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  • · Fachbeitrag · Kommentar

    Die „GOÄneu“ verschimmelt

    von Dr. med. Bernhard Kleinken, Pulheim

    | Zum 01.01.2020 tritt die 5. Änderungsverordnung zur GOÄ in Kraft. Sie betrifft allerdings nur Leistungen im Zusammenhang mit der Leichenschau. Eine völlig neue GOÄ auf Grundlage des seit Jahren mit viel Aufwand von privater Krankenversicherung (PKV), Beihilfe und Bundesärztekammer (BÄK) ‒ und auch von Fachverbänden ‒ entwickelten Entwurfs der „GOÄneu“ ist nun aber auch offiziell in weite Ferne gerückt. |

    Spahn hält Einheitsgebührenordnung für „anschlussfähig“ ...

    Am 30.10.2019 sagte Bundesgesundheitsminister Spahn bei der Podiumsdiskussion von „DüsseldorfIN“ zu den Aussichten einer völlig neuen GOÄ, dass er zunächst den Bericht der im Koalitionsvertrag vereinbarten Honorarkommission zur Reform der Honorarordnungen von GKV und PKV abwarte (vorgesehen bis Ende 2019). Dann sei zu prüfen, ob die Kommission auch eine Antwort darauf gebe, ob es eine einheitliche Gebührenordnung für gesetzlich und für privat Versicherte geben solle und wie die dann aussehen könne. Solch ein Vorschlag sei ggf. „anschlussfähig“. Sei dies nicht der Fall, dann „wird in dieser Legislaturperiode nichts mehr passieren“.

    ... aber ist sie auch abstimmungsfähig?

    Diese Äußerungen muss man vor dem Hintergrund sehen, dass in Teilen der Koalition (und auch in starken Parteien außerhalb der Regierung) das Ziel ist, die „Reform“ solle zu einer Angleichung der Vergütungssysteme führen, möglichst zu einem einheitlichen System zur Vorbereitung einer „Bürgerversicherung“. Nach Einschätzung des Verfassers würde aber auch dann, wenn die Kommission einen „anschlussfähigen“ Vorschlag machen würde, noch lange Zeit vergehen, bis solch eine „Einheitsgebührenordnung“ überhaupt beschlossen werden könnte. Abgesehen von zu klärenden rechtlichen Fragen wären zwei völlig verschiedene Vergütungssysteme (der EBM mit weitgehender Pauschalierung und als Verteilungssystem der Einnahmen aus der GKV sowie die GOÄ als Gebührenordnung eines freien Berufs mit Einzelleistungsvergütungen) in eine für beide Systeme anwendbare Fassung zu bringen. Viele Fachleute halten das ohne Maßnahmen politischer Willkür für nicht machbar. Naheliegend wäre deshalb, dass man zunächst die längst fällige Reform der GOÄ durchführte. Dazu aber sagte der Minister, dass eine neue GOÄ mit dem jetzigen Koalitionspartner nicht hinzubekommen sei („Das werden die nicht machen“). Nach Auffassung des Verfassers dürften die Aussichten in anderen Koalitionen (z. B. Schwarz/Grün) auch nicht besser sein.

    Auch mit der GOÄneu gibt es nicht zur „Gewinner“

    Ob man der „GOÄneu“ als Grundlage einer GOÄ-Reform nun nachtrauern oder ob der unsicheren derzeitigen Lage erleichtert aufatmen soll, hängt natürlich von der persönlichen Betroffenheit ab. Wie bei jeder Reform würde es „Gewinner“ und „Verlierer“ geben. Details, die dem einzelnen Arzt eine Einschätzung erlauben würden, können hier leider nicht genannt werden. Das Projekt läuft unter ähnlicher Geheimhaltung wie seinerzeit das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Das, was „durchgesickert“ ist, erlaubt jedoch die Aussage, dass Chefärzte, insbesondere in den operativen Fächern, auf jeden Fall verlieren würden. Dazu alle Ärzte, bei denen sogenannte „technische Leistungen“ (bildgebende Verfahren, Labor) einen hohen Anteil des Honorars ausmachen. Alle Ärzte würden durch Änderungen im Paragrafenteil der GOÄ nachteilig betroffen sein. „Gewinner“ wären am ehesten dort zu erwarten, wo Leistungen mit relativ geringem Kostenanteil (die sogenannte „sprechende Medizin“) prägend sind.

