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  • 02.11.2010

    Finanzgericht des Saarlandes: Gerichtsbescheid vom 13.01.2010 – 1 K 1101/05

    1. Wird ein Restaurant aufgegeben und ein neues Restaurant eröffnet, ist eine Aufgabebilanz zu erstellen, wenn keine bloße Betriebsverlegung anzunehmen ist, weil sich die Betriebssitze in unterschiedlichen Ortslagen befinden, ein völlig anderer Kundenkreis angesprochen wird und keine organisatorischen, finanziellen oder wirtschaftlichen Beziehung zwischen den Restaurants bestehen. Dies ergibt sich zweifelsfrei bereits aus den von der Klägerin selbst ausgefüllten amtlichen Gewerbeunterlagen „Gewerbeabmeldung”, „Gewerbeanmeldung”, „Betriebsaufgabe”, „Neuerrichtung des Betriebs”) und aus der Verwendung unterschiedlicher Namen für die Restaurantbetriebe. Die bloße Mitnahme von Küchengeräten ist nicht als Fortführung des Aktivvermögens anzusehen.

    2. Allein die Tatsache, dass der Rohgewinnaufschlag den Richtwerten entspricht, verleiht den für ein Restaurant geführten Aufzeichnungen nicht die – einer Schätzung entgegenstehende – Glaubwürdigkeit der Buchführung (hier: Fertigung der Zusammenstellung der Tagesumsätze erstmals während des Klageverfahrens, Ausweis sehr hoher, im unvereinbaren Gegensatz zu den jeweiligen Tageskasseneinnahmen stehender und der Vermeidung von Kassenfehlbeträgen dienender Kassenbestände; unplausible Einlagen und Entnahmen; drei Belege mit geringen zweistelligen DM-Werten über den Einkauf von Obst und Gemüse in einem Monat bei täglichem Salatbuffet; Restaurant in exponierter Innenstadtlage mit Tagesumsätzen von weniger als 200 DM, häufig aber auch weniger als 100 DM).

    3. Leistet ein Unternehmer Zahlungen, die vorgeblich der Sanierung seines Unternehmens dienen, – ohne gem. § 160 AO den tatsächlicher Empfänger von Zahlungen zu benennen – an eine inländische Scheinfirma, scheidet ein Betriebsausgabenabzug aus. Eine Scheingesellschaft lässt sich vermuten, wenn neben der Rechnungsstellung ohne detaillierte Leistungsbeschreibung auch die Arbeitsabwicklung ohne Leistungsnachweise sowie die Zahlungsweise in bar und ohne Abschlagzahlungen erfolgt.


    IM NAMEN DES VOLKES

    GERICHTSBESCHEID

    In dem Rechtsstreit

    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Präsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht Hardenbicker und die Richterin am Finanzgericht …

    am 13. Januar 2010 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Tatbestand

    Die Klägerin betrieb in den Streitjahren nacheinander zwei Restaurants:

    > vom 26. Januar bis zum 9. Oktober 1996 in einem Stadtteil von X das Restaurant „A”. Die Räume mietete sie von ihrem Schwager. Ein Mietvertrag wurde nicht vorgelegt.

    > vom 28. September 1996 bis Oktober 2001 in der Innenstadt von X das Restaurant „B”. Die Räume mietete sie von ihrem Ehemann. Der Betrieb wurde am 26. Oktober 2001 zum selben Tage abgemeldet und vom Bruder der Klägerin unter anderem Namen fortgeführt.

    Die Klägerin gab in der Gewerbeabmeldung für die „Speisewirtschaft A” als „Datum der Betriebsaufgabe” den 9. Oktober 1996 an. Am 27. September 1996 meldete sie das Gewerbe für das Restaurant „B” mit Beginn am 28. September 1996 an. Die Gewerbeanmeldung erfolgte „wegen Neuerrichtung des Betriebes”. Sie reichte für 1996 zwei Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG ein – eine für das Restaurant A und eine das Restaurant B. In beiden Restaurants waren – wie die Klägerin vorträgt – außer ihr selbst (Theke, Küche), zwei Verwandte (Küche und Bedienung) und ihr Ehemann (gelegentlich an Wochenenden) beschäftigt. Weder für das Restaurant A noch für das Restaurant B hat sie 1996 bzw. 2001 Aufgabebilanzen vorgelegt.

    Der Familienwohnsitz befand sich in der Großstadt K außerhalb des Saarlandes. Beide Eheleute pendelten ihren Angaben zufolge jeweils zwischen beiden Städten. Die Klägerin bewohnte mit ihren Kindern (* 1993, 1994 und 1997) während ihres Aufenthaltes in X Räume im selben Gebäude, in dem die Restaurants betrieben wurden. Der Ehemann erzielte Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als Arzt in der Großstadt K außerhalb des Saarlandes (zu versteuerndes Einkommen ca. 300.000 DM).

    Die Klägerin ermittelte in Eigenarbeit – zusammen mit ihrem Ehemann – ihre Einkünfte aus dem Betrieb der Restaurants nach § 4 Abs. 3 EStG. 1996 erstellte sie für jedes der Restaurants eine Gewinnermittlung. Die Gewinnermittlungen enthielten folgende Daten:

    199619971998199920002001
    AB
    Umsatz22.05421.48356.21365.49777.75088.10259.574
    Waren u.ä.13.99112.24125.22927.16120.40028.37222.902
    Raumkosten41.55152.64329.63142.92030.90832.19019.866
    Abschreibungen7.5354.26910.7645.9206.21512.774658
    Personalkosten0000017.51816.809
    Verlust69.30363.10018.66831.02428.69024.2948.996
    Vom 8. Oktober bis 27. November 2001 fand bei der Klägerin für 1996 bis 1999 eine Betriebsprüfung statt, in deren Vorbereitung am 28. September 2001 eine Ortsbegehung durchgeführt wurde. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2001 versuchte der Prüfer, einen Besprechungstermin mit dem Steuerberater der Klägerin zu vereinbaren. Unter TZ 7 „Schlussbesprechung” führt der Prüfungsbericht aus:

    „Eine Schlussbesprechung fand nicht statt, weil die Steuerpflichtige ihrer Auflage, einen Erörterungstermin zwischen ihr, ihrem Ehemann und der Steuerberatung, sowie dem Prüfer herbeizuführen, nicht nachgekommen ist. Entscheidende Prüfungsfeststellungen konnten somit in Ermangelung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 AO nicht erläutert werden. Das an die Steuerberatung gerichtete Schreiben vom 30.10.01 blieb unbeantwortet. Lediglich aus einem Telefonat … war zu entnehmen, dass die Steuerberatung derzeit keine Gründe zu erkennen vermag, an einem solchen Gespräch teilzunehmen. Überdies sei ihr auch der Anfahrtsweg von K nach X zu weit. Sie wollte sich aber dennoch mit der Mandantin ins Benehmen setzen. Obgleich diese sich daraufhin tel. meldete, blieb auch das mit ihr eingehend geführte Telefonat erfolglos.”

    Der Prüfer nahm für beide Restaurants Umsatzzuschätzungen betreffend die Jahre 1996 bis 1998 vor (Rohaufschlagsatz: 300%) und beanstandete eine Reihe von Positionen der Gewinnermittlung (insbesondere „Instandhaltung betrieblicher Räume” und „Mietaufwand”). Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 11. Juli 2002 Bescheide zur Gewinnfeststellung und Umsatzsteuer 1996 bis 1999.

    Dagegen legte die Klägerin am 25. Juli 2002 Einsprüche ein. Durch Einspruchsentscheidung vom 23. März 2005 (Mittwoch vor Ostern), auf die wegen Einzelheiten Bezug genommen wird, verminderte der Beklagte die Gewinnfeststellungen und die Umsatzsteuer der Streitjahre auf der Grundlage einer geringeren Einnahmenzuschätzung (Rohaufschlag 1996-1998: 180%, 200% und 240%).

