Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Die Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers

    von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Mediator (CfM), Köln

    | Der Geschäftsführer einer GmbH hat vielfältige Verpflichtungen gegenüber seiner Gesellschaft und macht sich bei deren Verletzung dieser gegenüber schadenersatzpflichtig. Diese Innenhaftung stellt den haftungsrechtlichen Grundsatz dar. Jedoch sind auch Ausnahmen von diesem Grundsatz gegeben, d.h., unter bestimmten Voraussetzungen kann nicht nur die Gesellschaft selbst, sondern können auch außenstehende Dritte Schadenersatzansprüche gegenüber einem Geschäftsführer geltend machen. In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH sich erneut mit den Voraussetzungen einer Fallvariante der Außenhaftung beschäftigt ( BGH 18.6.14, I ZR 242/12, Urteil unter dejure.org ) |

    1. Allgemeines zur Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers

    Wie einleitend bereits gesagt, besteht im Grundsatz lediglich eine Innenhaftung des Geschäftsführers. Der grundlegende Regelungsgedanke bei Kapitalgesellschaften -- also auch der GmbH - ist, dass Dritten deren Vermögen zur Verfügung steht, um daraus bestehende Ansprüche zu realisieren. Ebenso wie die Gesellschafter der GmbH prinzipiell nur dieser, aber nicht außenstehenden Gläubigern gegenüber Leistungspflichten wegen Verbindlichkeiten der GmbH haben, gilt dies auch für den Geschäftsführer.

     

    Etwas anderes kann jedoch in zwei Konstellationen gelten: Eine Außenhaftung kann dann in Betracht kommen, wenn die GmbH selbst nicht mehr leistungsfähig ist, ihre Verpflichtungen also nicht erfüllen kann und dies seine Ursache gerade im Handeln des Geschäftsführers hat. Als zweite Fallgruppe kommen Sachverhalte in Betracht, in denen der Geschäftsführer ein Verhalten gezeigt hat, das von der Rechtsordnung schlichtweg missbilligt wird.

    2. Einzelne Anspruchsgrundlagen

    Versucht man die Außenhaftung des Geschäftsführers zu kategorisieren, so lassen sich einige große besonders praxisrelevante Gruppen von Anspruchsgrundlagen bilden.

     

    2.1 Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss

    Kennzeichnend für Fallgestaltungen dieser Art ist, dass der Geschäftsführer beim Abschluss eines Vertrags zwischen der GmbH und einem Dritten besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt (BGH 3.10.89, XI ZR 157/88, DB 89, 2320).

     

     

    • Beispiel

    G ist Geschäftsführer der A-GmbH, L ist ein Lieferant der Gesellschaft. Der Inhaber von L kennt A bereits seit vielen Jahren und auch aus dessen vorherigen Tätigkeiten bei anderen Gesellschaften. G hat sich dabei in L´s Augen immer als in besonderer Weise seriös und zuverlässig erwiesen und in der Vergangenheit stets persönlich dafür gesorgt, dass die Geschäftsbeziehungen der von ihm vertretenen Gesellschaften ordnungsgemäß abgewickelt wurden.

     

    Die A-GmbH ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, da mehrere Kunden den Ausgleich der ihnen von der A-GmbH gestellten Rechnungen verweigern. Die Zahlungsverweigerung ist damit begründet worden, dass die von der A-GmbH gelieferten Produkte an Mängeln gelitten haben. Um einen erteilten Auftrag abwickeln zu können, benötigt die A-GmbH die von L gelieferten Vormaterialien. L hat jedoch von den Gerüchten gehört, dass die A-GmbH in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei und dies auf die schlechte Qualität ihrer letzten Lieferungen zurückzuführen sei. L zögert daher, die Vormaterialien zu liefern.

     

    In dieser Situation wendet sich G an L und weist auf die langjährige gute persönliche Zusammenarbeit hin und betont, dass L sich doch immer auf ihn, G, habe verlassen können. Auch dieses Mal werde L´s Vertrauen nicht enttäuscht werden. Im Hinblick auf die guten Erfahrungen, die L mit G gemacht hat, werden die Vormaterialien dann doch geliefert.

     

    Letzten Endes zeigt sich aber, dass die A-GmbH nicht in der Lage ist, den Kaufpreis dafür zu zahlen und die Gesellschaft fällt schließlich in Insolvenz.

     

    In einer solchen Situation ist die Grundlage für eine persönliche Haftung des Geschäftsführers G gegenüber L gelegt, da er ausdrücklich auf die guten Erfahrungen und die langjährige gute Beziehung hingewiesen hat, die zu ihm persönlich bestand.

     

    2.2 Haftung aus Organisationsverschulden

    Hintergrund dieser Haftungskategorie ist, dass ein Geschäftsführer - zunächst im Innenverhältnis zu seiner Gesellschaft - verpflichtet ist, diese so zu organisieren, dass für die Gesellschaft selbst Schäden nicht entstehen. Allerdings wird aus dieser Innenverpflichtung dann eine Grundlage für eine Außenhaftung, wenn durch eine Verletzung der Organisationspflicht außenstehende Dritte zu Schaden kommen.

