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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Krankenschwester kritisiert Tragzeitvorgaben für FFP2-Masken ‒ interne Versetzung rechtmäßig

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Die Versetzung einer auf einer Intensivstation tätigen Krankenschwester, die die vorgegebene Tragezeit für FFP2-Masken auf der Intensivstation kritisierte, auf eine onkologische Station, bei der andere Tragezeiten gelten, ist rechtens (Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 06.05.2021, Az. 4 Ca 2437/20 ). Auch wenn Chefärzte i. d. R. keine Kompetenz haben, das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) auszuüben, ist die Entscheidung für sie relevant. Denn vergleichbare Urteile können sich auf die Personaldecke ihrer Abteilung auswirken. |

    Der Fall

    Eine Krankenschwester ‒ die spätere Klägerin ‒ war als Intensivkraft auf der COVID-19-Intensivstation einer Klinik im Ruhrgebiet tätig. Die Klinik gab vor, dass auf dieser Station bei sämtlichen pflegerischen Tätigkeiten Schutzmasken des Typs FFP2 zu tragen seien. Die Tragezeit betrug 120 Minuten mit einer anschließenden Tragepause von 15 Minuten. Diese Vorgaben beruhten auf einer Gefährdungsbeurteilung, die die Klinik durchführen ließ. Bei kürzeren Tragzeiten sei nicht genügend Fachpersonal vorhanden, so die Klinik. Die Klägerin erklärte wiederholt gegenüber ihren Vorgesetzten, dass es unter den gegebenen organisatorischen und personellen Bedingungen sowie den gegebenen Rahmenregelungen der Station nicht möglich sei, die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) einzuhalten.

     

    MERKE | Gegenüber den arbeitgeberseitigen Regelungen im o. g. Fall sehen die empfehlenden DGUV-Richtlinien eine Tragezeit von nur 75 Minuten und eine Pausenzeit von 30 Minuten vor (vgl. Mitteilung der DGUV online unter iww.de/s5591).

     

    Der Arbeitgeber bot der Krankenschwester an, dass sie ihren Dienst auf einer anderen Station des Krankenhauses ableisten könne, wo kein durchgängiges Tragen einer FFP2-Maske während des Dienstes erforderlich sei. Mit dieser Versetzung war u. a. eine monatliche Lohneinbuße um 50 Euro verbunden. Die Krankenschwester lehnte das Angebot ab und bewertete den Vorschlag als Drohung. Der Arbeitgeber wies die Schwester an, ihren Dienst künftig auf einer onkologischen Station zu verrichten. Dagegen klagte die Krankenschwester. Das Arbeitsgericht wies ihre Klage als unbegründet ab.

    Die Entscheidung

    Das Gericht war der Auffassung, die beklagte Klinik habe ihr Direktions- und Weisungsrecht rechtmäßig ausgeübt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Klägerin auf der Intensivstation weiter zu beschäftigen. Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

     

    • Das vertragliche Direktions- und Weisungsrecht der Beklagten umfasse die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 GewO einen anderen Arbeitsort als den bisherigen zuzuweisen. Insofern sei auch kein Überschreiten des arbeitgeberseitigen Ermessens erkennbar. Die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten längeren Tragzeiten seien verbindlich, während die Vorgaben der DGUV nur Empfehlungscharakter hätten. Die Arbeit auf der Intensivstation erfordere für alle Mitarbeiter gleiche Tragezeiten. Im Ergebnis stelle sich die Umsetzung der Klägerin auf eine andere Station als zielführende und verhältnismäßige Lösung des Konflikts um die Tragezeiten dar, insbesondere in Zeiten besonderer Herausforderungen für das Gesundheitssystem.

     

    • Es sei auch kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot (vgl. CB 10/2021, Seite 14) ersichtlich. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Versetzung überwiegend gerade auf der zulässigen Ausübung von Rechten seitens der Klägerin (sprich ihrem Gespräch mit dem Vorgesetzten) beruhe.

     

    • Im Übrigen schränke auch der Arbeitsvertrag das arbeitgeberseitige Direktionsrecht nicht ein.

     

    • Schließlich sei auch die mit der Versetzung verbundene monatliche Lohneinbuße von rund 50 Euro nicht gravierend.

    Rechtlicher Hintergrund: Versetzung von Klinikpersonal

    Beschäftigte in Kliniken dürfen nur unter bestimmten Bedingungen intern versetzt werden. Durch bestimmte arbeitsvertragliche Regelungen können interne Versetzungen erleichtert werden.

     

    • Einschränkungen und Erleichterungen der Versetzung
    Die Klinik darf einen Arbeitnehmer nicht versetzen, wenn...
    Eine Versetzung wird erleichtert durch arbeitsvertragliche Vereinbarung...
    • ... im Arbeitsvertrag eine bestimmte Tätigkeit vereinbart ist,
    • ... die neue Tätigkeit nicht „standesgemäß“ ist,
    • ... der Arbeitnehmer durch langen Zeitablauf auf den Fortbestand seines Einsatzbereichs vertrauen durfte (dies ist nur selten der Fall) oder
    • ... die Versetzung zu spürbaren Gehaltseinbußen führt.
    • ... der Möglichkeit, den Mitarbeiter an einen anderen Arbeitsort zuzuweisen oder
    • ... auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung zu verzichten.
     

    Vor der Versetzung ist der Arbeitnehmer anzuhören, wenn die Umsetzung mehr als drei Monate dauern soll. Die Klinik sollte vermeiden, dass dem Arbeitnehmer durch die Umsetzung Gehaltseinbußen entstehen, notfalls sind diese auszugleichen. I. d. R. muss der Betriebsrat eingebunden werden. In tarifgebundenen Arbeitsverträgen für Ärzte ist § 5 TV-Ärzte/VKA zu beachten.

     

    FAZIT | Wegen der mit einer Versetzung verbundenen arbeitsrechtlichen Konflikte und der komplexen rechtlichen Vorgaben für eine rechtmäßige Umsetzung ist die Klinikleitung im Ergebnis gut beraten, nach Möglichkeit eine einvernehmliche Lösung anzustreben, insbesondere bei Verträgen mit Oberärzten.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2021 | Seite 12 | ID 47762271