    Am 27. April 2005 erhob die Klägerin Klage. Im Zuge des Klageverfahrens hat der Beklagte am 6. September 2005 die Gewinnfeststellungsbescheide 1996 bis 1998 wegen Rechenfehlern in der Einspruchsentscheidung nach § 129 AO berichtigt. Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    unter Änderung der Bescheide vom 11. Juli 2002, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2005 bzw. der Änderungsbescheide vom 6. September 2005, die Gewinne und die Umsatzsteuer wie folgt gesondert festzustellen bzw. festzusetzen:

    GewinnUmsatzsteuer
    1996-51.068 DM (statt -27.903 DM)- 5.800,88 DM (statt – 3.000 DM)
    1997-19.695 DM (statt -9.750 DM)1.791,93 DM (statt 1.965 DM)
    1998-25.684 DM (statt -11.249 DM)1.301,01 DM (statt 3.645 DM)
    1999-16.167 DM (statt -10.515 DM)2.943,45 DM (statt 3.723 DM)
    1. Umsatzzuschätzungen 1996 bis 1998

    Soweit die in bar beglichenen Kosten die Tageseinnahmen überstiegen, habe der Ehemann die erforderlichen Mittel in bar zur Verfügung gestellt oder an die Klägerin gerichtete Rechnungen selbst beglichen.

    Er habe folgende Barmittel geleistet:

    Für das Restaurant A1995:126.500 DM
    Für die Restaurants A und B1996:97.300 DM
    Für das Restaurant B1997:168.300 DM
    Für das Restaurant B1998:53.000 DM
    Der Ehemann habe über ausreichende liquide Mittel verfügt. Der Prüfer habe eine Erörterung bzw. Verifizierung der Einlageleistungen mit dem Ehemann abgelehnt.

    Zudem sei betrieblicher Aufwand durch den Dispositionskredit der Bank gedeckt worden, der schließlich am 15. Dezember 1999 durch ein Darlehen i.H.v. 30.524 DM an die Klägerin und deren Ehemann abgelöst worden sei. …

    Der Aufschlagssatz des Beklagten könne angesichts der Umstände (Vollausstattung bei Betriebseröffnung, Warenverderb infolge schleppenden Anfangsgeschäfts, überwiegende Abgabe von verbilligtem Mittagstisch u.s.w.) nicht nachvollzogen werden. Die in den Kassenaufzeichnungen ausgewiesenen Mittel seien dem Restaurantbetrieb zugeführt worden, da anderenfalls die Mittel zur Bestreitung der Betriebsausgaben nicht ausgereicht hätten.

    Die Einwände gegen die Kassenaufzeichnungen seien nicht überzeugend (Bl. 201 ff.):

    > Der Ehemann habe von Fall zu Fall Betriebsausgaben für die Klägerin bestritten, welche stets als Kasseneinlagen verbucht worden seien. …

    > Die Ursprungsaufzeichnungen der Kassenaufzeichnungen seien nicht unklar. Jeder Kassenvorfall sei anhand der dokumentierten Tageseinnahmen und Einlage-/Entnahmeleistungen des Ehemanns verzeichnet worden. Mit der Erfassung eines jeden einzelnen Kassenvorfalls sei dem konkreten Besteuerungszweck hinreichend Genüge getan, zumal die Klägerin nicht zur Führung eines Kassenbuchs verpflichtet sei.

    > Die im Einzelfall hohen Kassenbestände erklärten sich aus den jeweiligen Einlageleistungen des Ehemanns, die in Erwartung höherer, nicht durch Betriebseinnahmen gedeckte Betriebsausgaben getätigt worden seien und jeweils wieder dem Betriebsvermögen entnommen worden seien, als und soweit diese nicht (mehr) zur Deckung von Betriebsaufwand hätten hinreichen sollen.

    > Bei dem angeblichen Fehlbetrag per 10. Juli 1997 handele es sich offensichtlich um einen Schreibfehler. Die unter dem 10. Juli 1997 datierten Kassenentnahmen seien am 30. Dezember 1998 erfolgt.

    2. Betriebsausgaben 1996

    a. Gartengeräte (449 DM)

    Die Geräte seien zur Bepflanzung der Terrasse im ersten Stock und zur Pflege dieser Pflanzen verwendet worden.

    b. 3.190 DM aus 21 Rechnungen

    Welche Einzelrechnungen in den (brutto) 3.190 DM enthalten seien und aus welchen Gründen es sich nicht um Betriebsausgaben handele, lasse sich dem Bericht nicht entnehmen.

    c. Renovierung/Instandsetzung für 48.300 DM

    Es habe sich bei den Aufwendungen nicht um Maßnahmen im 2. bis 4. OG (Umbau zu einem Hotelbetrieb) gehandelt. Die Arbeiten – ausgeführt durch die Firma Y – hätten vielmehr das Keller-, Erd- und erste Obergeschoss betroffen.

    Die Maßnahmen wegen des Hotelbetriebes im 2. bis 4. OG des Anwesens seien erst 1998 begonnen worden. Die Rechnungen (aus 1998) würden nachgereicht.

    Die 1996 ausgeführten Arbeiten hätten sich aus der vorangehenden Nutzung der Räume (nur im EG) als Pilsstube ergeben. Das Kellergeschoss sei nach zwei Hochwasserüberflutungen von Grund auf zu sanieren gewesen. Das zugemauerte Treppenhaus zum 1. Stock sei wieder von den Gasträumen her begehbar gemacht worden. Der Gesellschaftsraum im 1. OG habe saniert werden müssen. Es seien u.a. auch Undichtigkeiten der Terrasse behoben worden.

    Ob Y eine Scheinfirma sei, werde mit Nichtwissen bestritten. Es seien vor Auftragsvergabe Angebote verschiedener Baugesellschaften eingeholt worden. Mindestens ein Kostenvoranschlag könne noch vorgelegt werden. Die Barzahlung des Rechnungsbetrages sei vorliegend nicht unüblich, da der Zahlungsverkehr des Betriebes der Klägerin i.d.R. in bar abgewickelt worden sei. Man möge dies der ggf. fremden Mentalität bzw. Usancen der Klägerin und ihres Ehemanns zurechnen.

    Die durch Y aufgrund einer (mündlichen) Pauschalvereinbarung erbrachten Leistungen seien ausgeführt worden. Die Behauptung des Beklagten, die Gaststättenräume hätten sich am 28. September 2001 in einem unrenovierten Zustand befunden, seien irreführend. Zu diesem Zeitpunkt sei die Gaststätte bereits an einen nachfolgenden Pächter übertragen worden, der diese nach seinen Vorstellungen umgebaut bzw. neu eingerichtet habe.

    Am 21. Oktober 1996 sei die ursprüngliche Ausschankerlaubnis auf einen „Gastraum, Nebenzimmer und Toiletten im OG” erweitert worden.

    d. Heizungsreparatur (313 DM)

    Die Reparatur habe das Restaurant betroffen, das mit Saal und Terrasse auch im 1. Stock betrieben worden sei. Die Reparatur sei im Zuge der konzessionierten Erweiterung des Gaststättenbetriebes erforderlich geworden.

    e. Telefonkosten, 207 DM

    Allenfalls die mit (netto) DM 108,68 berechneten Region-200-Verbindungen seien auffällig. Diese ließen sich aber durch Telefonate mit Y wegen der Renovierung oder mit dem Ehemann wegen Anschaffungen und Einlagen erklären. Selbst die (wenigen) Telefonate ins Ausland seien mit der Akquisition von Einrichtungsgegenständen und Zubereitungsempfehlungen betrieblich bedingt gewesen. Es sei allenfalls eine Gewinnerhöhung um 69 DM (28. September – 31. Dezember 1996) vertretbar.

    3. Betriebsausgaben 1997

    a. 732 DM aus drei Rechnungen

    Auf die Ausführungen unter 2 b werde verwiesen.

    b. Telefonkosten, 828 DM

    Der Eigenverbrauch i.H.v. 480 DM /Jahr sei um (netto) 960 DM/Jahr erhöht worden. Auf die Ausführungen unter 2 e werde verwiesen. Allenfalls sei eine Gewinnerhöhung um 132 DM vertretbar.

