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  • 09.08.2022 · IWW-Abrufnummer 230668

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 16.02.2022 – 12 K 509/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Köln


    Tenor:

    Unter Änderung der Bescheide über die Feststellung von Einkünften und Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG jeweils für 2016 vom 26. Januar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 wird dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, die Einkünfte und den verrechenbaren Verlust nach Maßgabe der Entscheidungsgründe, insbesondere dahingehend neu zu ermitteln und festzusetzen, dass § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG teleologisch dahingehend reduziert wird, dass die Gewinnzurechnung nicht nur ausgeschlossen ist, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine Haftung nach Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell besteht.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

    Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, soweit die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    1
    Tatbestand

    2
    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte im Streitjahr 2016 zu Recht Teile einer Entnahme gemäß § 15a Abs. 3 EStG dem Gewinn hinzugerechnet hat.

    3
    Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ein …werk betreibt. Persönlich haftender Gesellschafter ist die A GmbH. Alleinige Kommanditistin ist die A1 GmbH & Co. KG mit einer Gesellschaftseinlage von 1.064.000,00 € im Streitjahr. Die Kommanditistin ist zum 31. Dezember 2009 in die Gesellschaft eingetreten. Sie hat dabei ein negatives Kapitalkonto von 64.599,61 € übernommen, gleichzeitig betrug der Saldo der auf Haftung geleisteten Einlagen 65.599,61 €. Die Haftung laut Handelsregister war zu diesem Zeitpunkt auf 1.000,00 € begrenzt.

    4
    Am 22. April 2010 wurde eine Erhöhung der Hafteinlage um 629.000,00 € auf 630.000,00 € im Handelsregister eingetragen und auch durch die Kommanditistin geleistet. Im gleichen Jahr - am 19. November 2010 - wurde eine weitere Erhöhung um 434.000,00 € auf 1.064.000,00 € im Handelsregister eingetragen.

    5
    Weitere Einlagen leistete die Kommanditistin bis zum Streitjahr nicht. In den Jahren 2009 bis einschließlich 2015 hat die Kommanditistin 471.500,48 € dem Gesamthandsvermögen entnommen. Der negative Saldo der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustanteile beträgt bis einschließlich 2015 -760.333,30 €. Im Streitjahr hat die Kommanditistin weitere 600.026,48 € entnommen und einen handelsrechtlichen Gewinn von 86.326,11 € erzielt.

    6
    In der gesonderten und einheitlichen Feststellungserklärung 2016, die am 15. November 2017 eingereicht wurde, hat die Klägerin Entnahmen i.H.v. 600.026,48 € ausgewiesen.

    7
    Mit Bescheid vom 26. Januar 2018 für 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach §15a Abs. 4 EStG wurde bei der Kommanditistin eine Entnahme im Streitjahr 2016 in Höhe von 600.026,48 € gemäß § 15a Abs. 3 EStG festgestellt und daher ein Betrag i.H.v. 259.068,69 € als (fiktiver) Gewinn zugerechnet.

    8
    Hiergegen legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung verwies die Klägerin darauf, dass bei der Berechnung der als Gewinn hinzuzurechnenden Einlageminderung der im Wirtschaftsjahr zum Ausgleich verwendbare Betrag der Außenhaftung nicht berücksichtigt worden sei.

    9
    Mit Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 wurde dem Einspruch teilweise abgeholfen. So wurden unter Änderung des Bescheides vom 26. Januar 2018 die der A1 GmbH & Co. KG nach Anwendung des § 15a EStG zuzurechnenden Einkünfte auf 218.037,84 € und der verrechenbare Verlust i.S.d. § 15a EStG auf 147.790,99 € festgestellt. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte hatte bei der Feststellung die von der Klägerin erklärten Werte übernommen und die bestandskräftig feststehenden Werte der Vorjahre fortgeführt. Die Abweichung von der Erklärung der Klägerin beruhte auf der Anwendung von § 15a Abs. 3 EStG.

    10
    Zur Begründung ihrer hiergegen fristgemäß erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, dass die zum Ausgleich verwendbare Außenhaftung zu berücksichtigen sei, da alleine die eingetragene Haftsumme von 1.064.000,00 € die Summe der Verlustanteile bis 2016 in Höhe von -777.523,84 € überschreite.

