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  • 01.06.2006 | Aktuelle Rechtsprechung

    LAG Düsseldorf: Chefarzt für Fehler einer Assistenzärztin mitverantwortlich

    • „Der Chefarzt einer Krankenhausabteilung hat sich als für die Ausbildung, Anleitung und Überwachung von Assistenzärzten verantwortlicher Arzt darum zu kümmern, dass deren Maßnahmen den medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen eines Facharztes entsprechen. Bei einer Visite von Patienten ist es Pflicht des Chefarztes, sich über die vorgenommenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen informieren zu lassen und die notwendigen fachärztlichen Entscheidungen zu treffen ...“

     

    • „Verlässt sich eine Assistenzärztin darauf, dass sie über ´kritische´ Befunde eines Patienten durch das Labor des Krankenhauses informiert wird, erinnert aber auch der Chefarzt bei seiner Visite nicht an die noch fehlenden Laborbefunde, kann dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung der Assistenzärztin zuzumuten sein, wenn er nicht auch das Arbeitsverhältnis mit dem Chefarzt gekündigt oder diesem jedenfalls eine Abmahnung erteilt hat ...“

     

    Das sind zwei Leitsätze aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. November 2005 (Az: 9 Sa 993/05). Folgender Fall lag der Entscheidung zugrunde:  

    Der Fall

    Die Assistenzärztin hatte am 2. Februar 2005 auf ihrer Station statt wie üblich 13 Patienten nun 48 Patienten zu betreuen. Unter anderem waren zwei Ärzte in Urlaub. Ein 75-jähriger Patient, der an Herz- und Niereninsuffizienz sowie Belastungsdyspnoe litt, kam auf die Station. Bei einer Röntgenbesprechung wurde über den Fall des Patienten gesprochen, anschließend fand eine Chefarzt-Visite statt. Zu dieser Zeit befanden sich jedoch keine Laborbefunde in dessen Patientenmappe. Auch hatte der Chefarzt die Ärztin nicht auf fehlende Laborwerte angesprochen. Da die krankhaften Laborwerte nicht vorlagen, wurde es versäumt, entsprechende ärztliche Maßnahmen einzuleiten. Am nächsten Tag kollabierte der Patient und er musste durch einen herbeigerufenen Oberarzt reanimiert werden. Dieser informierte den Geschäftsführer der Klinik. Daraufhin wurde der Ärztin fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt.  

    Das Urteil

    Die Ärztin wehrte sich gegen die Kündigung und hatte damit vor dem Arbeitsgericht Wuppertal Erfolg. Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Kündigung als unberechtigt zurück. Die Begründung lautete unter anderem:  

     

    Aus der Urteilsbegründung

    „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Patient aus der Übernahme seiner Behandlung durch einen Krankenhausträger einen Anspruch auf Behandlung, die dem Standard eines erfahrenen Facharztes entspricht. Die Gewährleistung dieses Standards obliegt dem Chefarzt der jeweiligen Krankenhausabteilung. Dessen Sicherung kann dieser entweder selbst übernehmen oder sie auf seinen als Facharzt ausgebildeten Oberarzt delegieren. Gegenüber der sich noch in der Weiterbildung zur Fachärztin befindlichen Klägerin hatte sich der Chefarzt als für die Ausbildung, Anleitung und Überwachung verantwortlicher Arzt darum zu kümmern, ob ihre Maßnahmen den medizinischen Erfahrungen und Kenntnissen eines Facharztes entsprachen ...  

     

    Da der Chefarzt bei dem Patienten selbst am 2. Februar 2005 Visite gemacht hat, war es dessen selbstverständliche ärztliche Pflicht, sich über die vorgenommenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen informieren zu lassen und die notwendigen fachärztlichen Entscheidungen zu treffen... Nach der Darstellung der Klägerin ... hat der Chefarzt auch tatsächlich die Befundmappe des Patienten F. sorgfältig durchgesehen. Dennoch hat er ebenfalls nichts – etwa durch eine Aufforderung an die Klägerin – zur Beschaffung der fehlenden Laborbefunde veranlasst, obwohl solche zur Zeit der Chefarzt-Visite nach dem vorliegenden Computerausdruck bereits seit mehr als zwei Stunden freigegeben waren.“  

    Versäumnisse des Chefarztes hätten arbeitsrechtliche Konsequenzen haben müssen