    4. Betriebsausgaben 1998

    a. 10.876 DM aus fünf Rechnungen)

    Auf die Ausführungen unter 2 b werde verwiesen.

    b. Telefonkosten, 833 DM

    Auf die Ausführungen unter 2 e werde verwiesen. Allenfalls sei eine Gewinnerhöhung um 277 DM vertretbar.

    5. Betriebsausgaben 1999

    a. Gardinen, 4.823 DM

    Der Prüfer habe die Gardinen (nach dem Betreiberwechsel des Restaurants) zwar nicht mehr vorfinden können. Die Gardinen seien aber für den Gastraum im EG und den Gesellschaftsraum im 1. OG angeschafft und verwandt worden.

    b. Telefonkosten (835 DM)

    Auf die Ausführungen unter 2 e werde verwiesen. Allenfalls sei eine Gewinnerhöhung um 278 DM vertretbar.

    Der Beklagte beantragt sinngemäß,

    die Klage als unbegründet abzuweisen.

    Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im übrigen trägt er Folgendes vor:

    1. Umsatzzuschätzungen 1996 bis 1998

    a. Schätzungsbefugnis

    Die betrieblichen Aufwendungen hätten nicht aus den Betriebseinnahmen und Einlagen bestritten werden können. Die Prüfungsfeststellungen würden durch den Vortrag, die Aufwendungen seien durch Barzuschüsse des Ehemanns gezahlt worden, nicht entkräftet.

    – Restaurant A

    Das Restaurant sei am 26. Januar 1996 eröffnet und am 15. Mai des gleichen Jahres geschlossen worden. Es seien Erlöse i.H.v. brutto 19.936 DM, offensichtlich Bareinnahmen, erklärt worden. Auf einem betrieblichen Bankkonto seien für den Betrieb zusätzliche Privateinlagen i.H.v. 45.723 DM verzeichnet wurden. Ein Vergleich der Barmittel, mit den gezahlten Aufwendungen zeige Folgendes:

    Bareinnahmen Restaurantbetrieb19.936,00 DM
    Privateinlagen auf Bankkonto45.723,39 DM
    Summe Geldmittel65.659,39 DM
    Betriebsausgaben94.330,47 DM
    abzüglich AfA- 7.535,86 DM
    zuzüglich Anschaffungskosten30.531,86 DM
    Summe Ausgaben117.326,47 DM
    Von den betrieblichen Aufwendungen sollten 40.672 DM in bar beglichen worden sein. Gleiches gelte zusätzlich für eine den Privatbereich betreffende Baurechnung i.H.v. 29.900 DM.

    Nach dem Vortrag der Klägerin habe ihr der Ehemann insbesondere in der Gründungsphase (November, Dezember 1995) Bargeld i.H.v. 126.500 DM zugewendet.

    Eine Verwendung der Barabhebungen des Ehemanns für den Gaststättenbetrieb sei aber weder erkennbar noch naheliegend. Auf den Kontoauszügen des Ehemanns seien handschriftliche Buchungsvermerke angebracht, wonach die Barabhebungen als „Geldtransit” verbucht worden seien (Auszahlungsbelege eines offensichtlich betrieblichen Kontos des Ehemanns). Da anzunehmen sei, dass der Ehemann als Freiberufler seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittle, handele es sich bei den Barabhebungen offensichtlich um ungebundene Privatentnahmen. Es sei nicht ersichtlich, ob bzw. in welchem Umfang die entnommenen Gelder in den Gewerbebetrieb der Klägerin eingelegt worden seien. Für die auf das betriebliche Bankkonto der Klägerin eingezahlten Beträge (lt. Bp 45.723 DM) könne die Herkunft aus den Entnahmen des Ehemanns nicht zweifelsfrei unterstellt werden. Auch ansonsten bestehe kein Anlass, von einer „Bargeldübergabe” in der von der Klägerin angeführten Größenordnung auszugehen. Es sei kein wirtschaftlicher Grund ersichtlich, warum dem Gaststättenbetrieb der Klägerin bereits vor Eröffnung des Restaurants Barmittel i.H.v. 126.500 DM hätten zugeführt werden müssen. Eine „kapitalverstärkende” Überweisung auf das betriebliche Bankkonto der Klägerin in geringerer Höhe hätte nahegelegen. Es könne daher allenfalls von unwesentlich höheren Privateinlagen, als den vom Prüfer berücksichtigten Beträgen (45.723,39 DM) ausgegangen werden.

    – Restaurant B

    Entsprechendes gelte für das ab 28. September 1996 betriebene Restaurant B. Aus den Feststellungen des Prüfers und den Gewinnermittlungen 1996 bis 1998 ergebe sich Folgendes:

    199619971998
    DMDMDM
    Einnahmen Restaurant (lt. Bp)19.930,0056.630,0066.586,00
    Einlagen auf Bankkonto (lt. Bp):
    – gebuchte Einlagen1.800,001.100,000,00
    – Bareinzahlungen auf Bankkonto0,0051.800,0033.500,00
    Summe Geldmittel21.730.00109.530.00100.086,00
    Betriebsausgaben (lt. Gewinnerm.)87.428,8982.670,26105.927,44
    abzgl. AfA- 4.269,92- 10.764,35- 5.920,00
    zzgl. Anschaffungskosten (lt. Gewinnerm.)2.931,327.951,350,00
    Summe Ausgaben86.090,2979.857,26100.007,44
    Eine nennenswerte Überziehung des betrieblichen Kontokorrents könne erst für 1998 angenommen werden (Zinsaufwand für kurzfristige Verbindlichkeiten 1996: 26,28 DM und 1997: 86,47 DM; 1998: 3.844 DM). Der genaue Umfang des Kontokorrentkredits für 1998 stehe allerdings nicht fest. Entscheidend sei, in welchem Umfang Privateinlagen aus Finanzmitteln des Ehemanns in den Gewerbebetrieb eingeflossen seien. Während der Prüfung bzw. in der Klagebegründung habe die Klägerin geltend gemacht, dass Geldmittel des Ehemanns 1996 i.H.v. 97.300 DM in bar zugeführt worden seien und dass die 1997 und 1998 in bar auf das Betriebskonto eingezahlten Beträge (1997: 51.800 DM; 1998: 33.500 DM) ebenfalls aus Mitteln des Ehemanns stammen würden. Diese Angaben seien nicht überprüfbar. Es widerspreche der Lebenserfahrung, von einer „Bargeldübergabe” in der behaupteten Größenordnung auszugehen. Zudem sei kein wirtschaftlicher Grund dafür ersichtlich, warum der Klägerin zunächst Bargeld übergeben worden sein sollte, das anschließend von ihr auf das betriebliche Konto eingezahlt worden sei. Für „Kapitalverstärkungen” hätten aus Gründen der Übersichtlichkeit, Sicherheit und einfacheren Handhabung Überweisungen auf das betriebliche Konto der Klägerin nahegelegen.

    Nach Angaben der Klägerin habe ihr Ehemann den beiden Restaurantbetrieben folgende Barmittel zugewendet:

    1996 – Restaurant „A” (Abhebungen Ende 1995)126.500 DM
    1996 – Restaurant „B”97.300 DM
    223.800 DM
    1997 – Restaurant „B”168.300 DM
    1998 – Restaurant „B”53.000 DM
    445.100 DM
    Die Zuführung dieser Bargeldmittel in das Betriebsvermögen der Klägerin sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin verfüge nicht über Kassenaufzeichnungen darüber, welche

    > Betriebseinnahmen in bar zugeflossen seien,

    > Bareinzahlungen aus Mitteln der Klägerin bzw. ihres Ehemanns zur Kassenverstärkung eingelegt worden seien,

    > betrieblichen Aufwendungen bzw. Privatentnahmen aus der Kasse getätigt worden seien und

    > Bargeldmittel zur Kapitalverstärkung auf dem betrieblichen Bankkonto verwendet worden seien.

    Aus den betrieblichen Aufzeichnungen der Klägerin sei lediglich erkennbar, dass die bar gezahlten Aufwendungen und die auf das betriebliche Konto geleisteten Bareinzahlungen die aufgezeichneten Betriebseinnahmen weit überschritten hätten.