     

    Dabei ist allerdings einschränkend zu berücksichtigen, dass nicht jede gesellschaftsinterne Fehlleistung, die zu Schäden an Rechtsgütern Dritter führt, eine Außenhaftung des Geschäftsführers begründet. Vielmehr gilt, dass eine Haftung des Geschäftsführers regelmäßig dann ausscheidet, wenn er mit den fraglichen Aufgaben qualifizierte Mitarbeiter betraut und diese ausreichend instruiert wurden.

     

     

    • Beispiel

    (angelehnt an den Sachverhalt, der dem Beschluss des OLG Stuttgart 24.9.08, 5 W 9/08, NJW 08, 2514 zugrunde lag):

     

    G ist Geschäftsführer der B-GmbH, die einen Einzelhandel mit Möbeln betreibt. Da die Gesellschaft im Präsenzhandel tätig ist, hält sie vor ihrer Verkaufsfläche eine größere Anzahl von Parkplätzen für ihre Kunden bereit. G hat den Mitarbeiter Z der GmbH damit betraut, dafür Sorge zu tragen, dass die Parkfläche in einem verkehrssicheren Zustand ist. Dazu gehört die regelmäßige Kontrolle der Fläche auf etwaige Beschädigungen, der Winterdienst und ganz allgemein die Pflege der Fläche.

     

    In der Vergangenheit haben sich mehrfach Kunden darüber beschwert, dass Pflastersteine auf der Parkfläche lose sind und eine Gefahrenquelle darstellen. Ein Mitarbeiter des Unternehmens ist in jüngster Vergangenheit über einen losen Pflasterstein gestolpert und hat sich beim Sturz einige blaue Flecken zugezogen.

    Der Kunde K des Unternehmens ist nunmehr ebenfalls wegen eines losen Pflastersteins gestürzt und hat sich dabei eine Bruch des Oberschenkelhalsknochens zugezogen. K nimmt einerseits die B-GmbH und andererseits auch deren Geschäftsführer G auf Schadenersatz in Anspruch.

     

    In einer solchen Konstellation kommt eine Schadenersatzverpflichtung des G unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens in Betracht. Dieser hat zwar mit Z einen Mitarbeiter mit der Pflege der Parkplätze beauftragt, Z hat sich jedoch offenkundig als unzuverlässig erwiesen, da bereits in der Vergangenheit Klagen über den Zustand der Parkplätze erhoben wurden und sich ein anderer Mitarbeiter auf dem Parkplatz auch leicht verletzt hat. In einer solchen Situation hätte G den zuständigen Mitarbeiter entweder strenger kontrollieren oder austauschen müssen.

     

    2.3 Haftung wegen Verletzung von Schutzgesetzen

    Nach § 823 Abs. 2 BGB ist derjenige zum Schadenersatz verpflichtet, der ein dem Schutz eines anderen dienendes Gesetz verletzt. In der Rechtsprechung ist für eine ganze Reihe von Vorschriften anerkannt, dass es sich dabei um Schutzgesetze handelt, deren Verletzung dazu führt, dass ein GmbH-Geschäftsführer einem geschädigten Dritten auf Ersatz des entstandenen Schadens haftet. In der Praxis besonders relevant sind dabei die folgenden Fälle, neben denen aber zahlreiche weitere in Betracht kommen:

     

    2.3.1 Verstoß gegen § 266a StGB

    Nach § 266a StGB macht sich strafbar, wer den Arbeitnehmeranteil an einem Sozialversicherungsbeitrag vorenthält. Ein Vorenthalten i. S. dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Beiträge am Fälligkeitstermin nicht bezahlt werden und der Gesellschaft die Zahlung möglich wäre. Ein Fall der Unmöglichkeit der Zahlung liegt dabei nur dann vor, wenn die Gesellschaft im Fälligkeitszeitpunkt schlechthin außer Stande war, die nötigen Gelder aufzubringen, um die Arbeitnehmerbeiträge abzuführen.

     

    Ohne Bedeutung ist dabei, wenn die Gesellschaft für den Fall der Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht in der Lage wäre, andere Verbindlichkeiten zu bedienen oder umgekehrt formuliert, immer dann, wenn die Gesellschaft an andere Gläubiger zahlt, liegt keine Unmöglichkeit im hier relevanten Sinne vor (BGH 2.6.08, II ZR 27/07, GmbHR 08, 815).

