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  • · Fachbeitrag · Sektorenübergreifende Versorgung

    Erste Konkretisierung in der ASV für Onkologie durch G-BA vorgelegt: Gastrointestinaltumoren

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | In den Sitzungen vom 20. Februar, 20. März und 3. April 2014 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die mit großer Spannung erwartete erste Konkretisierung im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) nach § 116b SGB V n. F. für ein onkologisches Krankheitsbild verabschiedet. Die Konkretisierung gilt für Gastrointestinaltumoren sowie Tumoren der Bauchhöhle (Abruf-Nr. 141590 ) und wird vorbehaltlich der Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit voraussichtlich ab dem 1. Juli 2014 umgesetzt werden können. |

     

    ASV nach dem neuen § 116b SGB V

    Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz hat der Gesetzgeber § 116b SGB V neu gestaltet und dadurch eine neue Form sektorenübergreifender Versorgung konzipiert, die mit dem alten § 116b SGB V nicht mehr viel gemein hat. Insbesondere kann die ASV sowohl von Krankenhäusern als auch von niedergelassenen Fachärzten genutzt werden, wobei dies im Rahmen einer intersektoralen Kooperation erfolgen kann, aber nicht muss. Lediglich im Rahmen onkologischer Erkrankungen ist ein „Kooperationszwang“ verankert, von dem nur unter weiteren Voraussetzungen abgewichen werden kann.

     

    Die ASV umfasst nach den gesetzlichen Vorgaben einen weiten Katalog von Erkrankungen, die entweder aufgrund ihrer schweren bzw. besonderen Verlaufsform oder ihrer Seltenheit einer spezialfachärztlichen Betreuung in der ASV bedürfen. Beispielhaft sind aus dem Katalog etwa zu nennen onkologische Erkrankungen, HIV/AIDS, rheumatologische Erkrankungen, Herzinsuffizienz (NYHA Stadium 3-4), Multiple Sklerose, zerebrale Anfallsleiden (Epilepsie) oder Tuberkulose. Darüber hinaus fallen auch hochspezialisierte Leistungen wie CT/MRT-gestützte interventionelle schmerztherapeutische Leistungen oder die Brachytherapie in den Anwendungsbereich der ASV.

     

    Mit der weitergehenden Ausgestaltung der ASV ist der G-BA beauftragt. Dieser hat nach den Rahmenvorgaben und den Konkretisierungen für die Tuberkulose nun die erste Konkretisierung für ein onkologisches Krankheits-bild veröffentlicht. Die Vorgaben dürften auch als Blaupause für die weiteren onkologischen Konkretisierungen dienen.

     

    Welche Krankheitsformen können wie behandelt werden?

    In der ASV können Patienten ab 18 Jahren mit gastrointestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle sowie Schilddrüsenkarzinomen, die eine schwere Verlaufsform haben, behandelt werden. Das Leistungsspektrum ist für die ASV-Ärzte weit gefasst und enthält im Einzelnen benannte umfängliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen, u. a. auch Leistungen, die wie die PET/PET-CT bislang nicht Bestandteil des EBM sind.

     

    Die Konkretisierung unterscheidet dabei zwischen Tumoren, die per se als „regelhaft schwerer Verlauf“ gelten und unmittelbar im Rahmen der ASV behandelt werden können. Dazu zählen u. a. bösartige Neubildungen des Dünndarms, der Leber, der Gallenblase oder des Pankreas.

     

    Davon abzugrenzen sind Tumore, denen im Einzelfall ein schwerer Verlauf anhaftet, wie u. a. bösartige Neubildungen des Ösophagus, des Magens oder der Schilddrüse. Diese Tumore können nur dann in der ASV versorgt werden, wenn ergänzend eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

     

    • Tumorstadium mit Lymphknotenbefall, Fernmetastasen, High Grade oder R>0 und der Patient bedarf aufgrund seiner Tumorerkrankung einer multimodalen Therapie oder Kombinationschemotherapie (wird spezifiziert)
    • Rezidiv oder Progression der Tumorerkrankung (einschl. non-response) und der Patient bedarf aufgrund seiner Tumorerkrankung einer multimodalen Therapie oder Kombinationschemotherapie (wird spezifiziert)
    • Vorliegen schwerer Grunderkrankung (z.B. Immunschwäche, Vaskulitis) oder Schwangerschaft, die ein Abweichen vom Therapieschema erfordern
    • Onkologische Diagnosen mit Prävalenz ≤ 1:100.000

     

    Das notwendige ASV-Team

    In der ASV ist regelmäßig ein interdisziplinäres Behandlungsteam vonnöten, wobei drei Ebenen differenziert werden: Teamleitung, Teammitglieder sowie hinzuziehende Fachärzte. Die Teamleitung kann dabei meist einem Arzt aus dem Kernteam zugewiesen werden. Das Kernteam zur Behandlung von Gastrointestinaltumoren sowie Tumoren der Bauchhöhle muss sich wie folgt zusammensetzen:

