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  • · Fachbeitrag · Strukturprüfungen

    OPS 8-980.20: Abrechnung erfordert mindestens stundenweise Anwesenheit qualifizierter Leitung

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Ein Krankenhaus darf die intensivmedizinische Komplexbehandlung (OPS 8.980.20) nur abrechnen, wenn diese durch einen Facharzt geleitet wird, der eine Zusatzweiterbildung Intensivmedizin besitzt. Die Leitung der Behandlung erfordert, dass der Facharzt auch an Wochenenden zumindest stundenweise auf der Station anwesend ist. Im vorliegenden Fall scheiterte die Abrechenbarkeit von Leistungen über 12.000 Euro, weil das Krankenhaus diese Anwesenheit nicht durchgängig sicherstellen konnte (Sozialgericht [SG] Dresden, Urteil vom 04.11.2020, Az. S 18 KR 530/18). |

    Der Sachverhalt

    Streitig war die Frage, ob die Strukturvoraussetzungen für die Abrechnung des OPS 8-980.20 ‒ intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) erfüllt seien. Ausweislich der Dienstpläne des Krankenhauses waren dort ein Oberarzt und eine Ärztin tätig, die beide über die Zusatzweiterbildung Intensivmedizin verfügten. Die Arbeitszeit der beiden Ärzte wurde durch den Kläger so organisiert, dass 7,5 Stunden täglich

     

    • jeweils einer der beiden entweder in der Frühschicht von 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr oder
    • in der Spätschicht von 15:00 bis 23:30 Uhr anwesend war.
    • Außerdem gab es lange Tage mit Anwesenheiten von 7:00 Uhr bis 19:30 Uhr.

     

    Das Schichtsystem stellte allerdings nicht sicher, dass an den freien Tagen der Ärzte ‒ insbesondere an den Wochenenden und in Urlaubsfällen ‒ ein entsprechend qualifizierter Facharzt anwesend war.

     

    In einem konkreten Behandlungsfall war an einem Sonntag keiner der beiden Ärzte vor Ort. Die beklagte Krankenkasse kürzte nach Beratung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) die Leistungen für die intensivmedizinische Komplexbehandlung um rund 12.000 Euro. Begründung: Die Strukturvoraussetzungen zur Kodierung des OPS seien nicht gegeben. Dagegen klagte das Krankenhaus. Entsprechend qualifizierte Ärzte seien in ausreichendem Maße anwesend bzw. erreichbar gewesen. Das Gericht wies die Klage allerdings ab.

    Die Entscheidungsgründe

    Das Gericht sah in der „Behandlungsleitung“ eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten. Nicht ausreichend sei lediglich die ärztliche Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit.

     

    Für die Abrechenbarkeit der OPS 8-980 sei zumindest die stundenweise Anwesenheit des Facharztes mit Zusatzweiterbildung Intensivmedizin erforderlich. Denn die Behandlungsleitung auf einer Intensivstation sei von den medizinischen Bedürfnissen der Patienten geprägt und weniger planbar als z. B. eine multimodale Schmerzbehandlung.

     

    Es komme daher auf die tatsächliche Ausübung der Behandlungsleitung an. Auch ohne Nennung einer konkreten Anwesenheitszeit im OPS 8.890 könne die Behandlungsleitung demnach nur ein Arzt/eine Ärztin ausüben, der/die nach dem Umfang seiner/ihrer Tätigkeit generell in der Lage sei, diese Verantwortung tatsächlich auch wahrzunehmen. Dies setze eine Anwesenheit vor Ort in einem bestimmten Mindestumfang voraus. Der Begriff „Behandlungsleitung“ erfordere nicht grundsätzlich 24-stündige Anwesenheit, vielmehr sei er funktional für die jeweilige Behandlung zu verstehen.

     

    MERKE | Ähnlich hatte schon das SG Aachen argumentiert (Urteil vom 07.07.2020, Az. S 14 KR 560/19). Hier ging es jedoch um den OPS 8-550. Die Honorarrückforderung der Krankenkasse scheiterte (CB 01/2021, Seite 11).

     

    Bei der intensivmedizinischen Komplexbehandlung erfordere die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin im Ergebnis aufgrund der medizinischen Gegebenheiten auch eine zumindest stundenweise Anwesenheit dieses Facharztes am Wochenende. Denn in der Intensivmedizin seien elementare Funktionen von Atmung, Kreislauf, Homöostase und Stoffwechsel lebensgefährlich bedroht oder gestört ‒ es könne dann zu Situationen kommen, in denen der Arzt ungeplant notfallmäßig reagieren müsse.

     

    Auf Intensivstationen könne jede Krisensituation aber auch ein Anlass dafür sein, die Behandlungsstrategie an sich einer kritischen Prüfung und ggf. Anpassung zu unterziehen. Diese Maßnahmen der Behandlungsleitung sollen nach dem OPS aber gerade durch Fachärztinnen und Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin durchgeführt werden. Wegen der schwerwiegenden Erkrankungen der Patientinnen und Patienten auf einer Intensivstation könnten behandlungsleitende Entscheidungen auch nicht in jedem Fall zwei Tage warten. Deswegen müssten die für die Behandlungsleitung qualifizierten Ärztinnen und Ärzte täglich verfügbar sein.

     

    Deshalb könne im Ergebnis die Behandlungsleitung durch eine Person, die nicht nur erfahren ist, sondern gerade die Zusatzweiterbildung absolviert hat, jedenfalls nicht über ganze Tage pausieren, wie im vorliegenden Fall.

     

    PRAXISTIPP | Die Krankenhausleitungen müssen sicherstellen, dass auch an Wochenenden und in Urlaubszeiten ein leitender Facharzt mit Zusatzweiterbildung Intensivmedizin zumindest stundenweise auf der Station anwesend ist. Eine telefonische Erreichbarkeit oder die Möglichkeit, den Facharzt von zu Hause hinzuzurufen, ist nicht ausreichend. Für weitere Handlungsempfehlungen an Krankenhausträger siehe CB 01/2021, Seite 11.

     

    Weiterführender Hinweis

    • „Behandlung gemäß OPS 8-550 erfordert keine ständiger Anwesenheit qualifizierter Vertreter“ (CB 01/2021, Seite 11)
    Quelle: Ausgabe 02 / 2021 | Seite 6 | ID 47020606