     

    Nicht zuletzt wäre, auch mit der „GOÄ neu“ keine Anpassung der Arzthonorare an die Kosten- und Einkommensentwicklung gegenüber 1996 verbunden. Man spricht von „etwa 6 bis 8 Prozent“ gesamter Steigerung. Und das, wo schon 1996 statt der erreichten „etwa 12 Prozent“ eigentlich 20 bis 25 Prozent Steigerung nötig gewesen wären. Man vergleiche einmal die Indices des statistischen Bundesamtes und die Entwicklung z. B. im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

     

    • Die GOÄ-Reform ‒ eine unendliche Geschichte, auch für die Redaktion

    Es war einmal im Jahr 2003. Seinerzeit hat die damalige rot-grüne Bundesregierung die GOÄ als „reformbedürftig“ bezeichnet ‒ eine Reaktion auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU. Zu diesem Zeitpunkt lagen die letzten Änderungen der GOÄ „erst“ sieben Jahre zurück. Denn die GOÄ ist bekanntermaßen zuletzt 1996 in großem Umfang geändert worden. In weiten Teilen ist sie auch heute noch auf dem Stand von 1982!

     

    2006 bewegte sich dann wieder etwas, eine neue GOÄ sei „ab 2008 in Planung!“. Damals stand bereits im Raum, dass die Private Krankenversicherung (PKV) abgeschafft und in eine Bürgerversicherung einbezogen werden soll. In den Eckpunkten der Großen Koalition zu einer Gesundheitsreform vom Juli 2006 blieb die PKV als Alternative zur GKV jedoch erhalten und die Bundesärztekammer (BÄK) leistete bereits Vorarbeiten für die neue GOÄ: Schon im Frühjahr 2007 sollte ein inhaltlich aktualisiertes und neu strukturiertes Gebührenverzeichnis zur GOÄ (ohne Bewertungen) erstellt und in die politische Diskussion eingebracht werden. Tja, und da blieb es dann erstmal einige Jahre ...

     

    Ende 2010 hatten aber sowohl PKV als auch BÄK ihre Konzepte erstellt und der CB gewährte einen Einblick in die Details. Titel des damaligen Beitrags: „Quo vadis GOÄ? Konträre Konzepte von BÄK und PKV“ (CB 12/2010, Seite 1). Wenig hoffnungsvoll mutmaßte unser Autor Dr. Kleinken denn auch, dass „mit einer neuen GOÄ nicht vor Ende 2012/Anfang 2013“ zu rechnen sei. Hätte er doch Recht gehabt! Denn auch 2013 ist nichts passiert.

     

    Ende 2013 kommt es immerhin zu einer Rahmenvereinbarung zur Novellierung der GOÄ zwischen dem PKV-Verband und der BÄK. Im Jahr 2014 wird die Anpassung der GOÄ laut dem damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch immer als „erforderlich, ja überfällig“ angesehen und der damalige BÄK-Präsident Montgomery sagt aus, dass sich die Reform der GOÄ auf der Zielgeraden befände: „... wir befinden uns in der letzten Runde der Detailverhandlungen“. Anfang 2015 gibt dann der (inzwischen ebenfalls damalige) Verhandlungsführer der BÄK Theodor Windhorst bekannt: „... wir sind noch nie so weit gewesen ... über das Vergütungsniveau lässt sich aber noch nichts sagen ...“

     

    Inzwischen hat sich Theodor Windhorst lange zurückgezogen und sein Nachfolger Klaus Reinhardt (inzwischen auch BÄK-Präsident) verkündete am 09.10.2019 in der Ärzte Zeitung: „Im November erhalten alle, die an den Arbeiten beteiligt waren, eine fertige arzt-eigene GOÄ [...], dann sind wir [...] fertig mit Legendierung und Preisen.“

    ... to be continued.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2019 | Seite 11 | ID 46226121