26.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196729
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 13.02.2017 – 7 V 7345/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschl. v. 13.02.2017
Az.: 7 V 7345/16
In dem Verfahren
der Frau A...,
des Herrn B...,
Antragsteller,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Antragsgegner,
wegen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) - Einkommensteuer 2011 bis 2013
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat - am 13. Februar 2017 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
die Richterin am Finanzgericht ... und
den Richter am Finanzgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 17.08.2016 und der Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom 04.08.2016 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer Entscheidung über den gegen die vorgenannten Bescheide anhängigen Einspruch oder dessen sonstiger Erledigung in der Weise ausgesetzt, dass für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung von einem um 14.657,64 € in 2011, von einem um 25.345,34 € in 2012 und von einem um 10.836,83 € in 2013 geminderten Gewinn aus Gewerbebetrieb auszugehen ist.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern zu 69 % und dem Antragsgegner zu 31 % auferlegt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner die erklärten Gewinne zu Recht um Hinzuschätzungen erhöht hat.
Die Antragsteller sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Antragsteller betreibt unter der Bezeichnung "C..." als Einzelunternehmer ein Friseurgeschäft in D..., das einen wesentlichen Teil seiner Umsätze mit Haarverlängerungen erzielt. Dazu erteilten ihm die Kundinnen - jedenfalls in einer größeren Zahl von Fällen -vorab schriftliche Aufträge, in denen für eine genauer vereinbarte Art und Zahl von Strähnen stets "glatte" Komplettpreise vereinbart wurden (nach den vorgelegten Unterlagen zwischen 125,- € und 900,- €; Anlage 6 zum Antragsschriftsatz, Bl. 63 - 102 Gerichtsakte -GA-). Seine Einkünfte ermittelte der Antragsteller durch Bestandsvergleich. Seine Ladeneinnahmen dokumentierte er durch handschriftliche Kassenberichte, in denen ein Anfangsbestand eingetragen wurde und sodann die Tageseinnahme. Von der danach berechneten Zwischensumme zog er die Geschäftsausgaben und als sonstige Ausgaben die mit Geldkarte bargeldlos beglichenen Umsätze sowie Bankeinzahlungen ab. Danach wurde der Endbestand ausgewiesen. Die vorliegenden Kassenberichte vom 01.11.2011, 01.03.2012, 04.10.2013 und 03.12.2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 44 - 48 Arbeitsbogen -AB- 146/15, Bl. 33 GA), weisen Kassenendbestände in Höhe von 3.866,84 €, 2.047,92 €, 8.587,42 € und 1.693,30 € aus. Daneben wurden handschriftliche Aufzeichnungen über die von den einzelnen Angestellten erzielten Umsätze geführt, in denen je Person Einzelbeträge zugeordnet werden. Wie die Umsätze bezahlt wurden (bar oder bargeldlos) ist diesen Aufstellungen nicht zu entnehmen, ebenso wenig der Kassenbestand bei Geschäftsöffnung und bei Geschäftsschließung. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Kopien im Arbeitsbogen (Bl. 45 - 50 AB 146/15) und in der Gerichtsakte (Bl. 28 GA) Bezug.
In seinen Jahresabschlüssen erklärte der Antragsteller Umsatzerlöse in Höhe von 303.423,58 € für 2011, 276.546,61 € für 2012 und 266.631,73 € für 2013.
Neben dem Friseurbetrieb führt der Antragsteller noch einen Betrieb als Handelsvertreter für den Hersteller der Haarverlängerungen, in dessen Rahmen die Antragstellerin als Trainerin tätig wird.
Die Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre erfolgten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In 2010 führte der Antragsgegner beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 durch. Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass für die Jahre 2005 und 2006 die Kassenführung nicht ordnungsmäßig sei, dass jedoch für 2007 die Mängel weitgehend behoben worden seien, so dass für 2007 keine Hinzuschätzung vorzunehmen sei.
Vom 24.08.2015 bis 20.04.2016 führte der Antragsgegner beim Antragsteller eine Außenprüfung durch, die u.a. die Einkommensteuer 2011 bis 2013 umfasste. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Kassenbuchführung des Antragstellers nicht ordnungsmäßig sei. Es seien keine auf täglichen Auszählungen beruhenden Kassenberichte erstellt und vorgelegt worden. Die Kassenberichte in der Buchführung seien bloße Kassenbestandsrechnungen, worauf auch die hohen Kassenbestände (bis zu 9.375,25 €) hinweisen würden. Dies nahm der Prüfer zum Anlass, die Einnahmen aus den Haarverlängerungen nachzukalkulieren. Die Summe der erklärten Einnahmen aus Haarverlängerungen ermittelte er, indem er den Aufstellungen über die Einzelumsätze der Angestellten die Beträge ab 200,- € entnahm und diese aufsummierte. Dabei ging der Prüfer davon aus, dass damit sämtliche Umsätze aus Haarverlängerungen erfasst wurden. Ferner ermittelte er aus den Rechnungen über den Wareneinkauf sowie den Inventuraufzeichnungen, in welcher Größenordnung welche Strähnen für Haarverlängerungen verwendet worden waren. Als Verkaufspreis setzte er die vom Hersteller empfohlenen Verkaufspreise an sowie Erlöse aus sonstigen Dienstleistungen in Höhe von 1,50 €/Strähne. Auf diese Weise kalkulierte er Umsätze aus Haarverlängerungen in 2012 in Höhe von 180.737,82 €, denen eine Summe von Einzelumsätzen von mehr als 200,- € in Höhe von 127.552,- € gegenüber stand. Die Differenz (53.185,82 €, gerundet auf 53.000,- €) schätzte der Prüfer hinzu. Entsprechend ermittelte der Prüfer für 2013 eine Differenz in Höhe von 37.810,30 € (Hinzuschätzung: 37.500,- €). Die für 2012 und 2013 im Wege der Nachkalkulation ermittelten Umsätze aus Haarverlängerungen stellte der Prüfer dem für diese Jahre erklärten Wareneinsatz gegenüber, woraus er einen durchschnittlichen Rohgewinn-Aufschlag von 232,55 ermittelte. Diesen wandte er auf den für 2011 erklärten Wareneinsatz von 84.212,67 € an und ermittelte so einen kalkulierten Umsatz aus Haarverlängerungen in Höhe von 195.836,56 €, denen eine Summe von Einzelumsätzen von mehr als 200,- € in Höhe von 150.783,- € gegenüber stand. Die Differenz (45.053,56 €, gerundet auf 45.000,- €) schätzte der Prüfer hinzu. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Anlagen 7 bis 9 zum Außenprüfungsbericht Bezug. Ferner sah der Prüfer Anlass, die erklärten Gewinne aus Gewerbetrieb um Warenentnahmen in Höhe von 357,- € in 2013, Zinsaufwand in 2011 und 2012 (je 1.800,- €), verjährte Verbindlichkeiten in Höhe von 25.814,98 € in 2013 und Feststellungen aus dem Bericht über den Betrieb als Handelsvertreter (Steuer-Nr. ...) in Höhe von 9.973,- € in 2011, 3.737,- € in 2012 und 1.235,- € in 2013 zu erhöhen.