    Die im Klageverfahren vorgelegten Auflistungen über die Kasseneinnahmen und -ausgaben belegten nicht, dass die Barabhebungen vom Bankkonto des Ehemanns tatsächlich in das Betriebsvermögen der Restaurantbetriebe eingegangen seien. Zwar stimmten die Barabhebungsbelege des Ehemanns mit den Eintragungen in der Liste der Kasseneinnahmen überein. Allerdings ließen die Auflistungen den Schluss zu, dass dort der Kassenbestand lediglich rechnerisch ermittelt worden sei (wird ausgeführt …):

    c. Höhe der Schätzung (Bl. 89)

    In der Einspruchsentscheidung seien die Einwendungen der Klägerin gegen den Rohgewinnaufschlagsatz weitgehend berücksichtigt und die Schätzungsbeträge durch Anlehnung an die von der Klägerin angeführten Aufschlagsätze neu berechnet worden



    2. Kürzung von Betriebsausgaben

    a. Gartengeräte (1996)

    Gartengeräte seien typischerweise Gegenstände der privaten Lebensführung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Geräte mit einem Anschaffungswert von brutto 449 DM weit überwiegend für betriebliche Zwecke verwendet worden sein sollten (PB „B”, Tz. 25.5). Der Hinweis auf die Pflege der Terrassenbepflanzung reiche hierzu nicht aus.

    b. Renovierungskosten (1996)

    Die Klägerin mache für die Gaststättenräume Instandhaltungskosten i.H.v. netto 46.287 DM geltend. Darin seien zwei Rechnungen der Y vom 31. Oktober 1996 über 20.000 DM und vom 4. November 1996 über 22.000 DM enthalten. Sie sollen Arbeiten im Restaurant B betreffen (Keller, EG und 1. OG) und am 4. und 20. November 1996 bar beglichen worden sein.

    Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG könne ein Vorsteuerabzug nur aufgrund einer Rechnung geltend gemacht werden, die eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermögliche, über die abgerechnet worden sei (BFH vom 10. November 1994, V R 45/93, BStBl II 1995, 395). Der Leistungsempfänger habe die Rechnungsangaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Der Vorsteuerabzug sei zu versagen, wenn die Identität des leistenden Unternehmers mit den Rechnungsangaben nicht übereinstimme oder über eine nicht ausgeführte Leistung abgerechnet werde. Für den Betriebsausgabenabzug gelte gemäß § 160 AO in vergleichbarer Weise, dass Aufwendungen nur abzugsfähig seien, wenn der Zahlungsempfänger genau benannt werde. Es sei zweifelhaft, ob Y tatsächlich existiere, ob die Leistungen tatsächlich ausgeführt worden seien und ob tatsächlich ausgeführte Leistungen das Unternehmen der Klägerin beträfen (wird ausgeführt …).

    Die Erweiterung der Betriebserlaubnis auf die Gasträume im ersten Obergeschoss führe zu keiner anderen Betrachtungsweise. Diese Räume seien nicht in den Mietvertrag über die Gaststättenräume einbezogen worden. Es habe nach den Feststellungen des Betriebsprüfers auch keine betriebliche Nutzung der Räume stattgefunden.

    c. Verschiedene Rechnungen (1996 – 1998)

    Die Rechnungen seien der Klägerin im Einspruchsverfahren durch Schreiben vom 2. August 2004 benannt worden.

    d. Heizungsreparatur (1996)

    Die Reparatur betreffe den „Gesellschaftsraum” im 1. Obergeschoss (PB „B”, Tz. 25.4). Im Mietvertrag seien lediglich die vermieteten Gebäudeteile als „Gastraum, Küche, Toilettenanlage, Keller” bezeichnet. Bei der Ortsbesichtigung am 28. September 2001 sei der Gesellschaftsraum im 1. Obergeschoss leerstehend, unaufgeräumt bzw. nicht renoviert und somit auch nicht in den Restaurantbetrieb eingegliedert gewesen (Vermerk vom 22. Juli 2004). Davon unabhängig sei die Frage, ob eine derartige Maßnahme nicht dem Vermieter obliegen würde.

    e. Gardinen, brutto 4.823 DM (1999)

    Nach den ursprünglichen Einlassungen der Klägerin seien die 1999 angeschafften Gardinen nicht in den Gaststättenbetrieb eingebracht worden. Sie seien in der auf den Rechnungsbelegen angegebenen Größe und Beschaffenheit für die Fenster der Gaststätte nicht geeignet gewesen.

    f. Telefonkosten (1996-1999)

    Da keine Einzelaufzeichnungen geführt worden seien, sei der private Nutzungsanteil zu schätzen. Die vergleichsweise hohen Telefonkosten seien durch häufige Gesprächsverbindungen zum Wohnort des Ehemanns bzw. in das Herkunftsland der Klägerin verursacht worden. Der erhöhte Entnahmewert führe zu einem schlüssigen und wirtschaftlich denkbaren Schätzungsergebnis).

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des Beklagten Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht aufgrund von Zuschätzungen die Einnahmen und Erträge erhöht und eine Reihe von Betriebsausgaben nicht zum Abzug zugelassen.

    1. Rechtliche Grundlagen zur Schätzung

    a. Schätzungsbefugnis und Durchführung der Schätzung

    Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden (BFH vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55). Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, so sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich zu schätzen (§ 162 Abs. 1, 2 AO).

    Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Finanzgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 AO gelten sinngemäß. Das Finanzgericht ist damit – anders als bei Ermessensentscheidungen (§ 102 FGO) – in der Lage, die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in vollem Umfang zu überprüfen und selbst Schätzungen vorzunehmen. Die Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts besteht unabhängig davon, ob und wie das Finanzamt geschätzt hat. Das Finanzgericht kann von der Schätzungsmethode des Finanzamts abweichen und die Besteuerungsgrundlagen nach einer anderen Methode schätzen (BFH vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BStBl. II 1982, 409; vom 8. November 1989 X R 178/87, BStBl. II 1990, 268, 270).

    Die Besteuerungsgrundlagen sind nach Maßgabe ihrer größten Wahrscheinlichkeit zu schätzen (grundlegend: BFH v. 31. August 1967 V 241/64, BStBl. III 1967, 686; v. 16. November 1982, BStBl. II 1983, 361). Bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist um so größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen u.ä. im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen (z.B. keine Abgabe der Steuerklärung), die darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt im Gegenteil an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (BFH v. 20. Dezember 2000 I R 50/00, BStBl. II 2001, 381; v. 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484). Aber auch dann muss die Schätzung in sich schlüssig, ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH v. 8. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226; v. 9. Dezember 2001 VI R 72/97, BStBl. II 2001, 775).

    In der Praxis hat sich eine Reihe von Schätzungsmethoden entwickelt. Sie sind die Hilfsmittel, um zu dem Wert mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit zu gelangen (BFH v. 26. Februar 2002 X R 59/98, BStBl II 2002, 450, 452). Alle Methoden sind situations-, anwender- und normabhängig. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, das durch eine Schätzungsmethode gewonnene Ergebnis durch eine weitere Schätzungsmethode zu untermauern (BFH v. 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Soweit durch eine Schätzungsmethode nur eine einzige Besteuerungsgrundlage ermittelt wird (z. B. der Umsatz durch Kalkulation), können ggf. andere Besteuerungsgrundlagen daraus abgeleitet werden (z. B. der Gewinn). Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann auch durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen oder einen Abschlag von den Betriebsausgaben erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind, sog. (Un-) Sicherheitszuschlag. Die Methodenwahl steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamtes; der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode (BFH v. 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Die Methode muss auf zumutbare Weise zum Ergebnis mit der größten Wahrscheinlichkeit führen (BFH v. 18. Dezember 1984 IV R 33/82, BStBl II 1986, 226, 229; v. 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFH/NV 2002, 134, 138). Die Qualität der Aufzeichnungen und die Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen bestimmen den Sorgfaltsmaßstab für die Schätzung des Finanzamtes.

    b. Aufzeichnungspflichten bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

    Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs. Eine Regelung, dass vereinnahmte Barentgelte gesondert in einem Kassenbuch aufzuzeichnen sind, enthalten auch § 22 UStG und die UStDV nicht. Bei der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Entscheidend ist vielmehr, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge – z.B. durch eine geordnete Belegsammlung – vollständig erfasst werden (BFH vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940).

    Die unter Nr. 1a genannten Grundsätze finden nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechende Anwendung auf Steuerpflichtige, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind, sondern – wie die Klägerin – ihre Gewinne nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Auch diese Aufzeichnungen müssen so klar und vollständig sein, dass sie einem sachverständigen Dritten in vertretbarer Zeit den Umfang der Einkünfte plausibel machen. Denn das Fehlen einer Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen oder -ausgaben kann schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht bedeuten, dass das Finanzamt die nach § 4 Abs. 3 EStG erklärten Gewinne oder Verluste ungeprüft übernehmen müsste. Die (ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende) Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall auch notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst und die geltend gemachten Aufwendungen durch den Betrieb veranlasst sind. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmen-Überschussrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (s. z.B. BFH vom 15. April 1999, IV R 68/98, BStBl II 1999, 481; vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599 m.w.N.). Dies gilt auch für die Betriebseinnahmen bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, die – zur Vermeidung einer Schätzung – mit der gebotenen Klarheit und Nachvollziehbarkeit aufzuzeichnen sind (BFH vom 7. Februar 2008 X B 189/07 juris; vom 2. September 2008 V B 4/08 juris; Becker/Wiethölter, StBp 2009, 239 m.w.N.).

    c. Einnahmenermittlung durch das Kassenbuch

    Sämtliche Geschäftsvorfälle sind ihrer zeitlichen Reihenfolge nach und mit ihrem richtigen Inhalt festzuhalten. Die zeitgerechte Verbuchung der Geschäftsvorfälle und eine nachvollziehbare Kassenführung sind bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen in der Regel die entscheidenden Grundlagen einer Buchführung. Mängel in diesen Bereichen nehmen der Buchführung im allgemeinen die Ordnungsmäßigkeit (s. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 146 AO Tz 5 ff. m.w.N.).

    Eine ordnungsmäßige Kassenführung erfordert, dass die Kasseneingänge und -ausgänge – soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls – in einem Kassenbuch derart aufgezeichnet werden, dass es jederzeit möglich ist, den Sollbestand nach dem Kassenbuch mit dem Ist-Bestand der Geschäftskasse auf die Richtigkeit nachzuprüfen („Kassensturzfähigkeit” der Aufzeichnungen). Die Kassensturzfähigkeit kann dadurch hergestellt werden, dass jeder Bargeldgeschäftsvorfall einzeln aufgezeichnet und die Belege den Kassenunterlagen beigefügt werden. In einem solchen Falle ist es zwar nicht erforderlich, dass der Kassenbestand täglich ermittelt wird; es müssen aber die Ursprungsaufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben aufbewahrt und in gewissen Abständen der tatsächliche Kasseninhalt mit dem buchmäßigen Kassenstand abgeglichen werden. Anders liegt es dagegen, wenn die Bareinnahmen eines Tages („Tageslosung”) durch einen sogenannten „Kassenbericht” ermittelt werden. Die Tageseinnahmen werden im Fall des Kassenberichtes nicht dadurch festgehalten, dass jeder einzelne Zahlungsvorgang unmittelbar aufgezeichnet wird, sondern sie werden durch den Abgleich von Kassenanfangs- und Kassenendbestand unter Hinzurechnung der aus der Kasse geleisteten Zahlungen rechnerisch ermittelt. An diesen Anforderungen hat sich auch die Einnahmenaufzeichnung bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu orientieren (s. FG Köln vom 6. Mai 2009 15 K 1154/05, EFG 2009, 1261, 1263; FG Berlin-Brandenburg vom 17. März 2009 6 K 4146/04 B, EFG 2009, 1514).

    d. Betriebsaufgabe / Betriebsverlegung

    Im Falle der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung hat der Gewerbetreibende, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, eine Aufgabe- bzw. Veräußerungsbilanz zu erstellen (§ 16 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 EStG).

    Beurteilungsmaßstab dafür, ob nacheinander ausgeübte gewerbliche Betätigungen jede für sich einen selbständigen Gewerbebetrieb oder zusammen einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellen, ist der sachliche, wirtschaftliche, finanzielle oder organisatorische Zusammenhang zwischen den nacheinander ausgeübten gewerblichen Betätigungen nach Maßgabe des Gesamtbildes der Verhältnisse im Einzelfall unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BFH vom 12. Januar 1983 IV R 177/80, BStBl II 1983, 425; vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, BStBl II 1978, 348 jew. m.w.N.). Als Kriterien kommen u.a. die Art der gewerblichen Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Geschäftsleitung, die Arbeitnehmerschaft, die Betriebsstätte und die Zusammensetzung und Finanzierung des Anlagevermögens in Betracht. Räumlich weit voneinander ausgeübte ungleichartige gewerbliche Betätigungen werden regelmäßig in eigenständigen Gewerbebetrieben ausgeübt (BFH vom 3. Oktober 1984 I R 116/81, BStBl II 1985, 131; vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989, 901; für zwei Gaststätten: FG München vom 13. März 1996 9 K 2498/92, juris).

    2. Anwendung der Schätzungsgrundsätze auf den Entscheidungsfall

    Die Schätzungen des Beklagten sind im Ergebnis nicht rechtswidrig zum Nachteil der Klägerin erfolgt und werden vom Senat nicht beanstandet. Der Senat schließt sich in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis dem Grundsatz nach der Schätzung an, die der Prüfer für 1996 bis 1998 vorgenommen hat. Für 1999 haben der Prüfer und der Beklagte zu Unrecht keine Zuschätzungen vorgenommen.

    Die Unterlagen, die die Klägerin der von ihr selbst erstellten Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG zugrunde gelegt hat, sind in hohem Maße unzureichend. Den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, wer wann welche Tätigkeiten zur Gewinnermittlung vorgenommen hat. Sie ermöglichen es einem sachverständigen Dritten nicht, sich mit einem angemessenen Zeitaufwand einen Eindruck von Umfang und Vollständigkeit der Einkünfte zu verschaffen. Dies gilt in besonderem Maße für die Einnahmen und Ausgaben, die über die Kasse erfolgt sein sollen. Die Einnahmenaufzeichnungen sind nicht nachvollziehbar und verdienen – wie das gesamte Belegwesen – kein Vertrauen. Die Klägerin hat das nur kurzzeitig betriebene Restaurant „A” aufgegeben und den neuen Restaurantbetrieb „B” in der Innenstadt eröffnet. Es handelt sich um eine Betriebsaufgabe mit anschließender Neueröffnung, nicht bloß – wie der Prüfer und der Beklagte annehmen – um eine Betriebsverlegung. Die Einnahmenschätzungen und die Kürzung der Betriebsausgaben benachteiligen die Klägerin nicht in rechtswidriger Weise.

    a. Befugnis zur Vornahme von Umsatz- und Gewinnzuschätzungen

    Der Beklagte war für 1996 bis 1998 befugt, die erklärten Betriebsergebnisse durch Zuschätzungen zu ergänzen. Hiervon macht auch der Senat – in weitergehendem Umfang als der Beklagte und für 1999 auch als der Prüfer – Gebrauch.

    (1) Die Klägerin hat 1996 für das Restaurant „A” keine Aufgabebilanz erstellt. Hierzu wäre sie aber nach § 16 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 EStG verpflichtet gewesen. Der Senat teilt nicht die unsubstantiiert vertretene Auffassung des Prüfers, wonach es sich bei dem Wechsel von der R-Straße in die S-Straße um eine bloße Betriebsverlegung gehandelt habe (Tz 13 PB). Immerhin hat der Prüfer selbst für jeden der beiden Betriebe einen eigenen Bericht gefertigt.

    Die Klägerin hat 1996 das Restaurant „A” aufgegeben und einen neuen Restaurantbetrieb in der Innenstadt eröffnet. Dies ergibt sich zweifelsfrei bereits aus den von der Klägerin selbst ausgefüllten amtlichen Gewerbeunterlagen („Gewerbeabmeldung”, „Gewerbeanmeldung”, „Betriebsaufgabe”, „Neuerrichtung des Betriebs”) und aus der Verwendung unterschiedlicher Namen für die Restaurantbetriebe. Es steht für den Ortskundigen zudem außer Frage, dass es sich bei den beiden Betriebssitzen um völlig unterschiedliche Ortslagen handelt. Das in einer Randlage von X befindliche Restaurant „A” hat einen völlig anderen Kundenkreis angesprochen als das in einer sehr zentralen Innenstadtlage befindliche Restaurant „B”. Organisatorische, finanzielle und wirtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Restaurants bestanden nicht. Die Klägerin hat das eine aufgegeben und das andere neu eröffnet. Die Mitnahme von Küchengeräten u.ä. (s. Anlageverzeichnis zu den Gewinnermittlungen 1996) stellt keine Fortführung des Aktivvermögens dar. Die Klägerin, die bereits für die „Instandhaltung betrieblicher Räume” (Konto 4260) des Restaurants „A” 30.006 DM aufgewandt hat, hat 1996 unter derselben Kostenposition des Restaurants „B” erneut 46.287 DM verbucht. Die Ausstattung des neuen Restaurants ist somit mit der des alten Restaurants nicht identisch. Auch bei Aufgabe des Restaurants „B” im Jahre 2001 ist sie ihrer Pflicht zur Aufstellung einer Aufgabebilanz nicht nachgekommen.

    (2) Die zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vorgelegten Einnahmeaufzeichnungen bestehen aus handschriftlichen monatlichen Zusammenstellungen der Tagesumsätze (z.B. für Dezember 1998: 8.326 DM). Die Tagesumsätze bestehen jeweils aus einer einzigen Zahl, deren Herkunft nicht ersichtlich ist. Es spricht nicht für die materielle Richtigkeit der Zahlen, dass sie jeweils auf volle DM-Beträge lauten. Die monatlichen Zusammenstellungen sind von ihrem Erscheinungsbild her gesehen (fortlaufender Schriftzug, gleicher Kugelschreiber) in einem Zuge niedergeschrieben worden. Ursprungsbelege (z.B. Ausdrucke der Registrierkasse) sind nicht vorhanden. Es ist nicht erkennbar, von wem, wann und auf welche Weise die Tagesumsätze ermittelt worden sind. Den Anforderungen an eine geordnete Einnahmenerfassung und Belegablage werden die Unterlagen auch nicht annähernd gerecht. Die Einnahmen sind auch nicht über ein Kassenbuch (mit täglichem Bestandsabgleich, s. oben Nr. 1 c) oder damit vergleichbaren Aufzeichnungen ermittelt worden. Die in den monatlichen Zusammenstellungen enthaltenen Tagesumsätze sind ihrerseits in eine jederzeit änderbare Exel-Tabelle („Einnahmen / Ausgaben Kasse”) übernommen worden. Diese Zusammenstellungen für 1996 bis 1998 sind augenscheinlich erstmals im Zuge des Klageverfahrens erstellt worden. Für 1999 fehlen sie völlig.

    (3) Die „Einnahmen / Ausgaben Kasse” – Aufzeichnungen entbehren jeglicher Glaubwürdigkeit. Die Kassenbestände – ausgewiesen in der rechten Spalte – sind fortlaufend rechnerisch ermittelt. Sie weisen durchgängig für die Betriebe der Klägerin unwahrscheinlich hohe Bestände aus (1996 zwischen 6.200 DM und 44.800 DM; 1997 zwischen 3.600 DM und 66.300 DM; 1998: 3.900 DM und 32.600 DM; 1999: fehlt) und sollen offenbar verhindern, dass sich Kassenfehlbeträge einstellen. Die in astronomischer Höhe ausgewiesenen Kassenbestände (z.B. vom 17. bis 25. Juli 1997 jeweils über 65.000 DM!) stehen in einem unvereinbaren Gegensatz zu den jeweiligen Tageskasseneinnahmen (z.B. vom 17. bis 25. Juli 1997 zwischen 98 DM und 252 DM!).

    In hohem Maße unplausibel erscheinen vor diesem Hintergrund auch die in diesen Aufstellungen ausgewiesenen Einlagen und Entnahmen. Warum werden z.B. am 21. Januar 1998 bei einem ausgewiesenen Bestand von 13.478,77 DM nur 3.600 DM oder am 4. Februar 1998 bei einem ausgewiesenen Bestand von 11.009,82 DM nur 1.000 DM der Kasse entnommen und auf das Bankkonto eingezahlt? Warum legt der Ehemann am 22. Mai 1998 bei einem ausgewiesenen Kassenbestand von 8.569,35 DM weitere 1.000 DM in die Kasse ein (s. z.B. entsprechend: 19. November und 1. Dezember 1998)? Warum entnimmt der Ehemann am 10. Januar 10.000 DM, um bereits am 14. Januar 1997 (bei einem ausgewiesenen Kassenbestand vom 15.338,68 DM) wieder 6.000 DM einzulegen? Mit der Realität des tatsächlichen Tages-Kassenbestandes haben diese Daten offenbar nichts zu tun, zumal die angeblichen Zahlungen des Ehemannes stets in bar erfolgt und datumsgerechte Aufzeichnungen nicht geführt worden und damit nicht nachweisbar sind. Unklar ist auch, inwiefern der Ehemann Einlagen und Entnahmen in bzw. aus der Kasse der Klägerin tätigen kann.

    Ob der Ehemann die Barabhebungen von seinen Konten tatsächlich für Unterstützungszahlungen an die Klägerin verwandt und ob die Klägerin solcher bedurft hat, ist wegen der Abwicklung der Zahlungen in bar nicht erkennbar. Hätte es sich tatsächlich um betriebliche Unterstützungszahlungen gehandelt, hätten diese schnell, sicher und eindeutig nachweisbar vom Konto des Ehemannes auf das der Klägerin überwiesen werden können. Es macht keinen Sinn – wenn nicht den der Verschleierung –, dass der Ehemann die fraglichen Gelder bar in K abgehoben hat, um sie seiner Ehefrau zu überbringen, damit diese sie dann in X ganz oder teilweise auf ihr betriebliches Bankkonto einzahlt. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass die erheblichen Geldtransfers, die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann in den Streitjahren stattgefunden haben sollen, weder dem Finanzamt angezeigt noch schenkungsteuerliche Konsequenzen hieraus gezogen worden sind. Wegen alledem hat der Senat auch keine Bedenken, von den vom Prüfer festgestellten Kassenfehlbeträgen auszugehen. Die mit den „Einnahmen / Ausgaben Kasse” – Aufzeichnungen abgestimmten Belegsammlungen der Streitjahre entbehren mit dieser insgesamt der Glaubwürdigkeit.

    (4) Bei einer stichprobenartigen Durchsicht der Belege zeigen sich unplausible Lücken. So sind in den Unterlagen für Juni 1999 lediglich drei Belege über den Kauf von Obst und Gemüse im Gesamtwert von netto (11,45 + 29,30 + 21,98 =) 62,73 DM enthalten, obwohl das Restaurant an allen 30 Tagen des Monats geöffnet gewesen ist (entsprechend Februar 1998: zwei Belege über netto 145,00 + 24,34 = 169,34 DM bei 28 Öffnungstagen oder August 1998: ein Beleg über netto 68,47 DM bei 23 Öffnungstagen). Dies erscheint für ein Restaurant, das zudem ein Salatbuffet angeboten hat, zumindest ungewöhnlich. Mehr als zweifelhaft erscheint es dem Senat in diesem Zusammenhang auch, ob die Telefonate ins Ausland lediglich – wie die Klägerin vorträgt – der Akquisition von Einrichtungsgegenständen und Zubereitungsempfehlungen und nicht vielmehr auch dem direkten Bezug von Waren gedient hat. In den Gewinnermittlungsunterlagen finden sich hierüber jedoch bei stichprobenartiger Prüfung keine Belege.