     

    • Onkologe
    • Strahlentherapeut
    • Gastroenterologe
    • Allgemein-/Visceralchirurg
    • bei Schilddrüsenkarzinomen oder Nebenschilddrüsenkarzinom zusätzlich HNO-Arzt und Nuklearmediziner

     

    Im Bedarfsfall hinzuziehen und entsprechend als ergänzende Teammitglieder der Ebene 3 zu benennen sind je ein Anästhesist, Nuklearmediziner, Gefäßchirurg oder Angiologe, Kardiologe, Neurologe, Humangenetiker, Psychiater oder Psychotherapeut oder Psychosomatiker, Nephrologe, Labormediziner, Radiologe, Pathologe, Gynäkologe und Urologe. Bei Schilddrüsenkarzinomen müssen zudem ein Endokrinologe und ein Diabetologe benannt werden. Zudem muss ein Arzt des Gesamtteams die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin führen. Das ASV-Team kann sich aus Vertragsärzten und/oder Krankenhausärzten zusammensetzen.

     

    Sächliche und infrastrukturelle Besonderheiten

    Sicherzustellen sind ferner u. a. Versorgungsmöglichkeiten durch Physiotherapeuten, soziale Dienste und Palliativeinrichtungen. 24-Stunden-Rufbereitschaften sind zudem für einzelne Arztgruppen (Gastroenterologie, Chirurgie, Onkologie, bei Schilddrüsenkarzinom: Nuklearmedizin) vorzuhalten.

     

    Weiter wird vorgegeben, dass die mit der Betreuung beauftragten Pflegekräfte mehrheitlich eine staatlich anerkannte Zusatzqualifikation zur onkologischen Pflege besitzen sollen. Für den weiteren Behandlungsablauf ist jeder Patient durch ein Mitglied des Kernteams in einer Tumorkonferenz vorzustellen. Das Ergebnis der Tumorkonferenz ist dem Patienten sodann mitzuteilen. Infrastrukturell müssen in ausreichender Weise Behandlungsmöglichkeiten für medikamentöse und transfusionsmedizinische Versorgung bereitstehen. Ferner sind u. a. eine intensivmedizinische Versorgungsmöglichkeit sowie die Option für stationäre Notfalleingriffe vorzuhalten.

     

    Wer muss überweisen?

    Überweisen muss ein behandelnder Vertragsarzt. Nach vier Quartalen bedarf es einer neuerlichen Überweisung. Für Patienten aus dem stationären Bereich des ASV-berechtigten Krankenhauses oder von im jeweiligen Indikationsgebiet tätigen vertragsärztlichen ASV-Berechtigten in sein ASV-Team besteht kein Überweisungserfordernis. Zum Zeitpunkt der Überweisung muss eine gesicherte Diagnose vorliegen.

     

    Mindestmenge

    Das Kernteam muss mindestens 140 Patienten - unabhänig vom Versicherungsstatus der Patienten - mit schweren Verlaufsformen von Gastrointestinaltumoren pro Jahr behandeln. In einer Übergangszeit von zwei Jahren kann die Mindestmenge um 50 Prozent unterschritten werden. Ergänzend hat der G-BA analog zur Onkologie-Vereinbarung arztbezogene Mindestmengen beschlossen, die unabhängig von der Diagnose von mindestens einem Mitglied des Kernteams durchschnittlich pro Quartal erfüllt werden muss, um die gebotene Behandlungsroutine speziell bei der Durchführung von intravenösen Chemotherapien nachzuweisen.

     

    Vergütung

    Die Vergütung erfolgt „extrabudgetär“; die Abrechnung erfolgt unmittelbar mit den Krankenkassen. Um die ASV auch für niedergelassene Onkologen attraktiv zu gestalten, ist im „Appendix“ eine Anlehnung an die Onkologie-Vereinbarung verankert worden. Damit ist einem stetigen Kritikpunkt Rechnung getragen worden. Abrechnen wird später jeder ASV-Arzt selbst.

     

    Besteht ein Kooperationszwang?

    Bei onkologischen Krankheitsbildern ist eine intersektorale Kooperation obligat. Rückausnahmen bestehen nur dann, wenn im relevanten Einzugsbereich kein geeigneter Kooperationspartner zu finden ist oder trotz ernsthaften Bemühens innerhalb von mindestens zwei Monaten kein Leistungserbringer zur Kooperation bereit ist. Obacht: Nur eine intersektorale Kooperation wird verlangt, d.h. es muss nicht mit dem niedergelassenen Onkologen kooperiert werden - infrage kommen auch andere niedergelassene Ärzte.

     

    FAZIT | Der G-BA hat die ASV auf den Weg gebracht. Die zuständigen Erweiterten Landesausschüsse stellen zum Teil bereits Anzeigeformulare zur Verfügung. Interessierte (Chef-)Ärzte sollten die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen nun umgehend ergreifen, um eine Anzeige zum 1. Juli umsetzen zu können.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 13 | ID 42654727