Dem folgend erließ der Antragsgegner am 04.08.2016 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- geänderte Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013, von denen der Einkommensteuerbescheid 2011 am 17.08.2016 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert wurde, so dass nunmehr Nachzahlungen in Höhe von 12.423,- € für 2011, 15.030,- € für 2012 und 16.594,- € für 2013 angefordert wurden. Gegen diese Bescheide legten die Antragsteller am 17.08.2016 und 05.09.2016 (Bl. 60, 100 Einkommensteuerakte -EA-) Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung am 04.10.2016 ab, wogegen die Antragsteller Einwände erhoben, die der Antragsgegner als Einspruch gegen die Ablehnungsverfügung auffasste. Diesen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 15.11.2016 als unbegründet zurück. Der Einspruch in der Hauptsache ist nach wie vor anhängig.
Am 28.12.2016 haben die Antragsteller einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- gestellt. Sie machen geltend, die Kassenbuchführung des Antragstellers sei ordnungsmäßig. Er selber arbeite krankheitsbedingt seit Jahren nicht mehr im Betrieb. Seine Mitarbeiter würden die von ihnen vereinnahmten Einzelbeträge auf Zetteln notieren, die er mit Hilfe seiner im Betrieb mitarbeitenden Ehefrau zusammenfasse und sodann in den Kassenbericht übertrage. Durch Abzug der Barausgaben und der bargeldlosen Zahlungen werde der Kassenbestand ermittelt.
Auf die beispielhaft für den 03.12.2013 und 16.12.2013 vorgelegten Unterlagen (Anlage 2 zur Antragsschrift, Bl. 26 - 33 GA; Anlagen zum Schriftsatz vom 09.09.2016, Bl. 89 - 92 EA) wird Bezug genommen. Der Antragsteller halte auch keinen ungewöhnlich hohen Kassenbestand vor, da er im etwa 14-tägigen Rhythmus Bareinzahlungen auf sein Bankkonto vornehme. Es habe auch keine Kassenfehlbestände gegeben. Jedenfalls habe er darauf vertrauen dürfen, dass die von ihm geführte Kassenbuchführung ordnungsmäßig sei, weil er sie schon 2007 praktiziert habe und die in 2010 durchgeführte Außenprüfung insoweit (anders als für die Vorjahre) zu keinen Beanstandungen geführt habe.
Schließlich sei der vom Prüfer vorgenommenen Nachkalkulation nicht zu folgen. Entgegen der Vermutung des Prüfers verlange er von seinen Kunden ausschließlich Komplettpreise ohne Zusatzentgelte für Nebenleistungen wie z.B. Schneiden, Waschen oder Färben. Er verweist auf seine Preisliste (Anlage 4 zur Antragsschrift, Bl. 35 GA) sowie schriftliche Bestätigungen von Kundinnen und schriftliche Aufträge für Haarverlängerungen (Anlagen 5 und 6 zur Antragsschrift, Bl. 39 - 102 GA). Aufgrund der Lage im Einzugsbereich von D... könne er nur relativ niedrige Preise verlangen.
Die Antragsteller beantragen,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 17.08.2016 und der Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom 04.08.2016 in Höhe von 12.423,- € für 2011, 15.030,- € für 2012 und 16.594,- € für 2013 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unbegründet. Der Antragsteller sei zur Einzelaufzeichnung verpflichtet. Die Listen, in denen die Einnahmen getrennt nach den einzelnen Angestellten aufgezeichnet seien, genügten diesen Anforderungen nicht. Denn dann hätte jeder Einzelumsatz mit Datum, Uhrzeit und konkretem Leistungsinhalt notiert oder fortlaufend nummerierte Quittungsdurchschriften aufbewahrt werden müssen. Auch die Kassenberichte seien nicht ausreichend, weil der Antragsteller den Kassenbestand nicht durch Auszählen ermittelt habe. Es könne dahinstehen, ob die vom Prüfer vorgenommene Kalkulation zutreffend sei, da das Ergebnis noch immer zu Rohgewinnaufschlägen führe, die im unteren Bereich der Richtwertsätze lägen. Da die Kundinnen ausweislich der vorgelegten Unterlagen aus dem gesamten Stadtgebiet oder sogar dem Umland von D... kämen, könne von einer durch regionale Zwänge geprägten Preisgestaltung nicht ausgegangen werden. Die vorgelegten Vereinbarungen beträfen nach ihrem Umfang lediglich Haarverdichtungen, so dass die dabei vereinbarten Preise nicht repräsentativ seien.
Dem Gericht haben zur Steuer-Nr. ... je ein Band Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer-, Betriebsprüfungs- und Bilanzakten sowie ein Band Arbeitsbogen, schließlich zur Steuer-Nr. ... eine Betriebsprüfungsakte und ein Band Arbeitsbogen vorgelegen.
