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  • · Fachbeitrag · Kennzahlen und andere Werkzeuge

    Finanzielle Engstellen im Rahmen der Finanzanalyse erkennen

    von StB WP Claus Koss, Regensburg

    | Sagt der Meister zum Lehrling: „Jetzt gehen wir mal pleite - damit Du das auch einmal lernst!“ In der betriebswirtschaftlichen Beratung wird erwartet, dass dem Mandanten diese Lektion erspart bleibt. Dieser Beitrag zeigt, wie Sie anhand einfacher Signale die Warnsignale rechtzeitig erkennen. |

    1. Liquiditätsgrade

    Die klassische Methode der Finanzanalyse ist die Ermittlung der Liquiditätsgrade. Diese berechnen sich wie folgt:

     

    • Berechnung der Liquiditätsgrade

    Flüssige Mittel

    Liquidität I. Grades =

    ________________________

    Kurzfristiges Fremdkapital

     

     

    Flüssige Mittel + Kurzfristige Forderungen

    Liquidität II. Grades =

    ___________________________________

    Kurzfristiges Fremdkapital

     

     

    Flüssige Mittel + Kurzfristige Forderungen + Vorräte

    Liquidität III. Grades =

    ____________________________________________

    Kurzfristiges Fremdkapital

     

    Die flüssigen Mittel umfassen die Kasse und die Sichteinlagen bei Kreditinstituten. Dazu gehören die Guthaben auf Girokonten (Kontokorrentkonten) als auch Festgelder, Geldmarktkonten/-fondsanteile oder Termingelder.

     

    Als kurzfristig gelten üblicherweise alle Forderungen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen, die innerhalb eines Jahres fällig werden. Für die kurzfristige Liquiditätsplanung kann sich dies aber auch auf einen Zeitraum von drei Monaten beziehen.

     

    Die drei Kennzahlen sind modular aufgebaut und vom Gedanken der Deckung geprägt. Bei der Liquidität I. Grades wird berechnet, wie viel der fälligen Schulden „sofort“ bezahlt werden könnten. Beträgt diese Kennzahl beispielsweise 0,1 oder 10 %, könnten von jedem EUR zehn Cent bezahlt werden. Da aber in den wenigsten Fällen alle Schuldner „am nächsten Tag an die Türe klopfen“, berücksichtigt die Liquidität II. Grades, dass auch die eigenen Debitoren noch zahlen. Bei der Liquidität III. Grades wird darüber hinaus noch unterstellt, dass zunächst auch noch die Vorräte verkauft werden können und die daraus folgenden Forderungen bezahlt werden, bevor die eigenen Gläubiger bezahlt werden wollen.

     

    Zum kurzfristigen Fremdkapital gehören grundsätzlich alle Posten unter den „Verbindlichkeiten“ aus der Bilanz. Lediglich bei den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten oder Leasingverbindlichkeiten gilt es, in der Praxis aufzuteilen. Um nicht selber rechnen zu müssen, fordert der Berater am einfachsten einen sog. Zins- und Tilgungsplan von der Bank bzw. Leasinggesellschaft an. Für den Posten „Rückstellungen“ hilft ein Blick in den Rückstellungsspiegel. Einige Rückstellungen sind typischerweise langfristig, z.B. für Pensionen oder die Aufbewahrung von Unterlagen. Steuerrückstellungen oder Rückstellungen für Überstunden können dagegen schneller zahlungswirksam werden, als es dem Mandanten lieb ist.

     

    Der Vorteil der Liquiditätsgrade liegt in der einfachen Berechnung und Interpretation. Fast jedes Buchhaltungsprogramm wirft diese Kennzahlen automatisiert aus - und wenn nicht, lässt sich die Kennzahl schnell mittels Tabellenkalkulation berechnen. Auch leuchtet es schnell ein, dass die Liquidität zunimmt, je näher der Liquiditätsgrad bei 1,0 oder 100 % liegt. Liegt die Liquidität I. Grades aber über 1,0 oder 100 %, ist das ein Anhaltspunkt für eine Überliquidität, die ebenfalls Anlass zu einer Beratung gibt. Bei einem Liquiditätsgrad I von z.B. über Tausend möchte der Mandant entweder im größeren Umfang Rechnungen bezahlen (und hat das Geld bereitgestellt) oder es sollte über eine rentable Anlage nachgedacht werden.

     

    Der größte Nachteil dieser klassischen Finanzanalyse ist der Stichtagsbezug. Die Kennzahlen werden auf einen bestimmten Zeitpunkt aufgestellt. „Am nächsten Tag“ kann sich die Kennzahl schon wieder verändert haben. Auch haben die Liquiditätsgrade nicht einen Zeitraum, z.B. das Geschäftsjahr, im Fokus.

    2. Kapitalflussrechnung (Cash Flow Analyse)

    Hier hilft die Analysemethode der Kapitalflussrechnung (cash flow analysis). Auch hier wirft jede bessere Software für die Finanzbuchhaltung entsprechende Auswertungen aus.