     

    2.3.2 Haftung wegen Insolvenzverschleppung, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO

    Nach § 15 Abs. 1 S. 1 InsO ist der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes unverzüglich, spätestens aber nach drei Wochen, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Verletzt er diese Verpflichtung, ist er den Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der gerade wegen der verspäteten oder unterlassenen Antragstellung entsteht. Zu differenzieren ist dabei zwischen einerseits den Altgläubigern und andererseits den Neugläubigern. Altgläubiger sind diejenigen, deren Ansprüche gegen die Gesellschaft bereits bestanden haben, bevor Insolvenzreife eintrat. Neugläubiger hingegen sind diejenigen, deren Ansprüche gegen die Gesellschaft erst nach Insolvenzreife entstanden sind.

     

    Die Altgläubiger haben lediglich einen Anspruch auf Ersatz des sogenannten Quotenschadens. Dieser besteht aus dem Differenzbetrag zwischen dem, was die Gläubiger erhalten hätten, wenn ein Eröffnungsantrag rechtzeitig gestellt worden wäre und dem was sie tatsächlich erhalten haben, also mit anderen Worten: Es ist zu vergleichen die Insolvenzquote bei rechtzeitiger und bei tatsächlicher Antragstellung (BGH 6.6.94, II ZR 292/91, BGHZ 126, 181).

     

    Der Schadenersatzanspruch der Neugläubiger geht hingegen weiter. Diese können Ersatz des sogenannten negativen Interesses verlangen. Dies bedeutet, dass sie vom Geschäftsführer so zu stellen sind, wie sie stehen würden, wenn sie mit der Gesellschaft keinen Vertrag abgeschlossen hätten.

     

    • Beispiel

    G ist Geschäftsführer der C-GmbH. Diese bestellt nach Eintritt der Insolvenzreife beim Lieferanten L verschiedene Materialien. L stellt dafür einen Kaufpreis von 98.000 EUR in Rechnung. Die von L auf die Ware aufgeschlagene Marge beträgt 40 %. Der Einkaufspreis des L liegt also bei 70.000 EUR. Der ersatzfähige Schaden von L beträgt also 70.000 EUR und nicht 98.000 EUR. In Abzug zu bringen ist dabei noch das, was L durch die Insolvenzquote erhält.

     

    2.4 Haftung bei Wettbewerbsverstößen

    Ein in letzter Zeit besonders relevanter Bereich ist die Haftung des Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße der GmbH. Auf eine solche Fallgestaltung bezieht sich auch die eingangs erwähnte Entscheidung des BGH vom 18.6.14.

     

    Im Grundsatz gilt hier, dass der Geschäftsführer neben der Gesellschaft auf Schadenersatz haftet, wenn er den Wettbewerbsverstoß entweder selbst begangen hat oder er den Verstoß eines Mitarbeiters kennt und pflichtwidrig nicht einschreitet.

     

     

     

    In der vorstehend genannten Entscheidung hat der BGH noch eine andere haftungsbegründende Konstellation angesprochen: Dann, wenn der Geschäftsführer ein auf eine Rechtsverletzung angelegtes Geschäftsmodell in der Gesellschaft betreibt, kommt ebenfalls eine Außenhaftung in Betracht.

     

    Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine GmbH, die Gaslieferverträge vertrieb und sich dazu selbstständiger Handelsvertreter bediente. Insoweit war der Vorwurf erhoben worden, dass die eingesetzten Werber Verbraucher mit unzutreffenden und irreführenden Angaben zur Kündigung ihrer bestehenden Gaslieferverträge veranlasst hatten. Im konkreten Fall sah der BGH allerdings keinen Fall gegeben, in dem ein solches auf Rechtsverletzung angelegtes Geschäftsmodell vorgelegen hat.

    3. Zusammenfassung

    • Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer einer GmbH bei pflichtwidrigem Handeln nur im Innenverhältnis, d.h. im Verhältnis zu der von ihm vertretenen GmbH.

     

    • In Ausnahmefällen kommt jedoch auch eine Außenhaftung, d.h. eine Haftung gegenüber Dritten in Betracht.

     

    • Typische Fallgruppen sind dabei
      • die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss,
      • die Haftung wegen Organisationsverschuldens,
      • die Haftung wegen Verletzung von Schutzgesetzen und
      • die Haftung in wettbewerbsrechtlichen Zusammenhängen.

     

    • Neben den vorstehend genannten Anknüpfungspunkten für eine Haftung kommen auch weitere Anspruchsgrundlagen in Betracht, die jedoch wegen ihrer geringeren Bedeutung nicht im Einzelnen dargestellt wurden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 7. Aufl., 2013
    • Paefgen, Walter, Organhaftung: Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven, AG 2014, 554
    • Nietsch, Michael, Geschäftsführerhaftung bei der GmbH & Co. KG, GmbHR 2014, 348
    • Beckmann, Martin, Haftung für mangelhafte Compliance-Organisation: Ein Thema auch für GmbH-Geschäftsführer, GmbHR 2014, R 113
    • Podewils, Felix, Schadenersatzansprüche gegen den GmbH-Geschäftsführer, GmbH-StB, 2014, 177
    • Janert, Ingo, Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Beschränkung der Geschäftsführerhaftung, BB, 2013, 3016
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 255 | ID 42936106

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents