· Fachbeitrag · GOÄ
GOÄ-Reform die Zweite ‒ eine lange Geschichte geht weiter
von RA, FA für ArbR und MedR Dr. Tilman Clausen, armedis.de und RA, FA MedR Dr. Kyrill Makoski, LL. M. (Boston University), moellerpartner.de
| Seit Langem herrscht Einigkeit darüber, dass die GOÄ dringend einer Reform bedarf. Geschehen ist bisher nur wenig. Zuletzt hatte die Bundesärztekammer (BÄK) mit dem PKV-Verband und der Beihilfe einen Neuentwurf vereinbart und diesen im Herbst 2024 den ärztlichen Fachverbänden vorgelegt. Insbesondere den Paragrafenteil dieses Entwurfs haben die Autoren dieses Beitrags an verschiedenen Stellen kritisiert und darauf hingewiesen, dass die Veränderung an einigen Stellen eine deutliche Verschlechterung darstellt (vgl. CB 11/2024, Seite 4 ff.). Die BÄK hat zu dieser Kritik Stellung bezogen (online unter iww.de/s13006 ) und den Paragrafenteil überarbeitet (online unter iww.de/s13007 ). Nunmehr hat der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig dem Reformvorschlag zugestimmt. Damit kann der Entwurf als geeinter Vorschlag der Bundesministerin für Gesundheit übergeben werden in der Hoffnung, dass der neue Entwurf (im Folgenden GOÄ-E) zeitnah in Kraft treten kann (DÄBl. 2025, A 506). Doch die GOÄ-E weist immer noch viele der bekannten und bereits kritisierten Schwächen auf. Die folgende erste Einordnung berücksichtigt die Stellungnahme der BÄK, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. |
§ 1 GOÄ-E ‒ Anwendungsbereich
Hinsichtlich des Anwendungsbereichs der GOÄ haben die Autoren die Position der BÄK zur Kenntnis genommen. Sie bleiben allerdings dabei, dass der gesamte § 1 Abs. 1 des Entwurfs der neuen GOÄ entsprechend der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) angepasst werden sollte. Demnach findet die GOÄ immer dann Anwendung, wenn es um die beruflichen Leistungen der Ärzte geht ‒ unabhängig davon, wer die Rechnung gestellt hat (MVZ, Plankrankenhaus oder Privatklinik). Dies sorgt für mehr Rechtssicherheit.
§ 1 Abs. 2 GOÄ-E ‒ wirtschaftliche Unterrichtung des Patienten
Hier bleibt die BÄK ‒ vermutlich in Abstimmung mit dem PKV-Verband ‒ dabei, dass die Ärzte zur wirtschaftlichen Unterrichtung des Patienten über die voraussichtlich anfallenden Behandlungskosten verpflichtet werden sollen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass diese nicht von einem Kostenträger übernommen werden.
Gegen eine solche wirtschaftliche Unterrichtung des Patienten ist grundsätzlich nichts einzuwenden, die BÄK weigert sich aber zur Kenntnis zu nehmen, dass diese wirtschaftliche Unterrichtungspflicht des Behandlers praktisch identisch bereits in § 630c Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. Aus § 630c Abs. 3 S. 2 BGB ergibt sich weiterhin, dass weiter gehende Formanforderungen von dieser Regelung unberührt bleiben. Praktisch bedeutet dies, dass die Ärzte bei streng formaler Betrachtungsweise dann zukünftig zweimal unterrichten müssen, einmal nach § 630c Abs. 3 BGB und ein weiteres Mal nach § 1 Abs. 2 GOÄ. Auf der einen Seite beschwert sich die Ärzteschaft über die zunehmende Bürokratisierung im Gesundheitswesen, auf der anderen Seite trägt sie durch solche Gesetzentwürfe selbst dazu bei.
§ 4 Abs. 1 GOÄ-E ‒ Feste Gebührensätze
Soweit die BÄK die Auffassung vertritt, dass das System eines robusten Gebührensatzes, bei dem nur einzelne Zuschläge gemacht werden können, für die Ärzte vorteilhaft sei, stimmt dies nach der Erfahrung der Verfasser nicht mit der Realität überein. Zwar rechnen die meisten Ärzte inzwischen faktisch ihre Leistung mit den Regelhöchstsätzen ab. Dies ist allerdings vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Gebührensätze seit 1996 nicht mehr angepasst wurden und es nur auf diese Weise möglich ist, eine halbwegs adäquate Vergütung zu erzielen. Das Ausschöpfen des vollen Gebührenrahmens ist damit wirtschaftlich kaum möglich.
Zugleich sind Steigerung über den Regelhöchstsatz hinaus nur mit besonderer Begründung möglich und nur dann, wenn entsprechende Faktoren gegeben sind. Insofern handelt es sich nur um die Abbildung eines faktischen Zustands. Unabhängig davon machen Ärzte von dem Gebührenrahmen jedoch auch teilweise Gebrauch und setzen deswegen einen niedrigeren Faktor an. Diese Flexibilität, d. h. das Eingehen auf die Umstände des Einzelfalls und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Patienten, bleibt beim neuen System weiterhin nicht.
Soweit hier auch die Möglichkeit gegeben wird, in bestimmten Fällen Zuschläge zu erheben, ist das System extrem unflexibel. So sind viele Zuschläge z. B. an die Vollendung des 18. Lebensjahres geknüpft, d.h. ab einem (relativ willkürlich gewählten) Stichtag können die Zuschläge nicht mehr geltend gemacht werden, auch wenn möglicherweise entsprechende Erschwernisfaktoren weiterhin gegeben sind. Auch die weiteren Zuschläge sind jedenfalls nach erster Durchsicht für die Unterzeichner nicht so flexibel wie das bisherige System der verschiedenen Steigerungssätze.
§ 2 GOÄ-E ‒ Gebührenvereinbarung
Bezüglich der Gebührenvereinbarung wurde zwar in § 2 Abs. 2 S. 1 GOÄ-E die Vorgabe gestrichen, dass diese „rechtzeitig“ vor Erbringen der Leistung getroffen werden soll; der Begriff „rechtzeitig“ war unklar und lud nur zu Streitigkeiten ein.
Weiterhin bleibt es aber dabei, dass ein Grund für das Abweichen vom Gebührensatz angegeben werden soll (§ 2 Abs. 2 S. 2 GOÄ-E). Warum dies erfolgen soll, kann weiterhin nicht plausibel erklärt werden und dient alleine den Interessen der PKV ‒ wobei dieser eine Erstattung von erhöhten Gebühren ohnehin nicht vornehmen wird, d. h. hier nur der Patient betroffen ist. Ob jedoch in der Vereinbarung nunmehr der Grund genannt ist, warum der Patient höhere Gebühren zahlt oder nicht, ist insoweit unbeachtlich. Denn die Begründung für die zusätzliche Gebührenvereinbarung muss der Arzt ohnehin im Gespräch mit dem Patienten liefern.
Die Autoren können sich nur vorstellen, dass hier der PKV-Verband die Gründe für den Abschluss der Honorarvereinbarung wissen will, um zu differenzieren
- zwischen solchen Gründen, die man akzeptiert, woraufhin der auf die Honorarvereinbarung entfallende Betrag erstattet wird und
- solchen Gründen, wo man eine Erstattung ablehnt.
MERKE | Derartige Verfahren laufen bereits bundesweit bis zum BGH im Hinblick auf Vertretungsvereinbarungen, die Wahlärzte abschließen können, wenn sie vorhersehbar verhindert sind, die wahlärztlichen Leistungen zu erbringen (vgl. CB 12/2024, Seite 4 ff.) Auch hier möchte die PKV Grund und Dauer der Verhinderung des Wahlarztes wissen, weil man dessen Vertretung nur akzeptieren will, wenn der Wahlarzt gar nicht im Krankenhaus ist und nicht, wenn er im Krankenhaus anwesend, aus anderen Gründen aber daran gehindert ist, den Patienten zu behandeln. Hier wollen BÄK und PKV-Verband offensichtlich ein zweites Arbeitsbeschaffungsprogramm für den Berufsstand der Rechtsanwälte auflegen. |
Interessanterweise soll eine Gebührenvereinbarung nur möglich sein, wenn ein höherer Gebührensatz festgelegt werden soll (§ 2 Abs. 1 S. 1 GOÄ-E). Eine geringere Vergütung kann also nicht einmal dann vom Arzt vertraglich mit dem Patienten vereinbart werden, selbst wenn er möchte. Hier bleibt ein Element des Patientenschutzes auf der Strecke.
Bedenkenswert ist auch, dass weiterhin in der Vereinbarung ein höherer Gebührensatz bei wahlärztlichen Leistungen nur dann möglich ist, wenn der Wahlarzt die Leistungen höchstpersönlich erbringt (§ 2 Abs. 1 S. 3 GOÄ-E). Auch hierfür ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Der Patient selber wird schon wissen, wofür er mehr Geld als nötig zahlt.
§ 4 Abs. 1 GOÄ-E ‒ Leistungserbringung
Weiterhin im Entwurf findet sich die Vorgabe, dass eine Gebühr nur dann abgerechnet werden kann, wenn die Leistung vollständig erbracht wurde (§ 4 Abs. 1 S. 2 GOÄ-E). Des Weiteren bleibt es dabei, dass die Leistung auch dann berechnet werden kann, wenn sie „überwiegend“ erbracht wurde, dann jedoch bei Behandlungsbeginn nicht absehbaren, medizinisch nicht begründeten oder durch den Patienten verursachten Behandlungsabbruchs nicht vollständig umgesetzt werden kann (§ 4 Abs. 1 S. 3 GOÄ-E).
All dies wird oft zu Streit führen. Gleichzeitig ist jedenfalls in der Erfahrung der Unterzeichner nicht zu beobachten, dass es in der Vergangenheit hierzu bisher Probleme gab. Ein Behandlungsabbruch führt in der Regel nicht dazu, dass die vollen Ziffern berechnet wurden oder es wurde der teilweisen Leistungserbringung durch einen verringerten Faktor Rechnung getragen ‒ was jetzt nicht mehr möglich ist.
§ 4 Abs. 2 GOÄ-E ‒ Laborleistungen
Bezüglich der Laborleistungen soll es dabei bleiben, dass es eines medizinisch plausiblen Kausalzusammenhangs bedürfte (§ 4 Abs. 2 S. 3 GOÄ-E). Zwar ist der BÄK insoweit zuzustimmen, dass diese Regelung der bisherigen Rechtsprechung des BGH entspricht. Nichtsdestotrotz wird es im Einzelfall zu einer erheblichen Zunahme an Dokumentationsanforderungen kommen, selbst wenn die BÄK dies verneint.
§ 4 Abs. 2a bis 2c GOÄ-E ‒ Vertretung bei Wahlleistungen
Bezüglich der Vertretung bei Wahlärzten wurde im Entwurf eine Verschiebung von Texten vorgenommen, in dem einige Regelungen einen neuen § 4 Abs. 2c GOÄ-E überführt wurden. Im Ergebnis bleibt es jedoch bei den meisten kritisierten Punkten:
- Gestrichen wurde für die Vertretung bei Wahlärzten bei unvorhergesehener Verhinderung, dass der Arzt „aus schwerwiegenden Gründen“ an der Leistungserbringung gehindert soll. Dies hätte dazu geführt, dass über das Merkmal „schwerwiegend“ gestritten worden wäre.
- Weiterhin bleibt es in dem Kompromisspapier zwischen der BÄK und dem PKV-Verband dabei, dass der Vertreter weiterhin die gleiche Qualifikation wie der Wahlarzt erfüllen müsse. Eine Begründung, warum dies so sein soll, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzentwurf, der dem deutschen Ärztetag vorgelegt werden soll, fällt hier deutlich hinter die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück. Auch hier werden Positionen zulasten der Ärzteschaft aufgegeben.
ERKE | Schon seit Ende des Jahres 2007 unterscheidet der Bundesgerichtshof zwischen den Vertretungsfällen der vorhersehbaren und der unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes bei Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung. Im Zusammenhang mit der vorhersehbaren Verhinderung werden vonseiten des BGH bislang keinerlei Qualifikationserfordernisse an die Person des ärztlichen Vertreters gestellt, dieser muss nicht einmal ständiger ärztlicher Vertreter des Wahlarztes sein, wo man am ehesten die gleiche Qualifikation wie beim Wahlarzt annehmen könnte. Bei der unvorhersehbaren Verhinderung kann die Vertretung des Wahlarztes durch den ständigen ärztlichen Vertreter erfolgen. Besondere Qualifikationserfordernisse, die an die Person des ständigen ärztlichen Vertreters zu stellen sind, hat die Rechtsprechung bislang nicht verlangt (BGH, Urteil vom 20.12.2007, III ZR 144/07; CB 01/2008, Seite 1 f.).
- Neu eingeführt wurde eine Klausel, wonach die Vertretung bei Anwesenheit des Wahlarztes am Krankenhausstandort grundsätzlich ausgeschlossen sei (§ 4 Abs. 2a S. 2 GOÄ-E). Der BGH und praktisch alle Instanzgerichte stellen bislang bei der Vertretung des Wahlarztes auf dessen Verhinderung ab. Verhinderung bedeutet, dass der Wahlarzt im Krankenhaus anwesend sein kann, gleichwohl aber verhindert ist, den Patienten zu behandeln. Wahlärzte sind zumeist auch Chefärzte, die nach ihren Anstellungsverträgen mit dem Krankenhausträger neben der Patientenbehandlung einen umfangreichen Katalog von Dienstaufgaben erfüllen müssen. Das kann dazu führen kann, dass diese nicht immer für die Patientenbehandlung zur Verfügung stehen. Hier ist kein Grund ersichtlich, warum sich die Wahlärzte in diesen Fällen nicht ebenfalls vertreten lassen können. Auch an dieser Stelle ist zu befürchten, dass die BÄK wieder Positionen der Ärzteschaft aufgibt, ohne dass dafür Veranlassung besteht.
MERKE | Möglicherweise löst sich dieses Problem allerdings auch dadurch, dass der BGH inzwischen die an einen Wahlarzt zustellenden Anforderungen näher konkretisiert hat (Urteil vom 13.03.2025, Az. III ZR 426/23; Abruf-Nr. 50387714). Wer Wahlarzt werden will, muss eine Behandlungsqualität anbieten können, die über den Facharztstandard hinausgeht. Krankenhausträger werden dann, wenn diese Änderung Gesetz werden sollte, weitere Wahlärzte benennen müssen, die den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH genügen, sofern Sie dies können, d. h. genügend qualifizierte Ärzte zur Verfügung stehen. Kleinere Krankenhäuser werden hier gegenüber größeren Einheiten im Nachteil sein und deren Möglichkeiten wahlärztliche Honorar zu generieren vermutlich sinken. Ob man dies bei dem Gesetzentwurf wirklich bedacht hat?
- § 4 Abs. 2b GOÄ-E regelt die individuelle Vertretungsvereinbarung bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes wesentlich unpräziser als in der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07). Anders als der BGH knüpft der Gesetzestext nicht an den Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung an, verlangte aber gleichzeitig, dass die Vertretungsvereinbarung „rechtzeitig“ vor der Leistungserbringung geschlossen werden müsse. Ohne einen Bezugspunkt lässt sich jedoch nicht definieren, wann „rechtzeitig“ ist. Nach den Erfahrungen der Autoren in diversen Verfahren dürfte sich dies nur im Einzelfall bestimmen lassen, weshalb man solche Definitionsversuche eher lassen sollte (vgl. CB 02/2025, Seite 3 ff.).
§ 4 Abs. 2d GOÄ-E ‒ Eigene Leistungen bei Wahlleistungen
Interessant sind die Ausführungen in § 4 Abs. 2d S. 3 GOÄ-E. Diese Regelung sieht vor, dass bei der Übertragung der Rechnungstellung auf einen Dritten der Auftraggeber auf Verlangen des Patienten die korrekte, der tatsächlichen, dokumentierten Leistungserbringung entsprechende Rechnungstellung zu bestätigen und die entsprechende Leistungsdokumentation des Wahlarztes vorzulegen hat.
Zunächst wird schon jetzt mit der Rechnungstellung konkludent auch erklärt, dass die dort abgerechneten Leistungen vollständig und entsprechend den Vorgaben der GOÄ tatsächlich erbracht wurden. Einer zusätzlichen Bestätigung bedarf es insoweit nicht.
Das Recht zur Vorlage der Leistungsdokumentation besteht im Übrigen als Akteneinsichtsrecht des Patienten unabhängig von derartigen Vorgaben (§ 630g Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei ist es auch irrelevant, wer tatsächlich die Rechnung ausstellt ‒ ob der Wahlarzt selbst, das Krankenhaus oder eine Abrechnungsstelle. Vielmehr kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Absatz vor allem den Interessen der Kostenträger dient.
§ 6 Abs. 2 GOÄ-E ‒ Analogleistungen
Die Regelung zu den Analogleistungen in § 6 Abs. 2 GOÄ soll weiterhin wie bisher bleiben. Dabei ist als Stichtag der 01.01.2018 genannt. Es wird für den einzelnen Arzt nur schwer zu übersehen sein, ob eine Leistung nicht doch schon vor diesem Stichtag in Deutschland erbracht wurde. Dies kann gegebenenfalls auch im Rahmen einer Studie geschehen sein. Dann wäre jedoch die Abrechnung von Analogleistungen ausgeschlossen.
Gleichzeitig zeugt dieser Passus von einem erheblichen Vertrauen der Beteiligten in ihre Fähigkeit, die gesamte Breite des medizinischen Leistungsgeschehens in der GOÄ und im Leistungskatalog abzubilden. Da im Bereich der privatärztlichen Tätigkeit kein Ausschließlichkeitsprinzip gilt ‒ anders als im GKV-Bereich ‒, wird es sich kaum vermeiden lassen, dass bestimmte Maßnahmen auch dann später erneut eingebracht wurden.
§ 10 GOÄ-E ‒ Auslagen
Bezüglich der Regelung für die Erstattung von Auslagen in § 10 GOÄ-E ist die Kritik der Autoren nicht aufgegriffen worden. Es bleibt weiter dabei, dass die Berechnung von Pauschalen nur bei Versand- und Portokosten zulässig ist, dort allerdings auch nur dann, wenn diese Pauschalen den durchschnittlichen tatsächlichen Kosten entsprechen. Die Beweislast hierfür wird im Zweifel der abrechnende Arzt tragen müssen.
§ 12 GOÄ-E ‒ Rechnung
Bezüglich der Rechnungsstellung ist die Regelung, wonach die Rechnung vorwiegend elektronisch und im Rahmen der Telematik-Infrastruktur übersandt werden soll, nur in der Position verschoben. Sie bleibt weiterhin Bestandteil von § 12 Abs. 2 GOÄ-E. Zum Inhalt ist Folgendes anzumerken
- Es wird übersehen, dass der primäre Rechnungsempfänger der einzelne Patient ist ‒ der jedoch nicht an der Telematik-Infrastruktur teilnimmt. Zwar ist es aus Sicht des PKV-Verbandes nachvollziehbar, dass eine elektronische Übermittlung von Rechnungen für diesen zu einer einfacheren Bearbeitung führt. Primärer Vergütungsschuldner ist und bleibt jedoch der Patient selbst, und dieser wird die Rechnung üblicherweise nur per Post oder möglicherweise in elektronischer Form per E-Mail erhalten. Eine Übermittlung im Rahmen der TI, wie es z. B. im Verhältnis zwischen Leistungserbringern und GKV über das 301er-Datenaustauschverfahren erfolgt, ist im Rahmen der Privatabrechnung deswegen nicht möglich.
MERKE | Im Übrigen ist es auch immer Sache des einzelnen Patienten, ob er eine Rechnung seiner privaten Krankenversicherung zur Erstattung vorlegt oder nicht. Gegebenenfalls hat der Patient auch ein erhebliches Interesse, die Rechnung nicht einzureichen, weil er z. B. seinem privaten Krankenersicherer bestimmte Umstände nicht zur Kenntnis geben will oder weil sein Versicherungsvertrag eine Bonusklausel enthält. |
- Bezüglich des Inhalts der Rechnung bleibt es bei den bisherigen sehr umfangreichen Vorgaben, insbesondere der Angaben von Diagnosen und Prozeduren nach ICD- und OPS-Schlüsseln.
- Immerhin wurde das Erfordernis gestrichen, dass bei einer Gebührenvereinbarung auch eine Kopie der Vereinbarung beizulegen sei (§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 GOÄ-E). Des Weiteren ist immerhin positiv zu vermerken, dass zur Verwaltungsvereinfachung die Grenze für Auslagenbelege von 50 Euro auf 100 Euro angehoben werden soll. Zudem gilt die Grenze für die einzelnen Auslagen und nicht die Summe der Auslagen (§ 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 GOÄ-E).
- Für die Rechnungstellung selbst soll weiterhin ein Formular verwendet werden (§ 12 Abs. 2 S. 2 GOÄ-E). Hierzu scheint Folgendes proglematisch:
- Nicht erkennbar ist, welche Folgen es hat, wenn das Formular nicht verwendet wird, weil der Arzt z.B. eine ältere Software weiternutzt. Ist die Rechnung dann tatsächlich fällig geworden oder ist sie in falscher Form erstellt?
- Und kann der einzelne Patient dies überhaupt erkennen? Oder wird die Rechnung dann nicht fällig (§ 12 Abs. 1 S. 1 GOÄ-E)?
- Weiterhin enthält der Entwurf die Regelung, dass die Rechnung an die Erstattungsstelle mit dem Einverständnis der Erstattungsstelle und dem schriftlichen Einverständnis des Patienten auch in elektronischer Form an die Erstattungsstelle, d. h. die Beihilfe oder die PKV, übersandt werden kann (§ 12 Abs. 3 GOÄ-E). Dies ist aus folgenden Gründen kritisch zu sehen:
- Hier wird ein erhebliches Formerfordernis aufgestellt, in dem der Patient nämlich „schriftlich“ einwilligen muss. Gleichzeitig kann die Rechnung dann in elektronischer Form übermittelt werden. Es ist anerkannt, dass es in den allermeisten Fällen keiner persönlichen Unterschrift des Patienten bedarf. Warum wird dieses Formerfordernis jetzt hier eingeführt?
- Zudem setzt diese Möglichkeit weiterhin voraus, dass auch die Abrechnungsstelle mit der elektronischen Übermittlung einverstanden ist. Gleichzeitig bleibt es dabei, dass es keinen direkten Zahlungsanspruch des Arztes gegen die Erstattungsstelle gibt. Zwar kann der Arzt Glück haben kann, dass die Erstattungsstelle direkt an ihn zahlt, allerdings kann er dies rechtlich nicht erzwingen. Warum sollte der Arzt die Rechnung also an die Erstattungsstell übermitteln?
- Die Fälligkeit der Rechnung setzt voraus, dass diese beim Zahlungspflichtigen, d. h. dem Patienten ankommt (§ 12 Abs. 1 S. 1 GOÄ-E). Alles andere stellt nur eine Erleichterung für die PKV dar, ohne dass es den Ärzten einen Vorteil bringt.
- Im Übrigen ist interessant, dass § 12 Abs. 6 GOÄ-E für die Übermittlung der Daten an einen Dritten nur den Nachweis der Einwilligung des Patienten vorsieht, § 12 Abs. 3 GOÄ-E aber eine schriftliche Einwilligung fordert. Dies scheint nicht konsequent zu Ende gedacht.
Änderungen im Gebührenverzeichnis
Die Autoren können hier schon aus Platzgründen nicht auf sämtliche Änderungen im Gebührenverzeichnis eingehen, die vielfach von den ärztlichen Fachverbänden bereits Kritik erfahren haben. Wir möchten aber gleichwohl zum Abschluss auf eine wesentliche Änderung eingehen ‒ die Absenkung des Honorars bei einzelnen ärztlichen Fachgruppen (z. B. Radiologen und Labormediziner), obwohl dort die Praxiskosten nicht gesunken sind, soweit wir dies beurteilen können und die gleichzeitige Anhebung des Honorars bei anderen ärztlichen Fachgruppen.
Nach der bisherigen GOÄ (§ 4 Abs. 3 GOÄ) waren die Praxiskosten in den Gebühren enthalten. Dies ist grundsätzlich auch so beibehalten worden (§ 4 Abs. 4 GOÄ-E). Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutete dies bislang, das nach Abzug der Praxiskosten bei den ärztlichen Leistungen für die betroffenen Ärzte ein auskömmliches Honorar übrig bleiben musste, was immer man auch unter „auskömmlich“ versteht:
- So hat der BGH in einem Urteil vom 27.05.2004, Az. III ZR 264 / 03 für Zahnärzte eine Ausnahme von dem Prinzip anerkannt, dass Auslagen als Praxiskosten mit den Gebühren abgegolten sind. Die Ausnahme gilt für Implantat-Bohrsätze, deren Preis mehr als 50 Prozent der Gebühren für die damit erbrachten zahnärztlichen Leistungen aufzehrt.
- In einem Urteil vom 21.01.2010, III ZR 147/09 hat der BGH für Fortentwicklungen in der Medizin (computernavigierte Endoprotheseneinbringung) festgestellt, dass diese nicht selbstständig abrechenbar sind, wenn es sich um besondere Ausführungen der „Normalleistung“ der endoprothetischen Versorgung des Kniegelenks handelt. Dies wurde aber dann nicht gelten, wenn die Vergütung für den Arzt nicht mehr auskömmlich ist, wenn er für diese Leistung kein gesondertes Honorar bekommen kann.
PRAXISTIPP | Den betroffenen Facharztgruppen, die Kürzungen ihrer Honorare zu beklagen haben, bzw. ihren Berufsverbänden ist deshalb zu empfehlen, durchrechnen zu lassen, ob bei Bestehenbleiben dieser Kürzungen immer noch von einer auskömmlichen Vergütung auszugehen ist oder nach Abzug der Praxiskosten von der Vergütung für die ärztliche Tätigkeit nicht mehr viel übrig bleibt. Wäre dies der Fall könnte man über einen Grundrechtseingriff zulasten der Ärzte dieser Fachrichtungen nachdenken und hätte gegebenenfalls juristische Ansatzpunkte, dagegen vorzugehen. |
Fazit: Ob die GOÄ-E die Ärzteschaft voranbringt, ist unklar
Es ist positiv zu sehen, dass die BÄK auf Kritik reagiert. Insgesamt gesehen bleibt es aber offen, ob dieser Entwurf tatsächlich der große Wurf ist, der auch die Ärzteschaft voranbringt.
Weiterführender Hinweis
- Der Paragrafenteil der vorgeschlagenen Neufassung der GOÄ ‒ ein Desaster für die Ärzte! (CB 11/2024, Seite 4 ff.)