II.
Die Antragsteller haben auch die nachzuzahlenden Zinsbeträge in ihrem Antrag genannt. Da die Zinsbescheide nach Aktenlage nicht angefochten wurden und von den Zinsbescheiden auch keine gesonderte Beschwer ausgeht, geht das Gericht davon aus, dass die diesbezüglichen Anträge nur eine Anregung an den Antragsgegner darstellen, bei einem Erfolg des Antrags entsprechend § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO die Vollziehung der Zinsbescheide auszusetzen.
Der Antrag ist teilweise begründet.
Im tenorierten Umfang bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.02.1967 III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 87, 447, Bundessteuerblatt -BStBl- III 1967, 182; Beschluss vom 21.07.2016 V B 37/16, BFHE 254, 491, BFH/NV 2016, 1487 [BFH 21.07.2016 - V B 37/16]). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH, Beschluss vom 24.05.2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253 m.w.N.). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH, Beschlüsse vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 [BFH 07.09.2011 - I B 157/10]; vom 24.05.2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO grundsätzlich die Regeln über die objektive Feststellungslast mit der Folge, dass die Beteiligten entscheidungserhebliche Einwendungen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten darlegen und ggf. glaubhaft machen müssen (BFH, Beschlüsse vom 26.08.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255; vom 27.11.2009 II B 102/09, [...]).
Ausgehend von diesen Kriterien erscheint nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsgegner dem Grunde nach zu Hinzuschätzungen befugt war, jedoch in Höhe der tenorierten Beträge, dass der Antragsgegner Hinzuschätzungen in Höhe der in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesenen Größenordnung vornehmen durfte.
Die vom Antragsteller als Gewinnermittler nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 AO zu führenden Kassenaufzeichnungen waren in den Streitjahren nicht ordnungsmäßig.
Der Antragsteller war jedenfalls nach § 22 Umsatzsteuergesetz -UStG- grundsätzlich verpflichtet, seine Umsätze einzeln aufzuzeichnen. Allerdings ist anerkannt, dass diese Verpflichtung nicht besteht, wenn Betriebe Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden (vgl. BFH, Urteil vom 16.12.2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519, [BFH 16.12.2014 - X R 42/13] Rn 20). Ob der Antragsteller als Inhaber eines Friseurgeschäfts mit dem besonderen Geschäftszweig "Haarverlängerung" danach von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung suspendiert war, lässt sich der einschlägigen Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen. Soweit ersichtlich ist zu dieser Frage keine Rechtsprechung veröffentlicht. Eine einzelne (ablehnende) Stimme in der Literatur (Pump, Deutsche Steuer-Zeitung -DStZ- 2014, 648 [649] unter Hinweis auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung des Finanzgerichts -FG- Münster; ders, Steuerliche Betriebsprüfung -StBp- 2016, 199 [201 f.]) führt trotz der dort angeführten ernstzunehmenden Argumenten nicht dazu, dass ernstliche Zweifel an einer Einzelaufzeichnungspflicht zu verneinen wären.
Für die Fälle, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen nicht erforderlich ist, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird (BFH, Urteil vom 26.02.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 [BFH 26.02.2004 - XI R 25/02]; Beschluss vom 07.12.2010 III B 199/09, BFH/NV 2011, 411; als zu großzügig kritisiert von Pump, DStZ 2014, 648; StBp 2015, 1 [3 f.]). Andererseits ist für eine allein auf einen täglichen Kassenbericht gestützte Kassenbuchführung erforderlich, dass Anfangs- und Endbestände abgestimmt und nicht nur rechnerisch fortgeführt werden (BFH, Urteil vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12; FG Münster, Beschluss vom 10.11.2003 6 V 4562/03 E, U, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 236). Der erkennende Senat versteht diese Rechtsprechung dahin gehend, dass der Kassenbestand täglich nach Geschäftsschluss ausgezählt werden muss (ebenso BFH, Beschluss vom 23.12.2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.12.2013 1 K 1147/12, [...]; Schumann, AO-Steuerberater -AO-StB- 2015, 213 [214]; Anders/Gärtner, Die Steuerberatung -Stbg- 2016, 67 [69]). Die fehlende Abstimmung des Kassenbestandes ist nur unschädlich, wenn die in den Kassenbericht eingetragene Summe an Hand von aufbewahrten Kassenzetteln oder Bons nachvollziehbar ist (BFH, Urteil vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12; FG Münster, Beschluss vom 10.11.2003 6 V 4562/03 E, U, EFG 2004, 236).
Davon ausgehend ergibt sich für den Streitfall: Der Antragsteller hat zwar tägliche Kassenberichte geführt, die jedoch nicht auf täglichen Auszählungen, sondern auf der Weiterberechnung der vom Vortag übernommenen Kassenbestände beruhen. Grundlage dieser Weiterberechnung sind die handschriftlichen Aufzeichnungen in Gestalt von DIN-A-4-Blättern (wie z.B. Bl. 28 GA), die keine Uraufzeichnungen darstellen, da sie nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinnahmung der dort aufgeführten Entgelte, sondern auf der Grundlage von losen, im Wesentlichen undatierten Notizzetteln (wie z.B. Bl. 30 - 32 GA) erstellt worden sind. Diese Notizzettel stellen die Uraufzeichnungen dar. Unklar und von den Antragstellern nicht dargelegt ist, ob diese Notizzettel für sämtliche Öffnungstage des Streitzeitraums vorliegen. Der Umstand, dass der Prüfer nur den Kassenbericht und die DIN-A-4-Blätter beispielhaft dokumentiert hat (Bl. 44 - 50 AB 146/15), spricht dagegen. Das Fehlen dieser Uraufzeichnungen führt dazu, dass die im Kassenbericht eingetragene Summe nicht i.S. der oben zitierten Rechtsprechung an Hand von aufbewahrten Kassenzetteln oder Bons nachvollziehbar ist (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.07.2007 14 K 3368/06 B, [...], Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BFH, Beschluss vom 07.02.2008 X B 189/07, [...]). Selbst wenn die erwähnten Notizzettel für alle oder nahezu alle Öffnungstage des Streitzeitraums vorliegen würden, ergäbe sich keine zugunsten der Antragsteller abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage. Denn den Notizzetteln lässt sich nur ausnahmsweise entnehmen, welchem Datum sie zuzuordnen sind. Sie sind auch nicht durchgehend nummeriert, so dass sich auch dadurch keine zuverlässige Zuordnung vornehmen lässt. Eine wie auch immer geartete Sicherung, die die Gewähr bietet, dass die Notizzettel vollständig sind und den ursprünglichen Aufzeichnungen entsprechen, ist nicht ersichtlich.
Ferner lässt sich weder den Notizzetteln, noch den Zusammenstellungen auf den DIN-A-4-Blättern entnehmen, welche Umsätze bar und welche unbar vereinnahmt wurden. Schließlich ist unklar, wann die Antragstellerin oder ihre Vertretung "Kerstin", die ausweislich einer Notiz des Außenprüfers (Bl. 116 Betriebsprüfungsakte ...) die Aufzeichnungen geführt haben sollen, den Inhalt der Notizzettel auf die DIN-A-4-Blätter und davon weiter auf die Kassenberichte übertragen haben. Dass dies zeitnah gesehen ist, kann der erkennende Senat dem Akteninhalt nicht entnehmen.
Zugunsten der Antragsteller ergibt sich nichts daraus, dass im Rahmen der für 2007 durchgeführten Außenprüfung für diesen Veranlagungszeitraum keine Beanstandungen gegen die Kassenführung erhoben wurden. Das Gericht kann schon nicht feststellen, dass die für 2007 der Prüferin vorgelegten Kassenunterlagen in ihrer äußeren Form mit den Unterlagen identisch waren, die für die Streitjahre geführt wurden.
Die Antragsteller haben weder dargelegt, noch glaubhaft gemacht, dass sie die Prüferin seinerzeit darauf hingewiesen haben, dass die Kassenberichte nicht auf ausgezählten Kassenbeständen beruhen und dass die Einnahme-Übersichten (DIN-A-4-Blätter) nicht die Uraufzeichnungen darstellen oder dass die Prüferin dies erkannt hatte. Ferner begründet die Behandlung durch Außenprüfungen in früheren Veranlagungszeiträumen kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Finanzbehörde in Zukunft ebenso verfahren werde (BFH, Urteile vom 07.10.2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 17.10.2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, [BFH 17.10.2013 - IV R 7/11] Rn 44). Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner von diesem allgemein geltenden Grundsatz abweichend im Streitfall eine Zusage gemäß § 204 AO oder eine Bewilligung von Erleichterungen gemäß § 148 AO erteilt hätte, bestehen nicht. Angesichts des Ausnahmecharakters solcher Regelungen hätte dies deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Da bei einem bargeldintensiven Betrieb wie dem des Antragstellers die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung das tragende Element für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und für die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO darstellt, war der Antragsgegner nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dem Grunde nach befugt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass nach der unbestrittenen Darlegung des Antragsgegners der vom Antragsteller erklärte Rohgewinn unter den Rohgewinnsätzen laut Richtsätzen lag, bestand Anlass zu einer Hinzuschätzung von Erlösen.
Allerdings hat der erkennende Senat Bedenken gegen die vom Antragsgegner vorgenommene Nachkalkulation. Diese rühren einerseits daher, dass der Antragsgegner zur Ermittlung der erklärten Umsätze aus Haarverlängerungen nur solche Umsätze berücksichtigt hat, die die Summe von 200,- € übersteigen. Aus den vorgelegten Vereinbarungen mit Kundinnen ergibt sich jedoch, dass entsprechende Umsätze im Einzelfall auch aus Geschäften mit einem Volumen von unter 200,- € resultierten. Ferner konnte die Nachkalkulation noch nicht die von den Antragstellern eingereichte Preisliste und die vertraglichen Vereinbarungen berücksichtigen, die Anhaltspunkte für (jedenfalls verbreitet) vereinbarte Komplettpreise beinhalten.
Die Vornahme einer eigenständigen Nachkalkulation ausgehend von den vorstehend geschilderten veränderten Kalkulationsgrundlagen übersteigt den Rahmen einer dem Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO angemessenen summarischen Prüfung. Ferner ist zweifelhaft, ob eine solche Nachkalkulation annähernd zuverlässig möglich ist, weil nicht auszuschließen ist, dass die in der Spanne zwischen 125,- € und 200,- € erzielten Umsätze zum Teil auch anderen Umsätzen als solchen aus Haarverlängerungen oder Haarverdichtungen zuzuordnen sind. Dem entsprechend wendet der erkennende Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung wegen der erheblichen Bedeutung der Buchführungsmängel einen Unsicherheitszuschlag in Höhe von 10 % auf die erklärten Umsätze an (vgl. BFH, Beschluss vom 10.05.2012 X B 71/11, BFH/NV 2012, 1464; Brinkmann, StBp 2014, 29 [32] m.w.N.).
Gegen die weiteren Prüfungsfeststellungen haben die Antragsteller keine Einwände erhoben, so dass insoweit ernstliche Zweifel nicht ersichtlich sind.
Daraus ergeben sich die folgenden Auswirkungen:
2011 2012 2013
Umsatzerlöse lt. JA ohne Entn. 303.423,58 € 276.546,61 € 266.631,73 €
10 % davon 30.342,36 € 27.654,66 € 26.663,17 €
Hinzuschätzung bisher 45.000,00 € 53.000,00 € 37.500,00 €
Minderung 14.657,64 € 25.345,34 € 10.836,83 €
Gewinnerhöhung insg. 46.800,00 € 54.790,02 € 64.577,44 €
Minderung über alle Jahre 50.839,81 €
beantragt über alle Jahre 166.167,46 €
Erfolgsquote 31%
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Beschl. v. 13.02.2017
Az.: 7 V 7345/16
In dem Verfahren
der Frau A...,
des Herrn B...,
Antragsteller,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Antragsgegner,
wegen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) - Einkommensteuer 2011 bis 2013
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat - am 13. Februar 2017 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
die Richterin am Finanzgericht ... und
den Richter am Finanzgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 17.08.2016 und der Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom 04.08.2016 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer Entscheidung über den gegen die vorgenannten Bescheide anhängigen Einspruch oder dessen sonstiger Erledigung in der Weise ausgesetzt, dass für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung von einem um 14.657,64 € in 2011, von einem um 25.345,34 € in 2012 und von einem um 10.836,83 € in 2013 geminderten Gewinn aus Gewerbebetrieb auszugehen ist.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern zu 69 % und dem Antragsgegner zu 31 % auferlegt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner die erklärten Gewinne zu Recht um Hinzuschätzungen erhöht hat.
Die Antragsteller sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Antragsteller betreibt unter der Bezeichnung "C..." als Einzelunternehmer ein Friseurgeschäft in D..., das einen wesentlichen Teil seiner Umsätze mit Haarverlängerungen erzielt. Dazu erteilten ihm die Kundinnen - jedenfalls in einer größeren Zahl von Fällen -vorab schriftliche Aufträge, in denen für eine genauer vereinbarte Art und Zahl von Strähnen stets "glatte" Komplettpreise vereinbart wurden (nach den vorgelegten Unterlagen zwischen 125,- € und 900,- €; Anlage 6 zum Antragsschriftsatz, Bl. 63 - 102 Gerichtsakte -GA-). Seine Einkünfte ermittelte der Antragsteller durch Bestandsvergleich. Seine Ladeneinnahmen dokumentierte er durch handschriftliche Kassenberichte, in denen ein Anfangsbestand eingetragen wurde und sodann die Tageseinnahme. Von der danach berechneten Zwischensumme zog er die Geschäftsausgaben und als sonstige Ausgaben die mit Geldkarte bargeldlos beglichenen Umsätze sowie Bankeinzahlungen ab. Danach wurde der Endbestand ausgewiesen. Die vorliegenden Kassenberichte vom 01.11.2011, 01.03.2012, 04.10.2013 und 03.12.2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 44 - 48 Arbeitsbogen -AB- 146/15, Bl. 33 GA), weisen Kassenendbestände in Höhe von 3.866,84 €, 2.047,92 €, 8.587,42 € und 1.693,30 € aus. Daneben wurden handschriftliche Aufzeichnungen über die von den einzelnen Angestellten erzielten Umsätze geführt, in denen je Person Einzelbeträge zugeordnet werden. Wie die Umsätze bezahlt wurden (bar oder bargeldlos) ist diesen Aufstellungen nicht zu entnehmen, ebenso wenig der Kassenbestand bei Geschäftsöffnung und bei Geschäftsschließung. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Kopien im Arbeitsbogen (Bl. 45 - 50 AB 146/15) und in der Gerichtsakte (Bl. 28 GA) Bezug.
In seinen Jahresabschlüssen erklärte der Antragsteller Umsatzerlöse in Höhe von 303.423,58 € für 2011, 276.546,61 € für 2012 und 266.631,73 € für 2013.
Neben dem Friseurbetrieb führt der Antragsteller noch einen Betrieb als Handelsvertreter für den Hersteller der Haarverlängerungen, in dessen Rahmen die Antragstellerin als Trainerin tätig wird.
Die Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre erfolgten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In 2010 führte der Antragsgegner beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 durch. Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass für die Jahre 2005 und 2006 die Kassenführung nicht ordnungsmäßig sei, dass jedoch für 2007 die Mängel weitgehend behoben worden seien, so dass für 2007 keine Hinzuschätzung vorzunehmen sei.
Vom 24.08.2015 bis 20.04.2016 führte der Antragsgegner beim Antragsteller eine Außenprüfung durch, die u.a. die Einkommensteuer 2011 bis 2013 umfasste. Der Prüfer gelangte zu der Auffassung, dass die Kassenbuchführung des Antragstellers nicht ordnungsmäßig sei. Es seien keine auf täglichen Auszählungen beruhenden Kassenberichte erstellt und vorgelegt worden. Die Kassenberichte in der Buchführung seien bloße Kassenbestandsrechnungen, worauf auch die hohen Kassenbestände (bis zu 9.375,25 €) hinweisen würden. Dies nahm der Prüfer zum Anlass, die Einnahmen aus den Haarverlängerungen nachzukalkulieren. Die Summe der erklärten Einnahmen aus Haarverlängerungen ermittelte er, indem er den Aufstellungen über die Einzelumsätze der Angestellten die Beträge ab 200,- € entnahm und diese aufsummierte. Dabei ging der Prüfer davon aus, dass damit sämtliche Umsätze aus Haarverlängerungen erfasst wurden. Ferner ermittelte er aus den Rechnungen über den Wareneinkauf sowie den Inventuraufzeichnungen, in welcher Größenordnung welche Strähnen für Haarverlängerungen verwendet worden waren. Als Verkaufspreis setzte er die vom Hersteller empfohlenen Verkaufspreise an sowie Erlöse aus sonstigen Dienstleistungen in Höhe von 1,50 €/Strähne. Auf diese Weise kalkulierte er Umsätze aus Haarverlängerungen in 2012 in Höhe von 180.737,82 €, denen eine Summe von Einzelumsätzen von mehr als 200,- € in Höhe von 127.552,- € gegenüber stand. Die Differenz (53.185,82 €, gerundet auf 53.000,- €) schätzte der Prüfer hinzu. Entsprechend ermittelte der Prüfer für 2013 eine Differenz in Höhe von 37.810,30 € (Hinzuschätzung: 37.500,- €). Die für 2012 und 2013 im Wege der Nachkalkulation ermittelten Umsätze aus Haarverlängerungen stellte der Prüfer dem für diese Jahre erklärten Wareneinsatz gegenüber, woraus er einen durchschnittlichen Rohgewinn-Aufschlag von 232,55 ermittelte. Diesen wandte er auf den für 2011 erklärten Wareneinsatz von 84.212,67 € an und ermittelte so einen kalkulierten Umsatz aus Haarverlängerungen in Höhe von 195.836,56 €, denen eine Summe von Einzelumsätzen von mehr als 200,- € in Höhe von 150.783,- € gegenüber stand. Die Differenz (45.053,56 €, gerundet auf 45.000,- €) schätzte der Prüfer hinzu. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Anlagen 7 bis 9 zum Außenprüfungsbericht Bezug. Ferner sah der Prüfer Anlass, die erklärten Gewinne aus Gewerbetrieb um Warenentnahmen in Höhe von 357,- € in 2013, Zinsaufwand in 2011 und 2012 (je 1.800,- €), verjährte Verbindlichkeiten in Höhe von 25.814,98 € in 2013 und Feststellungen aus dem Bericht über den Betrieb als Handelsvertreter (Steuer-Nr. ...) in Höhe von 9.973,- € in 2011, 3.737,- € in 2012 und 1.235,- € in 2013 zu erhöhen.
Dem folgend erließ der Antragsgegner am 04.08.2016 nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- geänderte Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013, von denen der Einkommensteuerbescheid 2011 am 17.08.2016 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert wurde, so dass nunmehr Nachzahlungen in Höhe von 12.423,- € für 2011, 15.030,- € für 2012 und 16.594,- € für 2013 angefordert wurden. Gegen diese Bescheide legten die Antragsteller am 17.08.2016 und 05.09.2016 (Bl. 60, 100 Einkommensteuerakte -EA-) Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung am 04.10.2016 ab, wogegen die Antragsteller Einwände erhoben, die der Antragsgegner als Einspruch gegen die Ablehnungsverfügung auffasste. Diesen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 15.11.2016 als unbegründet zurück. Der Einspruch in der Hauptsache ist nach wie vor anhängig.
Am 28.12.2016 haben die Antragsteller einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- gestellt. Sie machen geltend, die Kassenbuchführung des Antragstellers sei ordnungsmäßig. Er selber arbeite krankheitsbedingt seit Jahren nicht mehr im Betrieb. Seine Mitarbeiter würden die von ihnen vereinnahmten Einzelbeträge auf Zetteln notieren, die er mit Hilfe seiner im Betrieb mitarbeitenden Ehefrau zusammenfasse und sodann in den Kassenbericht übertrage. Durch Abzug der Barausgaben und der bargeldlosen Zahlungen werde der Kassenbestand ermittelt.
Auf die beispielhaft für den 03.12.2013 und 16.12.2013 vorgelegten Unterlagen (Anlage 2 zur Antragsschrift, Bl. 26 - 33 GA; Anlagen zum Schriftsatz vom 09.09.2016, Bl. 89 - 92 EA) wird Bezug genommen. Der Antragsteller halte auch keinen ungewöhnlich hohen Kassenbestand vor, da er im etwa 14-tägigen Rhythmus Bareinzahlungen auf sein Bankkonto vornehme. Es habe auch keine Kassenfehlbestände gegeben. Jedenfalls habe er darauf vertrauen dürfen, dass die von ihm geführte Kassenbuchführung ordnungsmäßig sei, weil er sie schon 2007 praktiziert habe und die in 2010 durchgeführte Außenprüfung insoweit (anders als für die Vorjahre) zu keinen Beanstandungen geführt habe.
Schließlich sei der vom Prüfer vorgenommenen Nachkalkulation nicht zu folgen. Entgegen der Vermutung des Prüfers verlange er von seinen Kunden ausschließlich Komplettpreise ohne Zusatzentgelte für Nebenleistungen wie z.B. Schneiden, Waschen oder Färben. Er verweist auf seine Preisliste (Anlage 4 zur Antragsschrift, Bl. 35 GA) sowie schriftliche Bestätigungen von Kundinnen und schriftliche Aufträge für Haarverlängerungen (Anlagen 5 und 6 zur Antragsschrift, Bl. 39 - 102 GA). Aufgrund der Lage im Einzugsbereich von D... könne er nur relativ niedrige Preise verlangen.
Die Antragsteller beantragen,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 17.08.2016 und der Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 vom 04.08.2016 in Höhe von 12.423,- € für 2011, 15.030,- € für 2012 und 16.594,- € für 2013 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unbegründet. Der Antragsteller sei zur Einzelaufzeichnung verpflichtet. Die Listen, in denen die Einnahmen getrennt nach den einzelnen Angestellten aufgezeichnet seien, genügten diesen Anforderungen nicht. Denn dann hätte jeder Einzelumsatz mit Datum, Uhrzeit und konkretem Leistungsinhalt notiert oder fortlaufend nummerierte Quittungsdurchschriften aufbewahrt werden müssen. Auch die Kassenberichte seien nicht ausreichend, weil der Antragsteller den Kassenbestand nicht durch Auszählen ermittelt habe. Es könne dahinstehen, ob die vom Prüfer vorgenommene Kalkulation zutreffend sei, da das Ergebnis noch immer zu Rohgewinnaufschlägen führe, die im unteren Bereich der Richtwertsätze lägen. Da die Kundinnen ausweislich der vorgelegten Unterlagen aus dem gesamten Stadtgebiet oder sogar dem Umland von D... kämen, könne von einer durch regionale Zwänge geprägten Preisgestaltung nicht ausgegangen werden. Die vorgelegten Vereinbarungen beträfen nach ihrem Umfang lediglich Haarverdichtungen, so dass die dabei vereinbarten Preise nicht repräsentativ seien.
Dem Gericht haben zur Steuer-Nr. ... je ein Band Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer-, Betriebsprüfungs- und Bilanzakten sowie ein Band Arbeitsbogen, schließlich zur Steuer-Nr. ... eine Betriebsprüfungsakte und ein Band Arbeitsbogen vorgelegen.
II.
Die Antragsteller haben auch die nachzuzahlenden Zinsbeträge in ihrem Antrag genannt. Da die Zinsbescheide nach Aktenlage nicht angefochten wurden und von den Zinsbescheiden auch keine gesonderte Beschwer ausgeht, geht das Gericht davon aus, dass die diesbezüglichen Anträge nur eine Anregung an den Antragsgegner darstellen, bei einem Erfolg des Antrags entsprechend § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO die Vollziehung der Zinsbescheide auszusetzen.
Der Antrag ist teilweise begründet.
Im tenorierten Umfang bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.02.1967 III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 87, 447, Bundessteuerblatt -BStBl- III 1967, 182; Beschluss vom 21.07.2016 V B 37/16, BFHE 254, 491, BFH/NV 2016, 1487 [BFH 21.07.2016 - V B 37/16]). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH, Beschluss vom 24.05.2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253 m.w.N.). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH, Beschlüsse vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 [BFH 07.09.2011 - I B 157/10]; vom 24.05.2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO grundsätzlich die Regeln über die objektive Feststellungslast mit der Folge, dass die Beteiligten entscheidungserhebliche Einwendungen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten darlegen und ggf. glaubhaft machen müssen (BFH, Beschlüsse vom 26.08.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255; vom 27.11.2009 II B 102/09, [...]).
Ausgehend von diesen Kriterien erscheint nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsgegner dem Grunde nach zu Hinzuschätzungen befugt war, jedoch in Höhe der tenorierten Beträge, dass der Antragsgegner Hinzuschätzungen in Höhe der in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesenen Größenordnung vornehmen durfte.
Die vom Antragsteller als Gewinnermittler nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 AO zu führenden Kassenaufzeichnungen waren in den Streitjahren nicht ordnungsmäßig.
Der Antragsteller war jedenfalls nach § 22 Umsatzsteuergesetz -UStG- grundsätzlich verpflichtet, seine Umsätze einzeln aufzuzeichnen. Allerdings ist anerkannt, dass diese Verpflichtung nicht besteht, wenn Betriebe Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden (vgl. BFH, Urteil vom 16.12.2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519, [BFH 16.12.2014 - X R 42/13] Rn 20). Ob der Antragsteller als Inhaber eines Friseurgeschäfts mit dem besonderen Geschäftszweig "Haarverlängerung" danach von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung suspendiert war, lässt sich der einschlägigen Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen. Soweit ersichtlich ist zu dieser Frage keine Rechtsprechung veröffentlicht. Eine einzelne (ablehnende) Stimme in der Literatur (Pump, Deutsche Steuer-Zeitung -DStZ- 2014, 648 [649] unter Hinweis auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung des Finanzgerichts -FG- Münster; ders, Steuerliche Betriebsprüfung -StBp- 2016, 199 [201 f.]) führt trotz der dort angeführten ernstzunehmenden Argumenten nicht dazu, dass ernstliche Zweifel an einer Einzelaufzeichnungspflicht zu verneinen wären.
Für die Fälle, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen nicht erforderlich ist, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird (BFH, Urteil vom 26.02.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599 [BFH 26.02.2004 - XI R 25/02]; Beschluss vom 07.12.2010 III B 199/09, BFH/NV 2011, 411; als zu großzügig kritisiert von Pump, DStZ 2014, 648; StBp 2015, 1 [3 f.]). Andererseits ist für eine allein auf einen täglichen Kassenbericht gestützte Kassenbuchführung erforderlich, dass Anfangs- und Endbestände abgestimmt und nicht nur rechnerisch fortgeführt werden (BFH, Urteil vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12; FG Münster, Beschluss vom 10.11.2003 6 V 4562/03 E, U, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 236). Der erkennende Senat versteht diese Rechtsprechung dahin gehend, dass der Kassenbestand täglich nach Geschäftsschluss ausgezählt werden muss (ebenso BFH, Beschluss vom 23.12.2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.12.2013 1 K 1147/12, [...]; Schumann, AO-Steuerberater -AO-StB- 2015, 213 [214]; Anders/Gärtner, Die Steuerberatung -Stbg- 2016, 67 [69]). Die fehlende Abstimmung des Kassenbestandes ist nur unschädlich, wenn die in den Kassenbericht eingetragene Summe an Hand von aufbewahrten Kassenzetteln oder Bons nachvollziehbar ist (BFH, Urteil vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12; FG Münster, Beschluss vom 10.11.2003 6 V 4562/03 E, U, EFG 2004, 236).
Davon ausgehend ergibt sich für den Streitfall: Der Antragsteller hat zwar tägliche Kassenberichte geführt, die jedoch nicht auf täglichen Auszählungen, sondern auf der Weiterberechnung der vom Vortag übernommenen Kassenbestände beruhen. Grundlage dieser Weiterberechnung sind die handschriftlichen Aufzeichnungen in Gestalt von DIN-A-4-Blättern (wie z.B. Bl. 28 GA), die keine Uraufzeichnungen darstellen, da sie nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinnahmung der dort aufgeführten Entgelte, sondern auf der Grundlage von losen, im Wesentlichen undatierten Notizzetteln (wie z.B. Bl. 30 - 32 GA) erstellt worden sind. Diese Notizzettel stellen die Uraufzeichnungen dar. Unklar und von den Antragstellern nicht dargelegt ist, ob diese Notizzettel für sämtliche Öffnungstage des Streitzeitraums vorliegen. Der Umstand, dass der Prüfer nur den Kassenbericht und die DIN-A-4-Blätter beispielhaft dokumentiert hat (Bl. 44 - 50 AB 146/15), spricht dagegen. Das Fehlen dieser Uraufzeichnungen führt dazu, dass die im Kassenbericht eingetragene Summe nicht i.S. der oben zitierten Rechtsprechung an Hand von aufbewahrten Kassenzetteln oder Bons nachvollziehbar ist (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.07.2007 14 K 3368/06 B, [...], Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BFH, Beschluss vom 07.02.2008 X B 189/07, [...]). Selbst wenn die erwähnten Notizzettel für alle oder nahezu alle Öffnungstage des Streitzeitraums vorliegen würden, ergäbe sich keine zugunsten der Antragsteller abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage. Denn den Notizzetteln lässt sich nur ausnahmsweise entnehmen, welchem Datum sie zuzuordnen sind. Sie sind auch nicht durchgehend nummeriert, so dass sich auch dadurch keine zuverlässige Zuordnung vornehmen lässt. Eine wie auch immer geartete Sicherung, die die Gewähr bietet, dass die Notizzettel vollständig sind und den ursprünglichen Aufzeichnungen entsprechen, ist nicht ersichtlich.
