Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Patientenaufklärung

    Wie individuell muss die Aufklärung sein?

    von RAin und Fachanwältin für Medizinrecht Rosemarie Sailer, LL.M., Wienke & Becker - Köln, www.kanzlei-wbk.de 

    | Die Frage nach der richtigen Art und Weise der Aufklärung lässt sich nicht pauschal und leider auch nicht immer ganz einfach beantworten. Zwar gibt es allgemeingültige Grundsätze, letztlich hängen die Anforderungen an die Aufklärung jedoch stets von den besonderen Umständen des jeweiligen Patienten ab. Auf ihn speziell hat der Arzt daher die Aufklärung stets zuzuschneiden. Was ist hierbei zu beachten und welche Anforderungen gelten für die Verwendung von Aufklärungsbögen - sind diese zum Beispiel handschriftlich auszufüllen oder sind Anmerkungen mit dem PC erlaubt? |

    Gesetz schreibt individuelle Aufklärung vor

    Nach § 630e Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist der Patient über „sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände“ aufzuklären. Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahrzehnten in unzähligen Urteilen herausgearbeitet, wie die Aufklärung - abhängig von Dringlichkeit und Schwere des Eingriffs, Intellekt oder Vorkenntnissen des Patienten - vor einer Behandlung im Einzelfall zu erfolgen hat.

     

    Zu beachten ist freilich, dass eine Behandlung meist „generell“ angezeigt ist: Wo sie bei dem einen Patienten indiziert sein kann, ist sie beim anderen Patienten etwa aufgrund von Vorerkrankungen, persönlichen Anlagen oder Unverträglichkeiten kontraindiziert oder aber mit anderen oder schwereren Nebenwirkungen und Risiken verbunden.

    Der Einzelfall entscheidet

    Bestes Beispiel hierfür sind ältere Patienten, die eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente einnehmen oder an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden; oder auch Patienten, die Blutverdünner erhalten. Gerade in solchen Fällen ist es besonders wichtig, sorgfältig die persönlichen Umstände des Patienten zu ermitteln und in der Anamnese genau herauszustellen, ob Kontraindikationen, Vorerkrankungen etc. vorliegen und ob besondere Vorsichtsmaßnahmen angezeigt sind. Gleiches gilt für die Verordnung von Medikamenten: Es reicht nicht, den Patienten lediglich auf die Packungsbeilage hinzuweisen - vielmehr sind Informationen und Dosierungsempfehlungen vom Arzt an die persönlichen Umstände des Patienten anzupassen.

    Aufklärung erfolgt zweistufig

    Die Rechtsprechung hat den Begriff der sogenannten zweistufigen Aufklärung geprägt. Das bedeutet, dass der Patient zunächst über die Risiken der Behandlung zu informieren ist, die typischerweise und damit generell mit der jeweiligen Behandlung einhergehen. Diese generellen Hinweise sind meist in den schriftlichen Aufklärungsbögen enthalten, die dem Patienten zunächst ausgehändigt werden sollten, damit er sich über die wesentlichen Umstände der Behandlung informieren kann. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt das persönliche Aufklärungsgespräch mit dem Patienten.

     

    In dem Aufklärungsgespräch hat der Arzt auf die individuellen Besonderheiten des Patienten einzugehen, diese durch Befragen zu ermitteln und die Aufklärung entsprechend anzupassen. Zu Nachweiszwecken muss der wesentliche Inhalt des Aufklärungsgesprächs dokumentiert werden; hierzu bietet es sich an, den Aufklärungsbogen individuell zu ergänzen.

     

    PRAXISHINWEIS | Nicht ausreichend ist es, dem Patienten lediglich einen Aufklärungsbogen zu überreichen und sich von ihm durch Unterschrift bestätigen zu lassen, dass er über die Behandlung informiert ist.

     

    Aufklärungsbögen können nicht jeden Einzelfall abbilden

    Aufklärungsbögen müssen notgedrungen standardisiert sein und können deshalb für den Einzelfall ungenau bzw. unvollständig sein; schließlich sind sie für eine Vielzahl gleichgelagerter Eingriffe vorformuliert und nicht auf den einzelnen Patienten individuell zugeschnitten. Etwaige Vorerkrankungen oder Unverträglichkeiten, die Einnahme bestimmter Medikamente oder andere persönliche Anlagen sind in solchen Bögen naturgemäß nicht berücksichtigt. Eine Aufklärung ist jedoch nicht ordnungsgemäß, wenn solche Faktoren nicht beachtet werden!

     

    Damit solche individuellen Aspekte berücksichtigt werden können, enthalten vorformulierte Aufklärungsbögen regelmäßig ein Feld für Anmerkungen, in denen spezifische Risiken der Patienten, damit verbundene Komplikationen und sonstige Bemerkungen eintragen werden können. Gerade solche besonderen Umstände können für den Patienten wesentlich sein - etwa Allergien, Vor- bzw. Begleiterkrankungen oder ein spezieller Arzneimittelbedarf.

     

    PRAXISHINWEIS | Diese individuellen Anmerkungen wurden bisher zumeist handschriftlich festgehalten - ein weiteres Indiz dafür, dass tatsächlich ein individuelles Gespräch stattgefunden hat und die eingetragenen Notizen Gegenstand des Patientengesprächs waren. Auch handschriftliche Einzeichnungen in die in den Aufklärungsbögen verwendeten Skizzen geben dem Bogen ein zuverlässiges Maß an Individualisierung. Gleichsam wird dadurch die Beweiskraft der Aufklärungsdokumentation erheblich erhöht.

     

    Aufklärungsbogen mit dem PC ausfüllen?

    Im Zuge der mittlerweile entwickelten digitalen Dokumentationstechniken, die nun auch im Klinik- und Praxisbetrieb mehr und mehr Einzug gehalten haben und von der Rechtsprechung in vollem Umfang anerkannt sind, können nun auch an stationären Rechnern Texte über die Tastatur in das Feld für Arztanmerkungen eingegeben werden. Dabei hat der Arzt auch die Möglichkeit, für häufig verwendete Notizen Abkürzungen zu hinterlegen, die dann im Gespräch schnell als Volltext eingefügt werden können (Textbausteine). Momentan wird in Kliniken zudem die mobile Nutzung auf Tablet-PC etabliert. Der Vorteil der Eingabe von Anmerkungen über eine PC-Tastatur liegt darin, dass mehr Platz für Notizen besteht und gleichzeitig das Problem der oftmals schwierigen Lesbarkeit von handschriftlichen Bemerkungen entfällt.

    Technik auf dem Vormarsch

    Es ist rechtlich gesehen nicht von Belang, ob solche individuellen Anmerkungen handschriftlich eingetragen oder über eine PC-Tastatur eingegeben werden. Wichtig bei der Verwendung von Eintragungen mittels Computertastatur ist allein, dass diese nachträglich gegen Veränderungen gesichert werden, was bei den für die ärztliche Dokumentation zugelassenen Software-Systemen regelmäßig der Fall ist.

     

    Ergänzende Anmerkungen mit wichtigem Beweiswert

    Entscheidend ist zudem, dass aus den ergänzenden Anmerkungen deutlich wird, dass ein individuelles Aufklärungsgespräch stattgefunden hat und das Formular dem Patienten eben nicht bloß zum Unterschreiben vorgelegt worden ist. Je persönlicher die Beteiligten das Formular ausfüllen, desto beweiskräftiger kann es wirken.

     

    Auch Zeichnungen sollten angefertigt werden

    Soweit technisch sichergestellt ist, dass man mit dem Computer bzw. Tablet-PC auch Zeichnungen bzw. Markierungen vornehmen kann, so sollte hiervon regelmäßig Gebrauch gemacht werden. So könnten zum Beispiel die beabsichtigte Schnittführung eingezeichnet oder nicht in Betracht kommende Einzelpunkte durchgestrichen bzw. ergänzt oder spezielle Stellen einer Zeichnung markiert werden.

     

    PRAXISHINWEISE | Die ärztliche Aufklärung der Patienten und die darauf basierende Einwilligung müssen nach den Neuregelungen des Patientenrechtegesetzes fortan schriftlich in der ärztlichen Dokumentation niedergelegt werden. Die Verwendung von vorformulierten, stets aktualisierten Aufklärungsbögen ist dabei auch nach der ausdrücklichen Empfehlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der „Goldstandard“.

     

    Die dem Nachweis der Aufklärung dienende Individualisierung der Aufklärungsdokumentation kann ohne rechtliche Einbußen stets auch computerunterstützt erfolgen. Das vertrauensvolle persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient, auf das niemals verzichtet werden kann, wird dadurch ausreichend bewiesen. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, gerade bei Verwendung eines PC nicht ständig die selben Textbausteine zu verwenden, da auf diese Weise der Eindruck der Individualität wieder verloren gehen kann.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Thema Behandlungsdokumentation siehe auch die zweiteilige CB-Serie mit dem Titel „Das leidige Thema Bahandlungsdokumentation“. Teil 1 finden Sie in der Ausgabe Juni 2014 (ab Seite 6), Teil 2 einen Monat später ab Seite 10.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 7 | ID 43070819