    (5) Völlig unplausibel erscheinen dem Senat auch die ausgewiesenen Teil- und Gesamtergebnisse der Gewinnermittlung der Klägerin. So ist es für den Senat kaum nachvollziehbar, dass das in einer exponierten Innenstadtlage belegene und mit einer Terrasse und „Gesellschaftsraum” ausgestattete Restaurant B beispielsweise 1997 in der Regel Tagesumsätze von deutlich unter 200 DM (brutto), an einer großen Vielzahl von Tagen deutlich unter 100 DM (brutto) erzielt haben soll. Dieses zentral gelegene Restaurant, das – bis auf wenige Urlaubstage – an allen Tagen des Jahres geöffnet gewesen ist, soll von 1996 bis 2001 jährliche Verluste zwischen 8.996 DM und 63.100 DM erwirtschaftet haben. Dies alles vor dem Hintergrund, dass in den Betriebsausgaben von 1996 bis 1999 keinerlei Personalaufwand enthalten ist und das Restaurant – mit dem sich den Erklärungen zufolge nur erhebliche Verluste erwirtschaften ließen – anschließend vom Bruder der Klägerin fortgeführt worden ist. Zumindest drei erwachsene Personen haben – soweit ersichtlich – von dem Restaurantbetrieb gelebt. Die Klägerin, die nach eigenen Angaben das Unternehmen betrieben und die Aufzeichnungen erstellt haben will, war in den Streitjahren Mutter dreier kleiner Kinder, die 1993, 1994 und 1997 geboren worden sind. Der melderechtliche Wohnsitz der Klägerin und ihrer drei kleinen Kinder befand sich während der Streitjahre in K. Ihr Ehemann will als in K praktizierender und in sehr guten Einkommensverhältnissen lebender Arzt ebenfalls in dem – über Jahre hinweg verlustbringenden – Unternehmen mitgearbeitet haben.

    All diese Phänomene erscheinen dem Senat nur vor dem Hintergrund der Eigenerstellung der Aufzeichnungen bzw. Gewinnermittlungen und des Handelns im (engeren und weiteren) Familienkreis erklärbar. Zu einer exakten und verlässlichen Aufzeichnung der Besteuerungsgrundlagen hat dies alles aber in den Streitjahren nicht geführt.

    b. Durchführung der Umsatz- und Gewinnzuschätzungen in den Streitjahren

    (1) Der Prüfer hat für beide Restaurants grobe Umsatzschätzungen auf der Grundlage des festgestellten Wareneinsatzes und des Höchstwertes des Rohgewinnaufschlagsatzes für Gast-, Speise- und Schankwirtschaften von 300% vorgenommen. Für 1999 hat er auf entsprechende Zuschätzungen verzichtet, weil der Rohaufschlag in der Gewinnermittlung bei 300% gelegen hat.

    Der Beklagte hat die Schätzungen unter Anwendung eines niedrigeren und gestuften Aufschlagsatzes (1996 – 1998: 180%, 200% und 240%) vermindert. Bei Zugrundelegung dieser Zuschätzungen hätte die Klägerin in allen Streitjahren erhebliche Verluste (zwischen 9.750 und 27.903 DM) erzielt. Im Hinblick auf die gravierenden in den Aufzeichnungen enthaltenen Unsicherheiten, die offensichtlichen Ermittlungsschwierigkeiten und die Tatsache, dass der Prüfer bei seinen Zuschätzungen keine Unsicherheitszuschläge zum Wareneinsatz vorgenommen hat, hält der Senat für 1996 bis 1998 eine Schätzung am oberen Rand des Schätzungsrahmens für zulässig und geboten. Einer solchen Schätzung entsprach die Schätzung des Prüfers in deutlich größerem Maße als die Schätzung des Beklagten im Einspruchsverfahren. Der Umstand, dass die Klägerin selbst die vom Beklagten angesetzten Rohaufschlagsätze für angemessen gehalten hat, hat für den Senat nur eine geringe Überzeugungskraft. Der Senat schließt sich vielmehr für 1996 bis 1998 – im Klageverfahren hat dies ohnehin nur begrenzte Auswirkungen – der Prüferschätzung an.

    Allein die Tatsache, dass der Rohgewinnaufschlag 1999 den Richtwerten entsprochen hat, verleiht den Aufzeichnungen noch nicht die erforderliche Glaubwürdigkeit. Alle vorgenannten Mängel und Zweifel gelten in gleichem Maße für die Aufzeichnungen des Jahres 1999. Dass der Rohaufschlagsatz 1999 mit den Richtwerten übereinstimmt, mag darauf beruhen, dass die Gewinnermittlung dieses Jahres den mit Abstand geringsten Wareneinsatz der Streitjahre ausweist. Der Senat hält deshalb für 1999 – im Hinblick auf die begrenzten Auswirkungen – einen Zuschlag zu dem erklärten Wareneinsatz von mindestens 10% (mit den entsprechenden Konsequenzen für Umsatz und Gewinn) für angemessen.

    (2) Der Senat kann hieraus wegen des im Klageverfahren geltenden Verböserungsverbotes nur begrenzte Schlussfolgerungen ziehen. Zum einen werden die Umsatz- und Gewinnzuschätzungen, die der Beklagte seiner Steuerberechnung in der Einspruchsentscheidung und den Korrekturbescheiden vom 6. September 2005 zugrunde gelegt hat, nicht beanstandet; diese sind ohnehin zu niedrig ausgefallen. Zum anderen verrechnet der Senat die Unterschiede, die sich aus seiner Schätzung gegenüber der Schätzung des Beklagten ergeben (s. Bl. 27 ff., 80 ff., 95 f.), mit den geltend gemachten Positionen bei den Betriebsausgaben. Hieraus ergeben sich folgende Verrechnungsbeträge: wird im Einzelnen ausgeführt ….

    3. Rechtsgrundlagen zu den Betriebsausgaben

    Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Betrieblich veranlasst sind die Aufwendungen, wenn sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen (BFH vom 26. November 1997 X R 146/94, BFH/NV 1998, 961 m.w.N.). Sie dürfen allerdings die private Lebensführung des Steuerpflichtigen nicht betreffen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG).

    Des weiteren sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, den Empfänger genau zu benennen (§ 160 Abs. 1 AO). „Empfänger” ist derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist. Dies gilt u.a. auch in Fällen, in denen die natürliche oder juristische Person, die Zahlungen entgegen genommen hat, lediglich zwischengeschaltet wurde, weil sie die vertraglich ausbedungenen Leistungen entweder mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung nicht erbringen konnte oder weil sie aus anderen Gründen die ihr erteilten Aufträge und die empfangenen Gelder an Dritte weitergeleitet hat. Empfänger im Sinne des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO ist dann nicht die zwischengeschaltete Person, sondern sind die hinter ihr stehenden Dritten, an welche die Gelder letztlich gelangt sind. Im Falle der Zwischenschaltung einer natürlichen oder juristischen Person erstreckt sich das Benennungsverlangen auch und gerade auf die hinter ihnen stehenden Personen, welche die Gelder letztlich erhalten haben. Das gilt insbesondere bei der Einschaltung ausländischer sog. Domizilgesellschaften (ständige Rechtsprechung des BFH z.B. Urteile vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51 vom 15. Oktober 1998 IV R 8/98, BStBl II 1999, 333; vom 10. November 1998 I R 108/97, BStBl II 1999, 121; vom 20. April 2005 X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739; vom 25. Januar 2006 I R 39/05, BFH/NV 2006, 1618 jew. m.w.N.), es trifft in entsprechender Weise auch auf inländische Scheingesellschaften zu.

    4. Anwendung der Grundsätze über die Betriebsausgaben auf den Entscheidungsfall

    a. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1996

    (1) Zahlungen an die Y (48.300 DM)

    Die Aufwendungen betreffend die Rechnungen der Y sind aus mehreren Gründen nicht als Betriebsausgaben der Klägerin anzuerkennen.