    11
    Der Sinn und Zweck des § 15a Abs. 3 EStG stehe dem nicht entgegen. Dieser solle verhindern, dass der Steuerpflichtige durch vorübergehende Einlagen oder eine vorübergehende Haftungserweiterung Verlustausgleichpotenzial erreiche. Indes habe sie weder eine Einlage geleistet, die entnommen worden sei, noch sei das Haftkapital seit dem Kalenderjahr 2010 angepasst worden, um in Summe das entsprechende Verlustausgleichpotenzial erreichen zu können.

    12
    Allein die Tatsache, dass die Entnahmen sowie die bisherigen Verluste kumuliert die Haftsumme laut Handelsregister überschreiten würden, reiche für eine korrekte Berechnung nach § 15a Abs. 3 EStG nicht aus.

    13
    Vielmehr komme es für eine Gewinnzurechnung zusätzlich darauf an, inwieweit durch die Entnahme oder Kapitalherabsetzung ggf. die Außenhaftung nach §172 Abs. 4 HGB wieder auflebe. Im Streitfall lebe die Außenhaftung aufgrund der Entnahmen wieder auf, da keine entnahmefähigen Gewinne vorhanden gewesen seien. Somit sei eine Gewinnzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG nicht vorzunehmen.

    14
    Darüber hinaus sei zunächst maßgeblich, ob die Summe der Entnahmen und Verluste die Summe der Haftsumme und Einlagen überhaupt überschreiten würden.

    15
    Der Beklagte hingegen lasse die Einlagen, und somit die Entwicklung des Kapitalkontos an sich, offenbar außer Betracht.

    16
    Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sei zu verhindern, dass der Steuerpflichtige mehr Verluste steuerlich geltend machen könne, als die Summe der Beträge, die ihn tatsächlich wirtschaftlich belasten würden.

    17
    Verluste nach §15a EStG seien bis zur Höhe des Kapitalkontos zuzüglich einer etwaigen zusätzlichen Außenhaftung hingegen in voller Höhe abziehbar. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergebe sich im Streitfall folgendes:

    18


    Einlagen

    Ergänzungsbilanz

    Entnahmen

    Ergebnisanteil

    Haftsumme

    lt. HR

     

    2009

    0,00

    0,00

    0,00

    4.420,61

    0,00

    1.000,00

    2010

    629.000,00

    409.420,61

    - 20.557,61

    120.463,75

    -257.967,84

    1.064.000,00

    2011

    0,00

    0,00

    - 20.557,00

    100.434,58

    -89.928,20

    1.064.000,00

    2012

    0,00

    0,00

    - 20.557,00

    150.247,50

    -93.837,91

    1.064.000,00

    2013

    0,00

    0,00

    - 20.557,00

    104,42

    -88.802,97

    1.064.000,00

    2014

    0,00

    0,00

    - 20.557,00

    100.144,62

    -31.625,22

    1.064.000,00

    2015

    0,00

    0,00

    - 20.557,00

    105,61

    -132.571,55

    1.064.000,00

    Zwischen-summe

    629.000,00

    409.420,61

    -123.342,61

    475.921,09

    -694.733,69

    1.064.000,00

    2016

    0,00

    0,00

    20.557,00

    600.026,48

    86.326,11

    1.064.000,00

    Summe

    629.000,00

    409.420,61

    -143.899,61

    1.075.947,57

    -608.407,58

    1.064.000,00



    19
    Die handelsrechtlichen Werte für die Außenhaftung würden sich wie folgt ermitteln:

    20

    Kapital HGB

    Ergänzungsbilanz

    Kapital lt. ESt

    Außenhaftung lt. § 171 ff. HGB

    Kapital i.S.d. § 15a EStG

    2009

    -4.420,61

    0,00

    -4.420,61

    1.000,00

    -3.420,61

    2010

    246.147,80

    388.863,00

    635.010,80

    559.884,36

    1.194.895,16

    2011

    55.785,02

    368.306,00

    424.091,02

    660.318,94

    1.084.409,96

    2012

    -188.300,39

    347.749,00

    159.448,61

    810.566,44

    970.015,05

    2013

    -277.207,78

    327.192,00

    49.984,22

    810.670,86

    860.655,08

    2014

    -408.977,62

    306.635,00

    -102.342,62

    910.815,48

    808.472,86

    2015

    -541.654,78

    286.078,00

    -255.576,78

    910.921,09

    655.344,31

    2016

    -1.055.355,15

    265.521,00

    -789.834,15

    1.064.000,00

    274.165,85



    21
    Hieraus ergebe sich, dass sich unter Berücksichtigung der Außenhaftung zu keinem Zeitpunkt ein für die Verlustbeschränkung bzw. Gewinnzurechnung relevanter Wert ergebe.

