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  • · Fachbeitrag · Rechtsprechung

    Umstrittenes Urteil des OLG Braunschweig: Konsequenzen für Klinik und Chefarzt!

    von RA und FA für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de 

    | In einem umstrittenen Urteil hatte das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden: Bei unwirksamer Vertretung des Wahlarztes entfällt die Einwilligung des Patienten ( 25. September 2013, Az. 1 U 24/12, Abruf-Nr. 140313 , CB 05/2014, Seite 3 ). Dieser Beitrag zeigt, wie das Urteil einzuordnen ist und welche Folgen es für Chefarzt und Krankenhaus in der praktischen Arbeit zeitigt. |

    Worum es bei dem Fall ging

    In dem Urteil hob das Gericht hervor, dass die Einwilligungserklärung auf die Durchführung der Operation durch den Wahlarzt beschränkt ist. Erfolge der Eingriff aber durch einen vorher namentlich aufgelisteten Vertreter des Chefarztes, sei der Eingriff mangels Einwilligung rechtswidrig, wenn nicht der Patient zuvor von einer unvorhergesehenen Verhinderung des Chefarztes informiert worden ist und an seiner Stelle der ständige ärztliche Vertreter tätig wird. Die Bezahlung der Arztrechnung sei keine nachträgliche konkludente Billigung der Auswechslung des Operateurs.

    Konsequenzen für die Praxis

    Soweit ersichtlich ist das Urteil rechtskräftig geworden. Vor diesem Hintergrund sind erhebliche Konsequenzen für die Praxis zu befürchten:

     

    • Es ist davon auszugehen, dass andere Gerichte dem OLG Braunschweig solange folgen werden, wie sich keine gegensätzliche Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte durchsetzt oder der Bundesgerichtshof diese Rechtsauffassung korrigiert. Dies kann dauern.

     

    • Wird die Rechtsauffassung des OLG Braunschweig nicht beachtet, droht eine zivilrechtliche Haftung von Chefarzt und Krankenhausträger, wenn die Behandlung nicht erfolgreich war, obwohl sie lege artis erfolgt ist.

     

    • Eine zivilrechtliche Haftung des Chefarztes und des Krankenhausträgers ist jedoch auch dann denkbar, wenn die Behandlung erfolgreich war. Hintergrund: Jeder ärztliche Eingriff in den Körper des Patienten, der nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckt ist, stellt grundsätzlich eine Körperverletzung dar. Somit kann der Patient Schmerzensgeld verlangen, da sein Selbstbestimmungsrecht verletzt worden ist.

     

    • Fehlt die Einwilligung des Patienten bzw. ist sie nicht wirksam, drohen zudem strafrechtliche Konsequenzen für die behandelnden Ärzte und unter Umständen auch für den Krankenhausträger.

    Was sollten Chefärzte und Kliniken nun veranlassen?

    Verlässt man sich nicht darauf, dass andere Gerichte der Auffassung des OLG Braunschweig entgegentreten, ergibt sich für Chefärzte und Kliniken der nachfolgende Handlungsbedarf:

     

    • Ein Fall der unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung bzw. die Gründe seiner Verhinderung sollten immer in der Krankenakte dokumentiert werden. So kann in einem späteren Gerichtsverfahren darauf zurückgegriffen werden. Aus der Krankenakte sollte sich weiterhin ergeben, wer dies als Zeuge bestätigen kann. Idealerweise bietet sich hier die Chefarzt-Sekretärin an, da nur eine solche Person in Betracht kommt, die regelmäßig nicht verklagt werden dürfte.

     

    • Hintergrund: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte am 20. Dezember 2007 (Az. III ZR 144/07, Abruf-Nr. 073966) geurteilt, dass liquidationsberechtigte Krankenhausärzte sich in Fällen unvorhersehbarer Verhinderung durch ihren vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung benannten ständigen ärztlichen Vertreter vertreten lassen können - wobei grundsätzlich nur ein ständiger ärztlicher Vertreter pro Wahlarzt zulässig ist. Die Tatsache, dass ein Fall der unvorhergesehenen Verhinderung vorliegt, muss der Chefarzt darlegen und beweisen. In dem vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall ist dies nicht geschehen; aus den Entscheidungsgründen des Urteils lässt sich nicht entnehmen, warum dies versäumt wurde.

     

    • Das OLG Braunschweig verlangt - im Gegensatz zum erwähnten Urteil des BGH - eine vorherige Unterrichtung des Patienten darüber, dass anstelle des Wahlarztes dessen ständiger ärztlicher Vertreter tätig wird. So kann sich der Patient nochmals überlegen, ob er unter diesen Umständen an der Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen festhalten will. Die Unterrichtung sollte dokumentiert werden, damit sie - im Falle eines späteren Prozesses - bewiesen werden kann. Sie kann, muss aber nicht durch den ärztlichen Vertreter selbst erfolgen.

     

    • Der Text der Wahlleistungsvereinbarung sollte um einen klarstellenden Zusatz ergänzt werden. Er sollte möglichst deutlich hervorgehoben und in den ursprünglichen Text der Wahlleistungsvereinbarung integriert werden. Sie finden ihn auch zum Herunterladen unter cb.iww.de in der Rubrik „Downloads“ unter „Musterformulierungen“. Er könnte lauten:

     

    • Ergänzung in der Wahlleistungsvereinbarung (Muster)

    „Für eine Behandlung durch Wahlärzte oder ihrer in der Wahlleistungsvereinbarung benannten ständigen ärztlichen Vertreter verpflichte ich mich zur Zahlung einer zusätzlichen Wahlarztvergütung nach Maßgabe der Gebührenordnungen für Ärzte (GOÄ), sofern einer der Wahlärzte aus bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung nicht vorhersehbaren Gründen verhindert sein sollte. Einer Behandlung durch andere Ärzte, wenn auch der ständige ärztliche Vertreter des verhinderten Wahlarztes nicht zur Verfügung stehen sollte, stimme ich ebenfalls zu, zahle dann aber nicht die Wahlarztvergütung.“

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 3 | ID 42745387