     

    PRAXISHINWEISE | Der Berater sollte sich beim Kontennachweis für die Kapitalflussrechnung bei den Programmen der DATEV nicht verwirren lassen. Dieser weist beim Cash Flow aus Investitionstätigkeit die Restbuchwerte zuzüglich der Abschreibungen aus. Das Ergebnis ist aber zutreffend.

     

    Grundvoraussetzung für eine zutreffende Auswertung ist jedoch, dass die zugrunde liegende Buchhaltung sauber ist. Werden beispielsweise Stornobuchungen nicht mit dem Schlüssel „Generalumkehr“ gebucht, ist die Auswertung ebenfalls fehlerhaft.

     

    Bei individuellen Konten und Kontenfunktionen ist darauf zu achten, dass diese für Zwecke der Kapitalflussrechnung richtig geschlüsselt werden.

     

    Im Zweifel ist es schneller und sicherer, die Bilanz in ein Tabellenkalkulationsprogramm auszulesen und die Kapitalflussrechnung über eine Veränderungsbilanz manuell zu erstellen. Das ist zwar dann mühsam, aber leichter nachvollziehbar und damit „sicherer“.

     

    Eine Kapitalflussrechnung ist aussagekräftiger als die Liquiditätsgrade. Da sie abstrakt ist, ist diese Analyse aber auch erklärungsbedürftig. 

     

    Die Kapitalflussrechnung nimmt an, dass jede Veränderung im Jahresabschluss (früher oder später) zahlungswirksam wird, also zu einem Kapitalfluss führt. Bei der sog. direkten Methode der Kapitalflussrechnung werden die Zahlen aus den Geldkonten abgegriffen und aufsummiert. Bei der sog. indirekten Methode werden noch nicht oder nicht mehr zahlungswirksame Veränderungen durch Zu- oder Abrechnungen korrigiert.

     

    • Beispiel

    Abschreibungen sind nicht zahlungswirksam. Sie stecken aber als „Minus“ (= Aufwand) im Jahresergebnis (Jahresüberschuss/-fehlbetrag). Um zum Kapitalfluss zu kommen, werden die Abschreibungen daher mit „Plus“ korrigiert (= addiert).

     

    PRAXISTIPP | Unter den Mandanten sind Spezialisten für das Rechnungswesen selten. Dem Berater ist daher von Erklärungsversuchen abzuraten. Letztlich ist es auch nicht wichtig, dass der Mandant selber eine Kapitalflussrechnung aufstellen kann. Entscheidend sind vielmehr die Ergebnisse der Analyse - und die Konsequenzen hieraus. Die Beratung sollte sich daher auf diese beschränken (siehe dazu die folgenden Fallbeispiele).

     

    Standardmäßig werden Kapitalflussrechnungen in Deutschland nach dem jetzt überarbeiteten Rechnungslegungs-Standard Nr. 21 (DRS 21: im Bundesanzeiger verfügbar) aufgestellt. Die Anwendung dieses Schemas erleichtert nicht nur die Arbeit, sondern der Berater kann sich bei dessen Anwendung auch auf die GoB-Konformität berufen (vgl. § 342 HGB).

     

    Üblicherweise werden Finanzmittelabflüsse mit einem negativen Vorzeichen bzw. -zuflüsse mit einem Plus gekennzeichnet.

     

    Neben der gerade genannten „Korrektur“ der (noch) nicht zahlungswirksamen Positionen teilt die Kapitalflussrechnung nach DRS 21 auch die Zahlungsflüsse in drei Bereiche auf:

     

    • Aufteilung der Zahlungsflüsse

    Zeile

    Bereich

    (1)

    Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit

    (2)

    Cash Flow aus der Investitionstätigkeit

    (3)

    Cash Flow aus der Finanzierungstätigkeit

    (4) = Σ[(1):(3)

    = Zahlungswirksame Veränderung des Finanzmittelfonds

     

    Der Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit [Zeile (1)] ist der entscheidende für den Fortbestand des Unternehmens. Dieser sollte immer positiv sein. In der Begrifflichkeit der Finanzwirtschaft ist dies die „Innenfinanzierung“ des Unternehmens. Ist der Cash Flow aus laufender Geschäftstätigkeit negativ, wird im Unternehmen „Geld verbrannt“.

     

    Bei einem „normalen“ Unternehmen ist der Cash Flow aus der Investitionstätigkeit [Zeile (2)] dagegen negativ. Denn die Auszahlungen für Investitionen sind normalerweise kleiner als die Einzahlungen aus Desinvestitionen. Anders herum formuliert: Ein Unternehmen gibt üblicherweise mehr für neues Anlagevermögen aus, als es Geld aus dem Anlagevermögen einnimmt.

