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  • · Fachbeitrag · Alternative Unternehmensfinanzierung

    Crowdinvesting: Win-win für Unternehmen und Investoren?

    von Dipl.-Bw. Christel Spielmann, Arnsberg

    | Die Idee ist so einfach wie bestechend: statt bei einer Bank einen Kredit aufzunehmen, werden Beträge von vielen Investoren per Internet eingesammelt. Das nennt sich dann Crowdinvesting ‒ Crowd = engl. für Masse, „investing“ = Geld anlegen. Crowdinvesting stellt mittlerweile eine Variante der alternativen Unternehmensfinanzierung dar. Und es ist keineswegs nur für Existenzgründer interessant. Auch mittelständische Unternehmen haben es für sich entdeckt. Doch wie funktioniert es? Und worin liegen die Vorteile gegenüber einem klassischen Bankkredit? |

    1. Crowdinvesting: Wie funktioniert es?

    Crowdinvesting wird über eigens dafür geschaffene Plattformen im Internet abgewickelt. Dort können sich kapitalsuchende Unternehmen (je nach Plattform auch Privatpersonen) und Investoren auf der Suche nach einer Anlage registrieren. Schon mit kleinen Beträgen ist man dabei: www.seedmatch.de oder www.deutsche-mikroinvest.de z. B. bieten Investments ab 250 EUR an.

     

    Diese beiden wenden sich tatsächlich an Existenzgründer und junge Unternehmen. Andere Plattformen haben Immobilienfinanzierung oder Investments in erneuerbare Energien zum Thema gemacht. Ganz wichtig: Die Plattformbetreiber treten als Vermittler, nicht aber als Finanzberater auf. Jeder Anleger tätigt Investments nach eigenem Ermessen; die Haftung liegt ausschließlich bei ihm.

     

    Investments können jede erdenkliche Form annehmen. Sie werden als

     

    • Nachrangdarlehen
    • Partiarische Darlehen
    • Stille Beteiligung
    • Genussrechte
    • Namensschuldverschreibungen
    • Seltener als Aktien oder Anleihen

     

    angeboten. Investoren können sich ihr Portfolio selbst zusammenstellen.

     

    Das Besondere: Da bereits kleine Beträge ausreichen, lassen sich schon kleinere Beträge (z. B. 2.000 EUR) über verschiedene Investments streuen. Man versuche einmal, den gleichen Betrag bei einer Bank anzulegen: dort ähnelt diese Summe eher einem Mindestinvestment, will man nicht mit überproportional hohen Transaktionskosten belastet werden.

     

    Ob für ein Investment eine Sicherheit geboten wird oder nicht, liegt wiederum im Ermessen des Unternehmens. Bei Immobilien kann man auf eine Grundschuld oder Hypothek hoffen ‒ nur www.reacapital.de sichert zu, Anlage-objekte vorab zu prüfen. Erneuerbare Energien profitieren von den staatlichen Einspeisevergütungen, aus denen sie Rückzahlung der Investments und Zinsen bestreiten.

     

    Die Vergütung besteht je nach Angebot seitens des Unternehmens aus einem festen Zinssatz und/oder einem umsatz- oder ertragsabhängigen Bonus.

    2. Pro und Kontra für Unternehmen

    Natürlich wird ein Crowdinvestment aus Unternehmens- und Investorensicht unterschiedlich beurteilt, sind die Interessen doch gegenteilig gelagert. Wenden wir uns zunächst dem Unternehmensstandpunkt zu. Hier kann das Crowdinvestment mit einigen Vorteilen aufwarten:

     