    22
    Dies sei auch ohne jahresbezogene Betrachtung offensichtlich, da die Summe der Verluste im Gesamtzeitraum sowohl die Summe der Einlagen als auch die Haftsumme bereits für sich gesehen, bei weitem nicht übersteige.

    23
    Nach Sinn und Zweck der Vorschrift könne sich daher rein mathematisch auch in Summe kein anderes Ergebnis für die Besteuerungsgrundlagen ergeben, da die Steuerpflichtige durch die Verluste zu jedem Stichtag in vollem Umfang auch wirtschaftlich belastet gewesen sei.

    24
    Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, dass die Betrachtung der Entnahmen zeitraumbezogen erfolgen müsse, sei dagegen einzuwenden, dass sich dies nicht aus dem Gesetzestext ableiten lasse.

    25
    Vielmehr zitiere der Beklagte selbst Wacker in Schmidt zu §15a EStG, welcher allerdings in der Rz. 150 die Zwecksetzung zu Absatz 3 dahingehend klar definiere, dass die Vorschrift verhindern wolle, dass die Begrenzung des Verlustausgleichs gemäß §15a durch nur vorübergehende höhere Einlagen in das Gesellschaftsvermögen oder eine nur vorübergehende Haftungserweiterung umgangen werde. Genau diese beiden Tatbestandsmerkmale, welche die Gewinnzurechnung nach §15a Abs. 3 EStG auslösen sollten, würden im Streitfall indes nicht vorliegen.

    26
    Weiterhin solle das gleiche Ergebnis sichergestellt werden, „so als ob von vornherein eine geringere Einlage geleistet worden wäre". Auch insoweit bedürfe es im Streitfall keiner Korrektur, da aufgrund der (durchgehend) bestehenden Außenhaftung bereits ohne jede Einlage zu jedem Zeitpunkt sämtliche Verluste abzugsfähig gewesen seien.

    27
    Genau diese beiden Tatbestandsmerkmale, welche die Gewinnzurechnung nach §15a Abs. 3 EStG auslösen sollen, würden im vorliegenden Streitfall gerade nicht gegeben sein.

    28
    Dies ergebe sich ebenso aus dem vom Beklagten genannten Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 23. September 2009, insbesondere aus Rz. 24 und 32. Demnach sei § 15a Abs. 3 EStG nicht anwendbar, da der Kommanditist im vorliegenden Fall keine Einlage getätigt habe, aus welcher er einen Vorteil hätte ziehen können, da die Verluste ohnehin aufgrund der bestehenden Außenhaftung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 172 Abs. 1 HGB in Höhe von 1.064.000,00 € abziehbar seien.

    29
    Die Zwecksetzung der Vorschrift bedeute, dass nur solche Einlagen/Entnahmen im Sinne des § 15a Abs. 3 EStG relevant sein könnten, die steuerlich für einen Vorteil ursächlich gewesen seien (von Beckerath in Kirchhof, Rz. 58 ‒ „Entnahme“ könne nur einen Vorgang meinen, der das Kapitalkonto i.S.d. Abs. 3 Satz 1 als Verlustausgleichsmaßstab reduziere).

    30
    Somit bestehe keinerlei Notwendigkeit, das steuerliche Ergebnis zu korrigieren, da der Verlust aufgrund der bestehenden Außenhaftung des Kommanditisten nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu Recht ausgleichsfähig sei.

    31
    Die in der Anlage zur Einspruchsentscheidung festgestellten Beträge würden aufgrund der - offenbar ebenfalls im Hinblick auf die vom Senat zu entscheidende Rechtsfrage - abweichenden Ermittlung der diesbezüglichen Vorjahresbeträge von den zutreffend erklärten Werten der Feststellungserklärung abweichen. Vor dem Hintergrund, dass die in der Feststellungserklärung angegeben Beträge zutreffend seien und insoweit auch durch den Beklagten als unstreitig beschrieben worden seien, sei allein die Rechtsfrage streitig, ob § 15a Abs. 3 EStG teleologisch dahingehend zu reduzieren ist, dass die Gewinnzurechnung nicht nur ausgeschlossen ist, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine Haftung nach Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell besteht.

    32
    In der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2022 hat die Klägerin ergänzend folgende Übersicht eingereicht:

    33
    Ein Bild, das Tisch enthält. Automatisch generierte Beschreibung

    34
    Die Klägerin beantragt,

    35
    die Bescheide über die Feststellung von Einkünften und Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG jeweils für 2016 vom 26. Januar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte und der verrechenbare Verlust neu ermittelt und festgesetzt werden, indem § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG teleologisch dahingehend reduziert wird, dass die Gewinnzurechnung nicht nur ausgeschlossen ist, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine Haftung nach Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell besteht,

    36
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    37
    Der Beklagte beantragt,

    38
    die Klage abzuweisen,

    39
    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    40
    Der Beklagte trägt vor, dass, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entstehe oder sich erhöhe (Einlageminderung) und soweit nicht aufgrund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung entstehe oder bestehe, dem Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung gemäß § 15a Abs. 3 EStG als Gewinn zuzurechnen sei.

    41
    Zu einer Nachversteuerung komme es, wenn das für Zwecke des § 15a EStG maßgebliche Kapital durch Entnahmen (z.B. Rückzahlung von Geld, Übertragung von Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens oder Gewährung von Vorteilen, die einem Fremdvergleich nicht standhalten) gemindert werde.

    42
    Gewinne und Einlagen des laufenden Jahres seien vorab kapitalerhöhend zu berücksichtigen. Verluste würden zwar ebenfalls das Beteiligungskapital verringern, nicht jedoch die geleisteten Einlagen.

    43
    In Höhe der in der Vergangenheit bereits ausgleichsfähigen Verluste aufgrund Außenhaftung könne der Kommanditist wegen einer am Ende des Wirtschaftsjahres bestehenden Außenhaftung nicht noch einmal ausgleichsfähige Verluste erhalten. Das Ausgleichsvolumen aufgrund bestehender Außenhaftung gelte in Höhe der bisher insgesamt ausgleichsfähigen Verluste als verbraucht (nicht zum Verlustausgleich verwendbarer Betrag der Außenhaftung).

    44
    Die Entnahmen hätten den im Wirtschaftsjahr 2016 zur Verfügung stehenden verwendbaren Betrag der Außenhaftung von 459.483,00 € überstiegen, sodass § 15 Abs. 3 Satz 3 EStG zur Anwendung komme.

    45
    Die Minderung im Folgebescheid gemäß Einspruchsentscheidung resultiere aus der bis dahin nicht erfolgten Berücksichtigung des negativen Anfangsbestandes im Rahmen des Gesellschafterwechsels.

    46
    Es sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzeswortlaut des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG einen Kausalzusammenhang zwischen der Entnahme und dem Entstehen oder Bestehen der Außenhaftung („auf Grund“) fordere. Ein verwendbares Verlustausgleichsvolumen nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG sei demnach bei der Ermittlung der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG nicht zu berücksichtigen.

    47
    Lebe die Außenhaftung bei einer Entnahme i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG nicht oder nur teilweise wieder auf, entstehe regelmäßig eine Gewinnhinzurechnung wegen Einlageminderung (so auch Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 23. September 2009 - 12 K 109/06, Rz. 28-30, rkr.).

    48
    Im Streitfall bestehe bereits zu Beginn des WJ 2016 sowohl steuer- als auch handelsrechtlich ein negatives Kapitalkonto (vgl. Anlage zur (Teil-) Einspruchsentscheidung ESt 2016, Seite 2 Ziffern 001 und 002). Der haftungswirksame Teil des Kapitals („haftungswirksame Einlage“) betrage aufgrund von Entnahmen in den Vorjahren lediglich 158.499,52 € (vgl. Ziffer 002). Dementsprechend könnten die Entnahmen des WJ 2016 auch nur zu einem Teil von 158.499,52 € haftungswirksam sein und auch nur in dieser Höhe zu einer wiederauflebenden Außenhaftung i. S. d. § 171 Abs. 1 HGB führen.

    49
    Die Außenhaftung i.S.d. § 171 Abs. 1 HGB sei auf die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage begrenzt. Es könnten also lediglich i.H.v. 158.499,52 € Umschichtungen von der Kapital- in die Hafttabelle erfolgen (vgl. Ziffern 003 und 004). Die Gewinnhinzurechnung wegen Einlageminderung i. H. v. 213.560,10 € sei also folgerichtig und im Einklang mit der Programmierung.

    50
    Die haftungswirksame Einlage sei aufgrund der Angaben der Klägerin in den Erklärungen der Vorjahre entwickelt worden.

    51
    Die von der Klägerin dargelegte Ermittlung der Außenhaftung sei weitestgehend zutreffend. Er, der Beklagte, habe folgende Werte ermittelt:

    52
    Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

    53
    Soweit die Klägerin mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung des Falls argumentiere, sei dem entgegenzuhalten, dass bei der Beurteilung des § 15a EStG tatsächlich jedoch eine zeitraumbezogene Betrachtung vorzunehmen sei. Dies gelte sowohl für den Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG als auch für die Beurteilung der Einlageminderung wegen „Mehrentnahmen" (vgl. Wacker in: Schmidt, § 15a EStG; Rz. 81, 82 und 151, 152).

    54
    Im Hinblick auf § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG gelte: Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entstehe oder sich erhöhe (Einlageminderung) und soweit nicht auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung bestehe oder entstehe, sei dem Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen. Das negative Kapitalkonto sei bis zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2016 um 534.257,37 € aufgrund von Entnahmen negativer geworden. Aufgrund der Entnahme lebe die Außenhaftung grundsätzlich nicht wieder auf. Nach dem FG Berlin Brandenburg (12 K 109/06) würden die Kapitalverluste in Haftungsverluste umgewandelt, soweit die Außenhaftung wiederauflebe. Im Streitfall lebe die Außenhaftung in Höhe der zu Beginn des Wirtschaftsjahres getätigten Einlagen (158.499,52 €) wieder auf und insoweit erfolge keine Gewinnhinzurechnung. Es ergebe sich folglich eine vorläufige Gewinnhinzurechnung i.H.v. 375.757,85 €.

    55
    Mit Blick auf §15a Abs. 3 Satz 2 EStG sei zu beachten: Der nach Satz 1 zuzurechnende Betrag dürfe den Betrag der Anteile am Verlust der Kommanditgesellschaft nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen sei. Der Höchstbetrag der Gewinnhinzurechnung ergebe sich aus den ausgleichsfähigen Kapitalverlusten im Elfjahreszeitraum. Der Betrag ergebe sich im Streitfall aus dem Wirtschaftsjahr 2012: 114.394,91 € und aus dem Wirtschaftsjahr 2013: 99.165,19 €.

    56
    Die Höhe der festgestellten Besteuerungsgrundlagen sowie der verrechenbaren Verluste gemäß § 15a Abs. 4 EStG sei unstreitig. Die Besteuerungsgrundlagen seien entsprechend der am 15. November 2017 eingereichten Feststellungserklärung festgesetzt worden. Da die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nur insoweit angegriffen werden könne, als sich der verrechenbare Verlust gegenüber dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres verändert habe, werde von korrekten Feststellungen hinsichtlich des Kapitals zu Beginn des Wirtschaftsjahres ausgegangen. Die haftungswirksamen handelsrechtlichen Entnahmen aus der Gesamthandsbilanz i.H.v. 600.026,48 € würden sich ebenfalls aus der eingereichten Erklärung ergeben. Vorbehaltlich einer entsprechenden Gewinnerhöhung um 213.560,10 € nach § 15 a Abs. 3 Satz 2 EStG handele es sich daher auch bei dem gemäß § 15 a Abs. 4 EStG festgestellten steuerpflichtigen verrechenbaren Verlust am Ende des Wirtschaftsjahres i.H.v. 147.790,99 € um einen zutreffenden Betrag.

    57
    Mit Beschluss vom 6. September 2021 ist die A1 GmbH & Co. KG als Kommanditistin gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

    58
    Entscheidungsgründe

    59
    Die Klage ist zulässig und begründet.

    60
    A. Die Klage ist insbesondere auch im Hinblick auf die Klagebefugnis der Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 FGO zulässig. Zwar sind die Feststellung eines verrechenbaren Verlusts (§ 15a Abs. 4 EStG) und die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte einer KG (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO) - ungeachtet dessen, dass beide Regelungen wechselseitig im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid stehen (§ 182 Abs. 1 AO; vgl. hierzu BFH Urteil vom 22. Juni 2006 - IV R 31, 32/05, BStBl II 2007, 687) selbständige Verwaltungsakte mit unterschiedlichen Regelungsgegenständen. Während die Feststellung nach § 15a EStG allein den Gesellschafter betrifft, berührt die Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO die Interessen der Gesellschaft. Beide Bescheide können aber, wie im Streitfall geschehen, gem. § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG miteinander verbunden werden. Dann ist auch die Personengesellschaft befugt, Klage gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlusts zu erheben (z.B. BFH-Urteil vom 3. Februar 2010 - IV R 61/07, BStBl II 2010, 942).

    61
    B. Die Klage ist begründet.

    62
    Die Bescheide über die Feststellung von Einkünften und die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für 2016 vom 26. Januar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Zurechnung eines fiktiven Gewinns i.H.v. 218.037,84 € nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG und die hierauf basierende Verlustfeststellung erfolgten zu Unrecht.

    63
    I. Nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist einem Kommanditisten der Betrag einer Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen, wenn und soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht und soweit nicht aufgrund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung be- oder entsteht.

    64
    1. Dieser hinzurechnende Betrag darf nach § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG den Betrag der Anteile am Verlust der KG nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist. Nach Satz 4 des § 15a Abs. 3 EStG mindern die zuzurechnenden Beträge die Gewinne des Jahres der Zurechnung oder der Folgejahre.

    65
    2. Bei einer Einlageminderung werden danach im Ergebnis ausgleichsfähige Verluste der Vorjahre in nur verrechenbare Verluste im Jahr der Einlageminderung umgewandelt. Dadurch soll verhindert werden, dass kurz vor dem maßgeblichen Bilanzstichtag von beschränkt haftenden Gesellschaftern Einlagen geleistet werden, um bei einem voraussichtlichen Gesellschaftsverlust, der anteilig auf sie entfällt, ein positives Kapitalkonto als Verlustausgleichspotential aufweisen zu können, damit sie in den Genuss der Abzugs- und Ausgleichsfähigkeit des Verlustanteils gelangen. Anschließend könnte die Einlage nach dem Bilanzstichtag folgenlos wieder abgezogen werden.

    66
    3. Durch eine solche kurzzeitige Einlage und unmittelbar folgende Entnahme könnte ‒ ohne die Regelung des § 15a Abs. 3 EStG ‒ § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG umgangen werden. Diese Norm regelt, dass der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust einer Kommanditgesellschaft dann nicht abzugs- bzw. ausgleichsfähig ist, wenn und soweit durch das Hinzurechnen des Verlustbetrags das Kapitalkonto des Kommanditisten negativ wird oder ein bereits negativer Saldo sich noch erhöht. Ein solcher Verlustbetrag ist dann lediglich verrechenbar (§ 15a Abs. 2 EStG). Abweichend von diesem Grundsatz ist gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ein zugerechneter Verlustanteil trotz des Entstehens oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontosaldos gleichwohl abzugs- bzw. ausgleichsfähig, wenn der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gesellschaftsgläubigern aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB haftet. Dies gilt nur bis zur Höhe des Betrags, um welchen die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten (seine „Hafteinlage“) den Betrag seiner geleisteten Einlage übersteigt.

    67
    4. § 15a Abs. 3 EStG stellt mithin eine Regelung dar, die Missbräuchen vorbeugen soll. Der Gesellschafter wird faktisch so gestellt, als ob die kurzzeitige Einlagenerhöhung nicht erfolgt wäre. Gemäß § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG wird dem Kommanditisten dabei im Jahr des Entstehens des Verlusts dessen Ausgleich nach Maßgabe der höheren Einlage bzw. der erweiterten Außenhaftung belassen; im Jahr der Einlageminderung bzw. der Reduzierung der Außenhaftung hat der Kommanditist jedoch den entsprechenden Betrag als fiktiven laufenden Gewinn zu versteuern. In gleicher Höhe wird der früher ausgleichs- bzw. abzugsfähige Verlust in einen verrechenbaren Verlust umgewandelt. Hierdurch soll der Kommanditist so gestellt werden, als hätte bereits im Entstehungsjahr lediglich die geringere Einlage bzw. Außenhaftung bestanden und als wäre demzufolge der Verlust bereits im Entstehungsjahr nur verrechenbar gewesen (so die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 8/3648, Seite 17; vgl. hierzu auch BFH-Urteile vom 30. August 2001 ‒ IV R 4/00, BStBl II 2002, 458; vom 20. März 2003 ‒ IV R 42/00, BStBl II 2003, 798). Die Hinzurechnung des fiktiven Gewinns und die Umwandlung des Verlusts finden ihre Rechtfertigung mithin darin, dass die wirtschaftliche Belastung, die den früheren Verlustausgleich gerechtfertigt hatte, nachträglich entfällt.

    68
    5. § 15a Abs. 3 Satz 2 EStG begrenzt dabei die Umwandlung früher ausgeglichener Verluste in nur verrechenbare Verluste im Jahr der Einlageminderung zeitlich durch Festlegung eines Elfjahreszeitraums. Zudem sieht das Gesetz eine sachliche Begrenzung in der Form vor, dass eine Gewinnzurechnung im Jahr der Einlageminderung nur in der Höhe erfolgen darf, in welcher zuvor ausgleichs- und abzugsfähige Verluste vorhanden waren.

    69
    II. Vor diesem Hintergrund würden die durch den Beklagten erfolgten Feststellungen gemäß der Anlage zur Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 dem Gesetzeswortlaut des § 15a Abs. 3 EStG entsprechen.

    70
    1. So setzt § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG für die Zurechnung des Betrages der Einlageminderung als Gewinn beim Kommanditisten zweierlei voraus. Zum einen muss ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entstehen oder sich erhöhen (Einlageminderung). Diese Voraussetzung wäre im Streitfall erfüllt, da das negative Kapitalkonto der beigeladenen Kommanditistin sich von -315.755,78 € auf-850.013,15 € um 534.257,37 € erhöht hat (vgl. Seite 2 der Anlage zur Einspruchsentscheidung, Ziff. 001).

    71
    2. Zum anderen darf keine auf Grund der Entnahmen nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung bestehen oder entstehen; es darf also nicht zu einem „Wiederaufleben der Haftung“ kommen. Versteht man diese Regelung wörtlich, hätten im Streitfall die Entnahmen in Höhe von 441.526,96 € (vgl. Anlage zur Einspruchsentscheidung, Seite 2, Ziff. 002) nicht zu einem „Wiederaufleben“ der Haftung geführt und damit eine Gewinnzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 nicht verhindern können. Dies ergäbe sich aus der Summe der Entnahmen gemäß der Anlage zur Einspruchsentscheidung i.H.v. 1.071.525,96 € abzüglich der geleisteten Pflichteinlage i.H.v. 630.000 €. Denn nur soweit eine bereits geleistete Einlage entnommen wurde, könnte die Entnahme kausal sein („auf Grund“) für ein Entstehen der Haftung, mithin zu einem Wiederaufleben der Haftung führen. Denn nur in dem Umfang, in dem die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet (§ 172 Abs. 4 HGB), so dass insoweit wieder die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern besteht, die zuvor aufgrund der Leistung der Einlage ausgeschlossen war (§ 171 Abs. 1 HGB), sog. „Wiederaufleben“ der Haftung.

    72
    III. Indes ist § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Gewinnzurechnung nicht nur ausgeschlossen ist, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine nach Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB Haftung generell besteht.

    73
    1. Der Senat ist der Auffassung, dass dem vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG verfolgten Ziel durch eine einschränkende Anwendung des § 15 Abs. 3 EStG Rechnung zu tragen ist. So sollen durch die Regelung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG missbräuchliche Gestaltungen verhindert und der Kommanditist daher so gestellt werden, als hätte bereits im Entstehungsjahr lediglich die geringere Einlage bzw. Außenhaftung bestanden und als wäre demzufolge der Verlust bereits im Entstehungsjahr nur verrechenbar gewesen. Die gesetzliche Regelung geht allerdings in Konstellationen, wie denen des Streitfalls, über das Ziel hinaus.

    74
    2. Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 15a Abs. 3 EStG sieht der Senat als erfüllt an.

    75
    a. Dabei kommt es nicht darauf an, ob man die teleologische Reduktion - wie der BFH in ständiger Rechtsprechung - dem Bereich der Auslegung zurechnet (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2003 ‒ IV R 42/00, BStBl II 2003, 798; vom 7. April 1992 - VIII R 79/88, BStBl II 1992, 786, m.w.N.) oder ob man sie als eine Form der richterlichen Rechtsfortbildung ansieht (Wernsmann, in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 4 AO, Tz. 395 ff., 397).

    76
    Sowohl gegenüber einer vom Wortlaut abweichenden Auslegung als auch gegenüber einer Rechtsfortbildung ist besondere Zurückhaltung geboten (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2003 ‒ IV R 42/00, BStBl II 2003, 798; vom 7. April 1992 - VIII R 79/88, BStBl II 1992, 786, m.w.N.). Sie kann nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1986 - VIII R 375/83, BStBl II 1987, 366, m.w.N.). Dagegen ist es nicht Aufgabe einer teleologischen Reduktion, rechtspolitische Fehler zu korrigieren, d.h. das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich - gemessen an seinem Zweck - noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist (vgl. BFH-Urteile vom 24. Januar 1974 - IV R 76/70, BStBl II 1974, 295; vom 13. Juli 1989 - V R 110-112/84, BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036).

    77
    b. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundsätze, die sich der Senat zu eigen macht, ist § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Gewinnzurechnung nicht nur ausgeschlossen ist, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, sondern auch soweit eine Haftung nach Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB gegeben ist.

    78
    aa. Der Ausschluss der Gewinnzurechnung für den Fall, dass eine Haftung nach Absatz 1 Satz 2 i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB besteht, ist zwar nicht vom Wortlaut des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG vorgesehen. Sie folgt jedoch aus dem Sinn und Zweck des § 15a Abs. 3 EStG.

    79
    Der Sinn und Zweck der Regelung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG besteht darin, den Kommanditisten so zu stellen, als hätte er die entnommene Einlage nie geleistet. Dann aber erscheint es inkonsequent, den Verlustausgleich auf den Betrag der geleisteten und sodann entnommenen Einlage zu beschränken. Hätte der Kommanditist überhaupt keine Einlage geleistet, würde sich die Höhe des zulässigen Verlustausgleichs an der Haftsumme in toto orientieren. Der Kommanditist, der die Einlage zu keinem Zeitpunkt geleistet hat, wäre besser gestellt, als der Kommanditist, der einen Teil seiner Einlage leistet und sodann wieder entnimmt, obwohl in wirtschaftlicher und gesellschaftsrechtlicher Hinsicht kein Unterschied zwischen den beiden bestünde.

    80
    Es erscheint ‒ gemessen am Sinn und Zweck des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ‒ zu weitgehend, die Gewinnzurechnung nur für den Fall auszuschließen, dass durch die Entnahme eine Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Dies würde dem Gesetzesplan erkennbar widerstreiten, die Gewinnzurechnung nur für die Fälle vorzusehen, in denen der Kommanditist wirtschaftlich nicht mit dem Verlust belastet ist. Soweit dieser in Höhe der Verlustanteile haftet, ist er wirtschaftlich belastet ‒ unabhängig davon, ob die Haftung wegen Entnahmen wieder auflebt oder mangels Einlagenerbringung durchgehend bestand. Nach dem Sinn und Zweck der Norm muss daher der Ausschluss der Verlustzurechnung auch in den Fällen gelten, in denen - unabhängig von der Wirkung der Entnahme - noch eine Außenhaftung „besteht“ (z.B. mangels voller Leistung der Einlage, § 171 Abs. 1 HGB; so auch Helde in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2020, Verlustausgleichsbeschränkungen bei negativem Kapitalkonto (§ 15a EStG), Rn. 6.459). Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Konstellation der Entnahme von Einlagen und die der Nicht-Leistung von Einlagen ungleich behandeln wollte. In beiden Fällen ist ein Rechtsmissbrauch ausgeschlossen, da der Kommanditist, soweit die Haftung besteht, mit den Verlustanteilen wirtschaftlich belastet ist.

    81
    bb. Dass es nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprach, die Gewinnzurechnung nur bei wiederauflebender und nicht auch bei bestehender Außenhaftung auszuschließen, wird zudem durch die Formulierung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG indiziert. Hiernach ist auch eine aufgrund der Entnahme „bestehende“ Außenhaftung zu berücksichtigen. Diese vom Wortlaut erfasste Konstellation ist nicht denkbar. Denkbar ist nur das „Entstehen“ einer Haftung durch die Entnahme. Dieser Wortlaut legt jedoch nahe, dass auch der Gesetzgeber einen allgemeinen Bezug zu der Regelung in § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG herstellen wollte und eine Haftung generell zu berücksichtigen sein sollte.

    82
    cc. Der teleologischen Reduktion steht nicht entgegen, dass das Verlustausgleichsvolumen nur einmal vom Kommanditisten in Anspruch genommen werden darf. Denn der „Verbrauch“, d.h. die „Ausschöpfung“ der bestehenden Haftung wird in diesem Fall ebenso wie der „Verbrauch“ der wiederauflebenden Haftung vom Beklagten erfasst. Dies wurde vom Beklagten auch in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2022 ausdrücklich bestätigt.

    83
    3. Aufgrund der teleologischen Reduktion und der daraus folgenden Berücksichtigung der generell bestehenden Außenhaftung entfällt die Gewinnzurechnung im Streitfall in vollem Umfang, da insoweit ausreichend Verlustausgleichspotential vorhanden ist. Die ausreichende Existenz von Verlustausgleichspotential hat auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

    84
    IV. Im Übrigen sind die Bescheide über die Feststellung von Einkünften und Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG jeweils für 2016 vom 26. Januar 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2019 rechtmäßig. Auch die Klägerin hat insoweit nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 16. Februar 2022 keine Einwände erhoben.

    85
    V. Die Übertragung der Feststellung auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO.

    86
    VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    87
    VII. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    88
    VIII. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 15a Abs. 3

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