     

    Der Cash Flow aus der Finanzierungstätigkeit [Zeile (3)] hat eine ausgleichende Funktion. Er kann daher positiv oder negativ sein.

     

    Kann oder möchte das Unternehmen seine Investitionen nicht aus eigenen Mitteln (Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit) finanzieren, muss es entweder einen Kredit aufnehmen oder Einzahlungen von Eigenkapitalgebern (Einlagen bei Einzelunternehmen/Personengesellschaften bzw. Kapitaleinzahlungen bei Kapitalgesellschaften) einfordern. In beiden Fällen ist der Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit positiv. In diesem Betrag wird die Außenfinanzierung beziffert.

     

    Ein negativer Betrag beim Cash Flow aus der Finanzierungstätigkeit bedeutet entweder die Tilgung von Darlehen oder Gewinnausschüttungen an Gesellschafter.

     

    Die Summe der Cash Flows aus den drei Bereichen ist die zahlungswirksame Veränderung des Finanzmittelfonds [Zeile (4)]. Je nach Größenordnungen ist die Veränderung positiv (höhere Finanzmittelabflüsse) oder negativ (höhere Finanzmittelzuflüsse).

     

    Die Veränderung lässt sich auf den Finanzmittelbestand überleiten:

     

    • Veränderung des Finanzmittelbestands

    Zeile

    Bereich

    (4)

    Zahlungswirksame Veränderung des Finanzmittelfonds

    (5)

    + Bestand des Finanzmittelfonds am Anfang der Periode

    (6) = (4) + (5)

    = Bestand des Finanzmittelfonds am Ende der Periode

     

    3. Typische Fallkonstellationen in der Analyse

    Entscheidend bei der Kapitalflussanalyse sind dabei nicht die absoluten Zahlen, sondern das Verhältnis der Kapitalflüsse und der Bestände an Finanzmitteln.

     

    Hierzu beispielhaft folgende Konstellationen:

     

    • Typische Fallkonstellationen
    A
    B
    C

    Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit

    +50
    +150
    -10

    Cash Flow aus derInvestitionstätigkeit

    -90
    -20
    +5

    Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit

    +100
    -100
    +/-0

    = zahlungswirksame Veränderung des Finanzmittelfonds

    +60
    30
    -5

    + Finanzmittelfonds am Anfang der Periode

    25

    260

    7

    = Finanzmittelfonds am Ende der Periode

    85

    290

    2

     

    A ist der typische Existenzgründer: Der Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit ist positiv, reicht aber nicht aus, um die (vergleichsweise hohen) Finanzmittelabflüsse zu decken. Weil diese Innenfinanzierung somit nicht ausreicht, muss dem Unternehmen (von außen) neues Geld zugeführt werden (Außenfinanzierung). Es steht zu vermuten, dass es sich bei den +100 um Einzahlungen aus der Aufnahme eines Darlehens handelt. Dieser Cash Flow prägt auch die insgesamt positive zahlungswirksame Veränderung des Finanzmittelbestandes. Zusammen mit einem vergleichsweise niedrigen Anfangsbestand (25 im Vergleich zu 50 oder 100) ergibt sich daraus ein ebenfalls vergleichsweise hoher Finanzmittelbestand am Ende der Periode.

     

    Der Fall B repräsentiert das reife Unternehmen. Die Investitionen (Cash Flow aus Investitionstätigkeit: -20) können aus selbst erwirtschafteten Mitteln gedeckt werden (Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit: 150). Da aus der laufenden Geschäftstätigkeit darüber hinaus „Geld übrig bleibt“, können Ausschüttungen vorgenommen werden (Cash Flow aus der Finanzierungstätigkeit: -100).

     

    C zeigt ein Unternehmen, das insolvenzgefährdet ist. Der Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit ist negativ, d.h., die Einzahlungen liegen unter den Auszahlungen aus dem laufenden Geschäft. Mit anderen Worten: Es muss noch „Geld mitgebracht“ werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Ein positiver Cash Flow aus der Investitionstätigkeit bedeutet, dass die Einzahlung aus Desinvestitionen größer sind als die Auszahlungen für Investitionen. Es wurde also mehr Anlagevermögen ver- als gekauft. Für Investoren ist das Unternehmen damit uninteressant. Am Cash Flow aus der Finanzierungstätigkeit in Höhe von +/-0 ist erkennbar, dass Fremdkapitalgeber nicht bereit sind, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Auch Eigenkapitalgeber sollten keine weiteren Mittel zur Verfügung stellen. Denn bei einem (nachhaltig) negativen Cash Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit ist ein Unternehmen nicht überlebensfähig.

    4. Ausblick

    Die automatisierte Erstellung von Kapitalflussrechnung in einem guten Buchhaltungsprogramm nimmt dem Berater die technische Arbeit ab. Aus der Interpretation lassen sich aber schnell interessante Erkenntnisse über die Finanzlage des Unternehmens gewinnen.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 284 | ID 42857739

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