    • Crowdinvesting gilt nicht umsonst als „alternative“ Finanzierung ‒ alternativ i. S. von „unabhängig von einer Bank“.
    • Vereinbarungen mit Investoren werden auf Augenhöhe ausgehandelt ‒ im Gegensatz zu Bankgesprächen, bei denen man eher mit „Forderungen“ seitens der Bank konfrontiert wird (insbesondere im Bereich Sicherheiten).
    • Mit einem einzigen Angebot im Internet werden mehrere „Finanzierungsquellen“ erschlossen. Selbst wenn einige Investoren ihre Einlagen vorzeitig kündigen sollten, stehen die Chancen gut auf „Nachfinanzierungen“.
    • Crowdinvestoren werden i. d. R. „nachrangige“ Finanzierungsformen angeboten. „Vorrangige“ Finanzierungsformen können ggf. für andere Projekte genutzt werden, für die eine Bankfinanzierung eingeworben werden soll.
    • Ob und welche Sicherheiten gestellt werden, entscheidet das Unternehmen. „Bankübliche“ Sicherheiten sind dann noch frei und können ggf. für die Finanzierung anderer Projekte genutzt werden.
    • Crowdinvesting-Plattformen sind nicht nur Kapitalvermittler, sondern wirken auch als Marketinginstrument, da sie den Bekanntheitsgrad steigern.
    • Crowdinvesting hat auch eine strategische Komponente: Aus dem Kreis der Anleger können wertvolle Hinweise und Kontakte erwachsen.
    • Und zum Schluss: Die Kosten fallen niedriger aus als bei einem Bankkredit.

     

    Dem stehen einige Minuspunkte gegenüber:

     

    • Der Einwerbe- und Verwaltungsaufwand ist höher. Schließlich müssen im Vorfeld ein Geschäftsplan und Vertragsunterlagen erstellt werden. Ferner muss man während der Einwerbephase für Fragen zur Verfügung stehen. An der Schnelligkeit, mit der Anfragen der Investoren beantwortet werden, wird die Glaubwürdigkeit eines Crowdinvestments gemessen.
    • Und dann noch die Auflagen des neuen Kleinanlegerschutzgesetzes: Sie sehen vor, dass ein Verkaufsprospekt zu erstellen ist.

    3. Pro und Kontra für Investoren

    Für Investoren stechen vor allem zwei Aspekte heraus:

     

    • Risikostreuung selbst bei kleinen Beträgen ‒ s. o.
    • Im Vergleich zu Banken winken attraktive Renditen.

     

    Allerdings sollten sie auch bedenken:

     

    • Höheren Renditen stehen höhere Risiken gegenüber!
    • Der Selektionsaufwand ist im Vergleich zur investierten Summe höher als z. B. bei einer Aktienanlage.
    • Stimm- oder Einflussrechte werden mit dem Crowdinvesting nicht gewährt (es ist natürlich fraglich, ob man das überhaupt möchte).
    • Die Plattformen sehen sich in der Vermittlungsfunktion ‒ eine Beurteilung des Crowdinvestment (ähnlich einer Bonitätsprüfung einer Bank) findet nicht statt.
    • Angeboten werden i. d. R. „nachrangige“ Investments. Sollte es zur Insolvenz des Unternehmens kommen, bedeutet „nachrangig“ genau das: Andere Investoren werden vorher bedient.
    • Ein Einlegerschutz ist nicht gegeben. Wohl deshalb müssen Investoren, die mehr als 1.000 EUR in ein Projekt investieren wollen, durch eine Vermögensauskunft nachweisen, dass sie mehr als 100.000 EUR Vermögen ihr eigen nennen.

     

    Gerade der letzte Punkt darf kritisch gesehen werden: Schließlich werden selten mehr als 5.000 EUR investiert. Die meisten Investoren ziehen bei 2.000 EUR eine Grenze. Bedürfen Investments über 1.000 EUR tatsächlich eines besonderen Schutzes? Oder soll Crowdinvesting eher „entmutigt“ werden?

    4. Wie baut man sich als Investor ein Portfolio auf?

    Wer sich ein kleines Depot aufbauen möchte, dem seien folgende Hinweise ans Herz gelegt:

     

    • Crowdinvesting sollte nicht die Hauptanlageart eines Investors darstellen, sondern eher eine Beimischung.
    • Setzen Sie sich eine Obergrenze für ein Investment (z. B. max. 1.000 EUR).
    • Diversifikation wird auch hier großgeschrieben: Streuen Sie Ihre Investments über verschiedene Branchen und Plattformen hinweg.
    • Vorsicht bei Projekten, die mit ungewöhnlich hohen Zinsen locken ‒ deren Ausfallrisiko ist besonders hoch.
    • Halten Sie verschiedene Investmentarten in Ihrem Portfolio ‒ also Nachrangdarlehen, Genussrechte etc. Auch das verringert das Ausfallrisiko.
    • Sichten Sie Geschäftspläne und Verkaufsprospekte mit einer kritischen Grundhaltung! Nicht immer spiegeln die Unterlagen die Risiken deutlich wider.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 278 | ID 44951249

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