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  • · Fachbeitrag · Arzthaftung

    Fehlende Klingel im Kreißsaal begründet groben Behandlungsfehler ‒ Krankenhaus haftet

    von RA, FA MedR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

    | Auch fehlende technische Sicherheitsvorkehrungen können einen groben Behandlungsfehler begründen. Demnach handelt ein Krankenhaus grob fehlerhaft, wenn eine Mutter kurz nach der Geburt während des „Bondings“ keine Klingel in Reichweite hat (Oberlandesgericht [OLG] Celle, Urteil vom 20.09.2021, Az. 1 U 32/20). Auch der Chefarzt kann in die Schusslinie geraten, wenn erforderliche technische Sicherheitsvorkehrungen in seiner Abteilung nicht vorhanden sind. |

    Der Fall

    In dem vom OLG Celle entschiedenen Fall war die Geburt im Kreißsaal der Klinik im Wesentlichen komplikationsfrei verlaufen. Im Anschluss gab die Hebamme der Mutter Gelegenheit zum Bonding mit ihrem Baby. Daher ließ sie in der zweiten Lebensstunde des Säuglings Mutter und Kind allein. Kurze Zeit später erschien der Mutter das Baby „zu ruhig“, wie sie es später im Verfahren schilderte. Nachdem sie anfangs noch gedacht habe, dass es vielleicht schlafe, habe sie sich doch gewundert, dass es sich gar nicht rege. Sie habe klingeln wollen, damit jemand nachschaue. An ihrem Bett gab es aber keine Klingel. Infolge der Geburt habe sie zunächst nicht aufstehen können. Der Hebamme fiel der Zustand des Babys deshalb erst rund 15 Minuten später auf. Das Kind litt zu diesem Zeitpunkt unter einer Atemdepression („Fast-Kindstod“). Trotz unverzüglicher Behandlung und Reanimation führte dies zu einer schweren Hirnschädigung.

     

    Im Prozess verlangte das nunmehr acht Jahre alte Kind ‒ vertreten durch seine Eltern ‒ von dem Krankenhaus und der Hebamme aufgrund der verbleibenden Gesundheitsschäden ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro sowie den Ersatz materieller Schäden. Die Richter des OLG Celle gaben der Haftungsklage statt.