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  • · Fachbeitrag · Honorarrecht

    Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ: Wann ist die vereinbarte Vergütung überhöht?

    von RA, FA MedR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover

    | Der Abschluss einer „abweichenden Vereinbarung“ ‒ meist „Honorarvereinbarung“ oder „Abdingung“ genannt ‒ gilt als eine der wenigen Freiheiten, die dem Chefarzt bei seiner ansonsten bis ins letzte Detail „durchregulierten“ Vergütungsgestaltung bleiben. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat diesbezüglich nun dezidiert bestätigt, dass Honorarvereinbarungen mit dem Patienten nur wirksam getroffen werden können, wenn sie individuell besprochen und berechnet wurden ( Urteil vom 14.01.2020, Az. 9 U 39/19 ). | 

    Der Fall

    Ein Patient hatte mit seinem Zahnarzt eine Honorarvereinbarung gemäß § 2 GOZ geschlossen, die durchgängig Honoraraufwendungen oberhalb des 3,5-fachen Steigerungssatzes vorsahen. Die private Krankenversicherung (PKV) verweigerte die Erstattung, weil sie auf die GOZ-Höchstsätze (3,5-fach) begrenzt sei. Zudem sei die Honorarvereinbarung formal unwirksam, weil nicht auf das individuelle Behandlungserfordernis abgestimmt. Die Klage des Patienten hiergegen hatte vor dem OLG Köln Erfolg, weshalb die PKV das Honorar zu erstatten und die Kosten des Rechtstreits zu tragen hatte.

     

    Zur Wirksamkeit der Honorarvereinbarung

    Für eine wirksame Honorarvereinbarung fordern sowohl § 2 GOÄ als auch § 2 GOZ eine persönliche Absprache im Einzelfall zwischen Arzt/Zahnarzt und Patienten. Im vorliegenden Fall wurde dem Patienten vor dem Gespräch ein Ausdruck der abzuschließenden schriftlichen Gebührenvereinbarung sowie deren Erläuterungen zur Durchsicht im Wartezimmer zur Verfügung gestellt. Im anschließenden persönlichen Gespräch habe der als Zeuge gehörte Zahnarzt mit dem Patienten über den Inhalt der ausgehändigten Gebührenvereinbarung gesprochen und dieser hatte Gelegenheit, Fragen zu stellen. Durch seine Unterschrift habe der Patient sich mit der Gebührenvereinbarung einverstanden erklärt. Dies sei für eine wirksame Honorarvereinbarung ausreichend.

    Beschränkung der Leistungspflicht der PKV

    Gemäß § 192 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist eine PKV zur Erstattung von Behandlungsleistungen im vereinbarten Umfang nur insoweit verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Ob ein solches Missverhältnis vorliegt, muss die PKV beweisen. Die Regelung des § 192 Abs. 2 VVG betrifft zwar nur das Vertragsverhältnis zwischen dem Patienten und seiner PKV. Im Verhältnis zwischen dem Arzt und seinen Patienten gelten allerdings die gleichen Grundsätze über die §§ 134 und 138 BGB.

     

    Ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Arztes und der Gegenleistung des Patienten (Vergütung) lässt sich nach Auffassung des OLG Köln nur über die Bestimmung des objektiven Werts der Leistung im Rahmen eines Marktvergleichs ermitteln, den die beklagte PKV in Bezug auf die im Streit stehenden Leistungen nicht durchgeführt hatte. Somit könne sie sich nicht auf § 192 Abs. 2 VVG berufen. Eine Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung wegen Wuchers gemäß § 138 BGB scheide ebenfalls aus, da ein auffälliges Missverhältnis nicht dargelegt sei.

     

    MERKE | Das OLG Köln hat in den Entscheidungsgründen des Urteils darauf hingewiesen, dass man sich auch auf den Standpunkt stellen könnte, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bereits dann vorliegt, wenn die Vergütung das doppelte des üblichen Werts beträgt, man dieser Auffassung aber nicht näher nachgegangen sei, weil die beklagte Krankenversicherung es nicht vermocht habe, zunächst einmal darzulegen, was denn der übliche Wert sei, um im nächsten Schritt zu einem Missverhältnis zu kommen.

     

    Praktische Folgen des Urteils

    Aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt sich, dass es nicht schaden kann, wenn der Arzt einen Zeugen zu dem Gespräch mit dem Patienten hinzuzieht, der (im Falle eines Prozesses) bestätigen kann, dass dieses Gespräch auch tatsächlich stattgefunden hat und der Patient erst im Anschluss daran seine Unterschrift unter die Honorarvereinbarung getätigt hat.

     

    MERKE | Der Chefarzt kann für seine Honorarvereinbarungen auch durchaus auf ein Formular zurückgreifen. Er sollte allerdings unbedingt darauf achten, dass die einzelnen GOÄ-Nummern, die Leistungsbeschreibungen, die vereinbarten Steigerungssätze sowie der sich daraus jeweils ergebende Betrag für die einzelne Leistung bei jedem Patienten individuell besprochen und berechnet werden. Es empfiehlt sich, für diese Parameter im Formular Freistellungen vorzusehen, die dann im Verlauf des Gesprächs mit dem Patienten handschriftlich ausgefüllt werden.

     

    Hinsichtlich der Höhe der Vergütung ergibt sich aus dem Urteil im Ergebnis, dass nicht jeder Steigerungssatz vereinbart werden kann. Über eine Begrenzung der Steigerungssätze muss der Höhe nach schon nachgedacht werden.

     

    Die Ausführungen des OLG Köln lassen den Schluss zu, dass bei der Vereinbarung eines 7-fachen Steigerungssatzes im Rahmen einer Honorarvereinbarung möglicherweise schon Begründungsschwierigkeiten auftauchen können, wenn der übliche Wert für die Leistung beim 3,5-fachen Steigerungssatz oder darunter liegt. Gelingt demjenigen, der zahlen soll, hier ein Marktvergleich, d. h., kann er darlegen, was der übliche Wert für die Leistung ist, könnten schon erhöhte Begründungserfordernisse auf den Behandler zukommen. Eine Übermaßvergütung wird sich dagegen wohl nur schwer nachweisen lassen, wenn die vereinbarten Steigerungssätze in der Honorarvereinbarung zwischen dem 4-fachen und dem 6,5-fachen Steigerungssatz liegen.

     

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    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 2 | ID 46850154