Ferner lässt sich weder den Notizzetteln, noch den Zusammenstellungen auf den DIN-A-4-Blättern entnehmen, welche Umsätze bar und welche unbar vereinnahmt wurden. Schließlich ist unklar, wann die Antragstellerin oder ihre Vertretung "Kerstin", die ausweislich einer Notiz des Außenprüfers (Bl. 116 Betriebsprüfungsakte ...) die Aufzeichnungen geführt haben sollen, den Inhalt der Notizzettel auf die DIN-A-4-Blätter und davon weiter auf die Kassenberichte übertragen haben. Dass dies zeitnah gesehen ist, kann der erkennende Senat dem Akteninhalt nicht entnehmen.
Zugunsten der Antragsteller ergibt sich nichts daraus, dass im Rahmen der für 2007 durchgeführten Außenprüfung für diesen Veranlagungszeitraum keine Beanstandungen gegen die Kassenführung erhoben wurden. Das Gericht kann schon nicht feststellen, dass die für 2007 der Prüferin vorgelegten Kassenunterlagen in ihrer äußeren Form mit den Unterlagen identisch waren, die für die Streitjahre geführt wurden.
Die Antragsteller haben weder dargelegt, noch glaubhaft gemacht, dass sie die Prüferin seinerzeit darauf hingewiesen haben, dass die Kassenberichte nicht auf ausgezählten Kassenbeständen beruhen und dass die Einnahme-Übersichten (DIN-A-4-Blätter) nicht die Uraufzeichnungen darstellen oder dass die Prüferin dies erkannt hatte. Ferner begründet die Behandlung durch Außenprüfungen in früheren Veranlagungszeiträumen kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Finanzbehörde in Zukunft ebenso verfahren werde (BFH, Urteile vom 07.10.2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 17.10.2013 IV R 7/11, BFHE 243, 256, BStBl II 2014, 302, [BFH 17.10.2013 - IV R 7/11] Rn 44). Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner von diesem allgemein geltenden Grundsatz abweichend im Streitfall eine Zusage gemäß § 204 AO oder eine Bewilligung von Erleichterungen gemäß § 148 AO erteilt hätte, bestehen nicht. Angesichts des Ausnahmecharakters solcher Regelungen hätte dies deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Da bei einem bargeldintensiven Betrieb wie dem des Antragstellers die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung das tragende Element für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und für die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO darstellt, war der Antragsgegner nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dem Grunde nach befugt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass nach der unbestrittenen Darlegung des Antragsgegners der vom Antragsteller erklärte Rohgewinn unter den Rohgewinnsätzen laut Richtsätzen lag, bestand Anlass zu einer Hinzuschätzung von Erlösen.
Allerdings hat der erkennende Senat Bedenken gegen die vom Antragsgegner vorgenommene Nachkalkulation. Diese rühren einerseits daher, dass der Antragsgegner zur Ermittlung der erklärten Umsätze aus Haarverlängerungen nur solche Umsätze berücksichtigt hat, die die Summe von 200,- € übersteigen. Aus den vorgelegten Vereinbarungen mit Kundinnen ergibt sich jedoch, dass entsprechende Umsätze im Einzelfall auch aus Geschäften mit einem Volumen von unter 200,- € resultierten. Ferner konnte die Nachkalkulation noch nicht die von den Antragstellern eingereichte Preisliste und die vertraglichen Vereinbarungen berücksichtigen, die Anhaltspunkte für (jedenfalls verbreitet) vereinbarte Komplettpreise beinhalten.
Die Vornahme einer eigenständigen Nachkalkulation ausgehend von den vorstehend geschilderten veränderten Kalkulationsgrundlagen übersteigt den Rahmen einer dem Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO angemessenen summarischen Prüfung. Ferner ist zweifelhaft, ob eine solche Nachkalkulation annähernd zuverlässig möglich ist, weil nicht auszuschließen ist, dass die in der Spanne zwischen 125,- € und 200,- € erzielten Umsätze zum Teil auch anderen Umsätzen als solchen aus Haarverlängerungen oder Haarverdichtungen zuzuordnen sind. Dem entsprechend wendet der erkennende Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung wegen der erheblichen Bedeutung der Buchführungsmängel einen Unsicherheitszuschlag in Höhe von 10 % auf die erklärten Umsätze an (vgl. BFH, Beschluss vom 10.05.2012 X B 71/11, BFH/NV 2012, 1464; Brinkmann, StBp 2014, 29 [32] m.w.N.).
Gegen die weiteren Prüfungsfeststellungen haben die Antragsteller keine Einwände erhoben, so dass insoweit ernstliche Zweifel nicht ersichtlich sind.
Daraus ergeben sich die folgenden Auswirkungen:
2011 2012 2013
Umsatzerlöse lt. JA ohne Entn. 303.423,58 € 276.546,61 € 266.631,73 €
10 % davon 30.342,36 € 27.654,66 € 26.663,17 €
Hinzuschätzung bisher 45.000,00 € 53.000,00 € 37.500,00 €
Minderung 14.657,64 € 25.345,34 € 10.836,83 €
Gewinnerhöhung insg. 46.800,00 € 54.790,02 € 64.577,44 €
Minderung über alle Jahre 50.839,81 €
beantragt über alle Jahre 166.167,46 €
Erfolgsquote 31%
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.