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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Wann ist ein Honorararzt selbstständig tätig - und wann gilt er als Angestellter?

    von RA/FA MedR, Wirtschaftsmed. Dr. Tobias Scholl-Eickmann, und RA/FA MedR Sören Kleinke, Dortmund/Münster, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Zwei Juristen, drei Meinungen: Das alte Vorurteil stimmt nicht immer, doch unterschiedliche Urteile zur Frage der (Schein-)Selbstständigkeit von Honorarärzten haben kürzlich das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) und das Sozialgericht (SG) Kassel gefällt. Der Chefarzt sollte sich mit den Abgrenzungskriterien vertraut machen, um bei der Klinikleitung im Zweifel für eine Anstellung des Honorararztes zu werben (siehe CB 04/2013, Seite 13 ): Im Gegensatz zu selbstständigen Honorarärzten kann der Chefarzt angestellte Ärzte besser führen, ihnen gegenüber ist er weisungsbefugt. |

    Der Fall: Radiologe in leitender Funktion

    Bei dem Fall vor dem LAG (Urteil vom 14. Januar 2013, Az. 16 Sa 1213/12, Abruf-Nr. 131368) war ein Radiologe auf Basis eines Vertrags vom Juni 2011 für ein Krankenhaus in leitender Funktion tätig. Die Tätigkeit wurde zuvor von einem angestellten Arzt ausgeübt. Das Krankenhaus kündigte den „freiberuflichen“ Vertrag mit dem Radiologen zum 31. März 2012. Dieser wandte sich gegen die Kündigung mit dem Argument, er sei tatsächlich nicht freiberuflich, sondern als angestellter Arzt tätig.

    Gericht: Arzt war selbstständig tätig

    Das LAG entschied - wie die Vorinstanz - zugunsten des Krankenhauses. Der Radiologe habe nicht schlüssig vorgetragen, dass er Arbeitnehmer sei. Dies sei derjenige, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags zur weisungsgebundenen, fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sei. Arbeitnehmer müssten die geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringen.

     

    Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation zeige sich vor allem darin, dass der Beschäftigte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege, das sich auf Inhalt, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit beziehe. Selbstständig sei demgegenüber, wer im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen könne. Maßgeblich komme es auf die tatsächlichen Umstände, nicht auf die vertragliche Formulierung an. Obwohl die Leistungen in den Räumen des Klinikums erbracht wurden, sah das Gericht keine Anstellung des Radiologen: Auch Belegärzte nutzten die Klinikräume und seien anerkanntermaßen keine angestellten Arbeitnehmer.

     

    Der Radiologe unterlag keinen festen Arbeitszeiten, es wurde vielmehr ein Tageshonorar von 1.000 Euro vereinbart für die Tätigkeit von 8 bis 16 Uhr. Auch der Umstand, dass ein unbefristeter Vertrag geschlossen wurde, stehe - so das LAG - einer selbstständigen Tätigkeit des Radiologen nicht entgegen.

    Ärztlicher Psychotherapeut vor dem Sozialgericht Kassel

    In dem vom SG Kassel entschiedenen Fall (Urteil vom 20. Februar 2013, Az. S 12 KR 69/12, Abruf-Nr. 130954) wurde darüber gestritten, ob ein für das klagende Krankenhaus tätiger ärztlicher Psychotherapeut in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis beschäftigt war oder aber eine freiberufliche Tätigkeit zugrunde lag. Das Krankenhaus betreibt eine Klinik für ganzheitliche Medizin und Naturheilkunde. Zwischen dem Krankenhaus und dem ärztlichen Psychotherapeuten wurden für die Leistungserbringung folgende Eckpunkte vereinbart:

     

    • Behandlung von elf Patienten in psychotherapeutischer Einzel- und Gruppentherapie, die der Klinik vom Aufnahmebüro zugeteilt werden
    • Wöchentlich zwei Gruppensitzungen nebst Vor- und Nachbesprechungen
    • Gruppensprechstunden zu vorgegebenen Zeiten in der Klinik
    • Bei Bedarf Kriseninterventionen und Aufnahmeuntersuchungen
    • Zweimal pro Woche Prozessanalyse mit dem Behandlerteam
    • Erstellung von Verlängerungsanträgen und Entlassberichten
    • Teilnahme an Supervision und Intervision
    • Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden mit täglicher Präsenzpflicht
    • Vergütung auf Stundenbasis

     

    Im „Statusfeststellungsverfahren“ wurde vom Gericht die Arbeitnehmereigenschaft gegenüber dem Therapeuten und der Klinik festgestellt. Widerspruch und Klage der Klinik hiergegen blieben erfolglos.

    Gericht: Arzt war abhängig beschäftigt

    Das Gericht entschied, dass der Psychotherapeut als abhängig Beschäftigter anzusehen sei. Dabei legte das SG die gleichen Grundsätze wie das LAG zugrunde: Zwar habe der Therapeut umfassende therapeutische Entscheidungsspielräume gehabt, diese seien aber für seine Tätigkeit selbstverständlich. Auch die Vereinbarungen sowie die umgesetzten Regelungen wiesen auf eine abhängige Tätigkeit hin, zumal er kein unternehmerisches Risiko trage.

     

    Dass der Psychotherapeut die Risiken krankheits- und urlaubsbedingter Entgeltausfälle trage, ändere nichts an dieser Bewertung. Er diene mit seiner Tätigkeit in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der Klinik und seinem eigenen, letztlich nicht existierenden Unternehmen. Der ärztliche Psychotherapeut war faktisch in den Betrieb der Klinik vollständig eingebunden, die Verfügung über seine eigene Arbeitskraft war nachhaltig eingeschränkt.

     

    FAZIT |  Die Entscheidungen verdeutlichen, dass sich eine pauschalierende Bewertung, ob ein Honorarzt Arbeitnehmer oder „Unternehmer“ ist, verbietet. Es ist daher denkbar, dass ein Honorararzt tatsächlich freiberuflich seine Arbeitsleistung in einem Krankenhaus erbringt. Je weniger der Arzt über seine eigene Arbeitskraft selbst verfügen kann, desto eher ist er ein Arbeitnehmer. Im Zweifel sollte eine frühzeitige Klärung erfolgen, da sonst erhebliche Nachzahlungen an die Sozialversicherungsträger drohen, die in erster Linie den Arbeitgeber treffen.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 7 | ID 39066830