächtigt wurden, zukünftig von - bislang externen - Vertragsärzten in Auseinandersetzungen verwickelt werden. Dies ist besonders kritisch, da ein Drittwiderspruch gegen eine Ermächtigung rechtlich dazu führt, dass bis auf Weiteres keine Ermächtigungsleistungen mehr erbracht werden können.

     

    FAZIT |  Die neue Bedarfsplanung wirft ihre Schatten voraus. Ermächtigte Chefärzte sollten den betreffenden Versorgungsbedarf in der Form „dokumentieren“, dass die Fallzahlen gesteigert bzw. auf hohem Niveau gehalten werden. Zudem kann die Abstimmung mit niedergelassenen Kollegen sinnvoll sein. Als Option sollte der Chefarzt auch eine Teilzulassung oder eine MVZ-Tätigkeit prüfen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 1 | ID 40162290