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  • · Fachbeitrag · Neues Nachweisgesetz

    Was Arbeitgeber bei Arbeitsverträgen ab dem 1.8.22 beachten müssen

    von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

    | Das Nachweisgesetz (Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen ‒ NachwG) wurde zum 1.8.22 wegen europarechtlicher Vorgaben geändert. Arbeitsverträge müssen angepasst werden, um die strengeren Regeln einzuhalten. Was sind die praktischen Konsequenzen? |

    1. Hintergrund

    Schon bisher musste der Arbeitgeber nach dem NachwG (20.7.95, BGBl I, 946, geändert durch Gesetz v. 11.8.14, BGBl I, 1348) die wichtigsten Bedingungen des Arbeitsvertrags (Beginn des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort, Befristung; Urlaubsumfang, Kündigung etc.) schriftlich niederlegen und dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach seiner Einstellung aushändigen.

     

    Mit dem neuen Nachweisgesetz wird die Liste der aufzuzeichnenden Vertragsklauseln deutlich länger. Hintergrund ist die Richtlinie der Europäischen Union (EU-Richtlinie) über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen (EU-Richtlinie 2019/1152 ‒ Arbeitsbedingungen-RL, ABl. L 186 vom 11.7.19, Seite 105), die bis Ende Juli 2022 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden muss (Art. 22 der EU-Richtlinie).

     

    Die Arbeitsbedingungenrichtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Zur Erreichung dieses Ziels sieht sie folgende Maßnahmen vor:

     

    • Erweiterung der bereits in der Nachweisrichtlinie vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses (sogenannte Nachweispflichten)

     

    • Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie Pflichtfortbildungen

     

    Dieser Umsetzungspflicht hat der Bundesgesetzgeber jetzt entsprochen: Nach dem Beschluss des Bundestags vom 23.6.22 (BT-Drs. 20/1636: www.iww.de/s6626; BT-Drs. 20/2245: www.iww.de/s6627; BT-Drs. 20/2392: www.iww.de/s6628) hat am 8.7.22 auch der Bundesrat dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung (BT-Drs. 20/2392) zugestimmt.

     

    Damit tritt das Gesetz fristgerecht am 1.8.22 in Kraft. Die Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie im Bereich des Zivilrechts erfolgt hinsichtlich der Nachweispflichten durch Änderungen im Nachweisgesetz. Zudem werden die bisher in diesem Bereich bestehenden Regelungen zu den Nachweispflichten im Berufsbildungsgesetz, in der Handwerksordnung, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und im Seearbeitsgesetz angepasst.

    2. Was ist ab dem 1.8.22 zusätzlich aufzuzeichnen?

    Nach § 2 Abs. 1 S. 1 NachweisG sind die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Zusätzlich ist hierbei nach dem neuen Nachweisgesetz ab dem 1.8.22 insbesondere aufzuzeichnen:

     

    • Das Ende des Arbeitsverhältnisses bei Befristung und die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart

     

    • Der vom Arbeitnehmer bestimmbare Arbeitsort, sofern vereinbart

     

    • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind und deren Fälligkeit, sowie die Art der Auszahlung

     

    • Die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen

     

    • Sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Anordnungsvoraussetzungen

     

    • Der etwaige Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung

     

    • Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist

     

    • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage

    3. Worauf müssen Arbeitgeber jetzt achten?

    3.1 Nachweispflichten bei Neueinstellungen ab dem 1.8.22

    Die neuen Nachweispflichten gelten für alle Neueinstellungen ab dem 1.8.22. Anders als bisher muss der Arbeitgeber aber bereits am ersten Arbeitstag dem Arbeitnehmer die Niederschrift mit den Informationen über den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, das Arbeitsentgelt und seine Zusammensetzung, sowie über die Arbeitszeit vorlegen. Die weiteren Nachweise müssen spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen nachgereicht werden.

     

    PRAXISTIPP | Für Neueinstellungen ab dem 1.8.22 sollten Arbeitgeber neue Musterarbeitsverträge einsetzen, die den verschärften Anforderungen des Nachweisgesetzes entsprechen.

     

    3.2 Was gilt bei Bestandsverträgen?

    Beschäftigte, die vor dem 1.8.22 eingestellt wurden, müssen nur dann schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet werden, wenn sie den Arbeitgeber dazu auffordern. Dann gilt eine Frist von sieben Tagen. Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und geltende Kollektivvereinbarungen müssen spätestens innerhalb eines Monats bereitgestellt werden.

     

    Ändern sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen in bestehenden Arbeitsverhältnissen, dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer spätestens am Tag der Änderung unterrichtet haben. Gesetzesänderungen oder Änderungen in Tarifverträgen oder Betriebs- oder Dienstvereinbarungen müssen weiterhin nicht schriftlich angezeigt werden.

     

    PRAXISTIPP | Bei Bestandsbeschäftigten, die schon vor dem 1.8.22 im Betrieb sind, sollten Arbeitgeber auf Nachfragen vorbereitet sein und ein Standardschreiben zur Information über die (neuen) wesentlichen Arbeitsbedingungen bereithalten.

     

    4. Achtung: Bei Nichtbeachtung droht ein Bußgeld!

    Neu im Gesetz ist, dass dem Arbeitgeber bei Verstößen gegen die Nachweispflichten ein Bußgeld von bis zu 2.000 EUR droht (§ 4 Abs. 1, 2 NachweisG).

     

    FAZIT | Richtig ist, dass ein Mindestmaß an Aufzeichnungspflichten im Arbeitsvertragsrecht notwendig ist. Dennoch ist weithin verbreitet, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten überhaupt keinen Arbeitsvertrag aushändigen. Das ist unbefriedigend und führt spätestens im Streitfall zu erheblichen Problemen ‒ vor allem für Arbeitnehmer, die ihre arbeitsvertraglichen Rechte nachweisen müssen. Die Umstellung auf die neuen Anforderungen des Nachweisgesetzes kommt die deutschen Arbeitgeber teuer zu stehen: Die Bundesregierung beziffert den Umstellungsaufwand auf rund 8,72 Mrd. EUR ‒ ein immenser Betrag. Der hiermit verbundene Bürokratieaufwand in den Betrieben zeigt, dass fragwürdige Bürokratie zunehmend nicht hausgemacht, sondern auf EU-Ebene entsteht.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2022 | Seite 201 | ID 48459988

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