    Die betriebliche Veranlassung bleibt nach wie vor zweifelhaft. Den Rechnungen zufolge soll es sich um „ausgeführte Arbeiten im Keller-, Erdgeschoss und 1en im Restaurant B” gehandelt haben. Weitere Unterlagen (Kostenvoranschläge der Y und anderer Unternehmen, Arbeitsaufstellungen, Stundenzettel u.ä.), die das Gericht angefordert hatte, konnten von der Klägerin nicht vorgelegt werden. Ihrem Vortrag zufolge soll es sich im wesentlichen um Grundsanierungen im Anschluss an zwei Hochwasserüberflutungen und um die Einbeziehung eines bis dahin zugemauerten Gesellschaftsraumes im 1. Obergeschoss in das Restaurant gehandelt haben. Derart grundlegende Sanierungsmaßnahmen, die der Prüfer im übrigen bei seinen Ortsbesichtigungen im Jahre 2001 nicht wahrgenommen hat, obliegen aber normalerweise einem Verpächter solcher Räumlichkeiten, sofern sie der Pächter nicht im Pachtvertrag aus nachvollziehbaren Gründen (z.B. Pachtfreiheit für einen gewissen Zeitraum) übernommen hat. Solche Vereinbarungen enthält der „Mietvertrag” vom 20. Juli 1996 aber nicht. Als eine Absprache unter nahen Angehörigen hätte eine solch weitgehende Verpflichtung einer klaren Dokumentation bedurft, zumal das übrige Anwesen im zeitlichen Zusammenhang zu den Arbeiten zumindest teilweise leer stand und dort umfangreiche Arbeiten anderer Art in Angriff genommen worden sind (Umbau zum Hotel). Zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung war das Restaurant bereits seit über einem Monat eröffnet. In der Tat war die Klägerin auch finanziell nicht in Lage, die streitigen Maßnahmen durchzuführen. Die Zahlungen vom 4. und 20. November 1996 sind – soweit man den Aufzeichnungen „Einnahmen/Ausgaben Kasse” Glauben schenken will – aus der Kasse in bar aufgrund von vorherigen Kasseneinlagen des Ehemannes erfolgt. Diese Einlagen waren Privatvermögen der Klägerin (s. oben 1 b), die im Grunde – wenn überhaupt – nur die ihr überlassenen Beträge weitergeleitet hat. Die Verhandlungen über den Umfang, die Durchführung und den Preis der Arbeiten sind – wie aus ihrem Verhalten während der Prüfung zu schließen ist – ohnehin von ihrem Ehemann und Verpächter geführt worden.

    Zudem hat der Senat keine Bedenken gegen die Annahme, dass es sich bei der Y – wie das Finanzamt K nach Angaben des Prüfers festgestellt haben soll – um eine Scheingesellschaft handelt. Auch die Klägerin bestreitet dies letztlich nicht. Hierfür sprechen zudem nicht nur die Art der Rechnungsstellung (ohne detaillierte Leistungsbeschreibung), sondern auch die Arbeitsabwicklung (ohne Leistungsnachweise) und die Zahlungsweise (in bar und ohne Abschlagzahlungen). Wer sich im Wirtschaftsleben auf derartige Gegebenheiten einlässt, kann sich im Nachhinein nicht mit Erfolg auf seine eigene Gutgläubigkeit berufen. Die Rechnungsbeträge solcher Unternehmen sind nach Maßgabe des § 160 AO nicht als Betriebsausgaben abziehbar.

    (2) 3.190 DM aus 21 Einzelrechnungen

    Es handelt sich um Ausgabenbelege mit Bezeichnungen, die eine betriebliche Veranlassung nicht ohne weiteres erkennen lassen („Holz”, „Farbe”, „Fliesen”, „Teppich”, „Elektromaterial”). Die Klägerin hat – trotz Aufforderung hierzu – keine Erläuterungen zu diesen Belegen gegeben. Solche Erläuterungen wären aber bezüglich der handwerklichen Materialien und Gerätschaften um so erforderlicher gewesen, als die Rechnungen fast ausschließlich von November und Dezember 1996 stammen, und mithin aus einem Zeitraum, als das Restaurant B bereits eröffnet war. Die Gelegenheit, die Rechnungsgegenstände während der Prüfung noch relativ zeitnah und auf relativ unkomplizierte Weise vor Ort zu erläutern und überprüfen zu lassen, haben die Klägerin und ihre Steuerberatung versäumt. Die Klägerin hat die damit verbundenen Unklarheiten zu tragen.

    Im Übrigen wäre der Betrag mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 300% Rohgewinnaufschlag).

    (3) Gartengeräte (insgesamt 449,75 DM)

    Der Vortrag der Klägerin erscheint dem Senat unplausibel. Zudem hatte der Prüfer bei seiner Ortsbesichtigung den Eindruck, dass das 1. OG nicht für Zwecke des Restaurants genutzt worden sei. Im Übrigen ist der Betrag mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 300% Rohgewinnaufschlag).

    (4) Heizungsreparatur (313,84 DM; Tz 25.4 PB B)

    Auf die Klärung der betrieblichen Veranlassung kommt es im Ergebnis nicht an. Denn der Betrag ist jedenfalls mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 300% Rohgewinnaufschlag).

    (5) Telefonkosten (207 DM)

    Es gilt Entsprechendes wie zu (4).

    b. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1997

    (1) 732 DM aus drei Einzelrechnungen

    Es gilt Entsprechendes wie zu a (2).

    (2) Telefonkosten, 828 DM

    Es gilt Entsprechendes wie zu a (5).

    c. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1998

    (1) 10.876 DM aus fünf Rechnungen

    Es gilt Entsprechendes wie zu a (2).

    (2) Telefonkosten, 833 DM

    Es gilt Entsprechendes wie zu a (5).

    d. Nicht anerkannte Betriebsausgaben 1999

    (1) Gardinen (4.823,25 DM)

    Die Aufwendungen sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar.

    Die Klägerin hat ihren Betrieb am 26. Oktober 2001 zum selben Tage abgemeldet. Ab dann hat ihr Bruder das Restaurant unter anderem Namen fortgeführt. Der Prüfer hat mit der Klägerin am 11. Oktober 2001 in dem Restaurant eine erste Erörterung durchgeführt. Er hat bei dieser Erörterung die Gardinen nicht vorgefunden und des weiteren festgestellt, das die mit Butzenscheiben versehenen Fenster zur Anbringung von drei Meter hohen Gardinen ungeeignet seien (s. Vermerk vom 22. Juli 2004). Auch im Anlageverzeichnis zur Gewinnermittlung waren sie nicht enthalten.

    Alleine die Behauptung der Klägerin, die Gardinen seien für das Restaurant angeschafft und verwandt worden, können die Zweifel, die aufgrund dieser Vorgänge und der Art der ohne weiteres auch privat verwendbaren Wirtschaftsgüter an einer betrieblichen Veranlassung bestehen, nicht beseitigen. Die Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin, die ohnehin allenfalls den entsprechenden AfA-Betrag hätte geltend machen können.

    (2) Telefonkosten (835 DM)

    Der Betrag ist mit den vom Finanzgericht für angemessen gehaltenen Zuschätzungen zu verrechnen (Wareneinsatz + 10%; s. Nr. 2b).

    5. Keine Minderung der Umsatzsteuer

    Aus den unter Nr. 4 dargelegten Gründen tritt keine Minderung der Umsatzsteuer ein. Der Beklagte hat die Umsätze nicht zum Nachteil der Klägerin überhöht ermittelt. Er war auch nicht verpflichtet, weitere Vorsteuerbeträge anzuerkennen. Die Umsatzsteuer war – wie die Gewinne – in allen Streitjahren zu niedrig festgesetzt.

    6. Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin nach § 135 Abs. 1 FGO auferlegt.

    Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

    VorschriftenAO § 162, AO § 158, AO § 160, EStG § 4 Abs. 3, EStG § 16 Abs. 3, EStG § 16 Abs. 2 S. 2, EStG § 4 Abs. 4, EStG § 12 Nr. 1 S. 2, FGO § 96 Abs. 1 S. 1

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