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  • · Fachbeitrag · Management

    Neue Einnahmequelle: IGel jetzt auch von ­Chefärzten und Klinikträgern abrechenbar?

    von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizin- und Arbeitsrecht, Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, www.armedis.de 

    | Vertragsärzte haben seit Jahren die Möglichkeit, ihren Patienten „indi­viduelle Gesundheitsleistungen“ (IGel) direkt in Rechnung zu stellen. Diese sind kein Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und werden daher nicht von der gesetzlichen Krankenkassen vergütet. Für die stationäre Versorgung regelt das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) die Abrechnung Allgemeiner Krankenhausleistungen sowie ärztlicher und nichtärzt­licher Wahlleistungen. Dürfen daneben weitere Leistungen - sozusagen „stationäre IGel“ - abgerechnet werden? Dieser Beitrag klärt die Voraussetzungen. |

    Rechtlicher Hintergrund

    Die Möglichkeit, im Krankenhaus IGel anzubieten - nachfolgend als „medizinische Wahlleis­tungen“ bezeichnet -, ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 2 ­Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Danach dürfen diagnostische und therapeutische Leistungen als Wahlleistungen allerdings nur dann extra ­berechnet werden, wenn die Allgemeinen Krankenhausleistungen dadurch nicht beeinträchtigt werden. Zudem muss die gesonderte Berechnung ­zwischen dem Patienten und der Klinik vereinbart sein und die Leistung von einem Arzt, psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugend­lichen-Psychotherapeuten erbracht werden.

     

    Medizinische Wahlleistungen sind somit „andere“ ärztliche Leistungen als die Allgemeinen Krankenhausleistungen. Mit ärztlichen und nichtärztlichen Wahlleistungen im Sinne des § 17 KHEntgG haben sie nichts zu tun. Bei ärztlichen Wahlleistungen - zum Beispiel eine Chefarztbehandlung - entscheidet sich der Pa­tient für die Person des Leistungserbringers, bei nichtärztlichen Wahlleistungen - zum Beispiel ein Einzelzimmer - möchte er zusätzlichen Komfort.

    Was sind medizinische Wahlleistungen genau?

    Das KHEntgG schweigt zur Frage, welche medizinischen Wahlleistungen ­angeboten werden können. Folgende drei Fallgruppen sind denkbar:

     

    1. Medizinisch nicht notwendige Leistungen

    Bei medizinisch nicht notwendigen ärztlichen Leistungen fehlt es an einer medizinischen Indikation (Beispiel: Kosmetische Operationen). Sie können daher nicht als Allgemeine Krankenhausleistungen berechnet werden.

     

    2. Ärztliche Leistungen nach § 137c Sozialgesetzbuch V

    Medizinische Leistungen, die keinen hinreichend nachweisbaren medizinischen Nutzen haben, werden nach Prüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von der Liste der von der Kasse zu vergütenden Leistungen gestrichen - § 137c Sozialgesetzbuch (SGB) V erläutert dieses Verfahren ­näher. Entsprechend können solche Untersuchungs- und Behandlungsmetho­den dann als medizinische Wahlleistungen erbracht werden. Den Chefarzt und den Krankenhausträger treffen hier eine erhöhte Aufklärungspflicht.

     

    3. Sogenannte Alternativleistungen

    Bei „Alternativleistungen“ wünscht der Patient im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ­Leistungen, die von der Standardbehandlung bei der betreffenden Indikation abweichen. Wenn Chefarzt und Krankenhausträger solche Alternativleis­tungen als medizinische Wahlleistungen anbieten wollen, ist ­regelmäßig zu prüfen, ob es überhaupt um Leistungen geht, die neben den Allgemeinen Krankenhausleistungen angeboten werden können.

     

    Medizinische Wahlleistungen als Alternativleistungen können nur angeboten werden, wenn neben der Behandlung, die der Patient nach dem anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse für seine Erkrankung beanspruchen kann, immer noch Raum für die Alternativleistung bleibt und die mit der Alternativleistung verbundenen Mehrkosten nicht über Zusatzentgelte oder ein Entgelt für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Entgelt) nach § 6 Abs. 2 KHEntgG aufgefangen werden können.

     

    PRAXISHINWEIS |  Ein Beispiel, wie die medizinische Wahlleistung zur Regelleistung werden kann, sind die medikamentenbeschichteten Koronarstents aus der Kardiologie, die 2005 im DRG-System als Zusatzentgelt aufgenommen worden sind. Damit sind sie nicht mehr als medizinische Wahlleistungen berechenbar.

     

    Beratung empfehlenswert

    Chefärzte und Krankenhäuser, die medizinische Wahlleistungen anbieten wollen, sollten sich bei deren Einführung in jedem Fall durch die zuständige Landeskrankenhausgesellschaft oder anwaltlich beraten lassen. Die juris­tische Begutachtung sollte bereits mit der Prüfung beginnen, ob die Leis­tungen, die angeboten werden sollen, überhaupt als medizinische Wahlleistungen geeignet sind. Werden schon bei dieser Frage die Weichen juristisch richtig gestellt, können teure Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.

    Abrechnung medizinischer Wahlleistungen

    Medizinische Wahlleistungen, die zu den oben genannten drei Fallgruppen gehören, sind nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen berechenbar:

     

    • Vor Behandlungsbeginn ist eine schriftliche Wahlleistungsvereinbarung mit dem Patienten abzuschließen. Darin müssen die angebotenen medizinischen Wahlleistungen definiert und vereinbart werden.

     

    • Nach § 17 Abs. 2 KHEntgG ist der Patient vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen zu unterrichten. Bei medizinischen Wahlleistungen sind die mit ihrer Erbringung verbundenen Kosten möglichst präzise zu bestimmen.

     

    Die Verpflichtung zur Kostenaufklärung ist eine Schutzvorschrift zugunsten des Patienten. Auf sie muss deshalb besonderer Wert gelegt werden. Sie sollte eher überobligatorisch sein, da insbesondere die Regelleistungs­patienten medizinische Wahlleistungen werden selbst bezahlen müssen.

    Mitteilung an die zuständige Landesbehörde

    Aus § 17 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG folgt, dass die Art der Wahlleistungen der zuständigen Landesbehörde zusammen mit dem Genehmigungsantrag mitzuteilen ist. Die Behörde prüft, ob die Allgemeinen Krankenhausleistungen durch die geplanten Wahlleistungen beeinträchtigt werden. Sie kann auch prüfen, ob die Klinik Leistungen als Wahlleistungen anbietet, die Bestandteil der Allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 3 Abs. 2 KHEntgG sind.

     

    Die Mitteilung an die zuständige Landesbehörde und deren Reaktion bzw. ihr Ausbleiben können erste Hinweise auf mögliche Probleme bei dem Angebot medizinischer Wahlleistungen geben.

    Vergütung medizinischer Wahlleistungen

    Bei der Vergütung ist bei den geschilderten drei Fallgruppen medizinischer Wahlleistungen wiederum zu differenzieren:

     

    • Bei den „Alternativleistungen“, bei denen der Patient im Rahmen einer ­indizierten Krankenhausbehandlung Leistungen wünscht, die von der Standardbehandlung abweichen, besteht aufgrund medizinischer Indika­tion grundsätzlich eine Leistungspflicht des Kostenträgers. Folgerichtig muss der Krankenhausträger zunächst die für die Standardbehandlung anfallende DRG-Fallpauschale gegenüber dem Kostenträger abrechnen.

     

    • Diejenigen Teile der Gesamtleistung, die nicht in der DRG-Fallpauschale für die Standardleistungen enthalten sind, können dem Patienten als Mehraufwand über die Wahlleistungsvereinbarung berechnet werden. Hierfür ist die Differenz zwischen den Kosten einer Standardbehandlung und den entstandenen Kosten für die medizinische Wahlleistung zu bilden.

     

    • Bei den anderen beiden Fallgruppen werden die Wahlleistungen außerhalb des Versorgungsauftrags des Krankenhauses erbracht - Entgelte nach dem KHEntgG sind hierfür nicht vorgesehen. Die Entgelte für diese medizinischen Wahlleistungen können grundsätzlich frei vereinbart werden.

    Risiken bei medizinischen Wahlleistungen

    Chefärzte, die mit Zustimmung ihrer Krankenhausträger solche medizinischen Wahlleistungen erbringen müssen, die in keinem Zusammenhang mehr zum jeweiligen Versorgungsauftrag des Krankenhauses stehen, sollten sich des Risikos bewusst sein, dass hier gegebenenfalls öffentliche Fördermittel wegen zweckwidriger Verwendung zurückgefordert werden können. Dieses Risiko, das den Klinikträger trifft, sollte der Chefarzt vor der Ausweitung des Angebots mit der Krankenhaus-Geschäftsleitung erörtern.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 9 | ID 42393346