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  • · Fachbeitrag · Kassenführung

    PC-Kassensoftware im Fokus: Das sind die Rechte und Pflichten von Unternehmern

    | Unternehmen bargeldintensiver Branchen rücken stärker ins Visier der Betriebsprüfung. Das rechtskräftige Urteil des FG Münster (29.3.17, 7 K 3675/13 E, G, U, Abruf-Nr. 193329 ; siehe dazu BBP 17/114) verdeutlicht anschaulich, wie eine Kassenprüfung in der Praxis ablaufen kann und welche Mängel dem Finanzamt in die Karten spielen. Im Folgenden geht es darum, wie und mit welchen Argumenten die Zuschätzungen reduziert werden können. Das Urteil des FG Münster dürfte dazu führen, dass viele Streitfälle mit Kassenmängeln ohne Gerichtsverfahren abgeschlossen werden können. |

    1. Darum ging es in dem Urteilsfall

    In dem Urteilsfall des FG Münster ging es um einen Friseur, der in den Jahren 1 und 2 seinen Gewinn nach der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und im Jahr 3 mittels Bilanzierung ermittelte. Zur Aufzeichnung seiner Bareinnahmen verwendete er eine PC-gestützte Kassensoftware, die auch über andere Funktionen wie Kundenkartei oder Terminverwaltung verfügte.

     

    1.1 Festgestellte Mängel

    Es wurden arbeitstäglich Kassenberichte erstellt, die jedoch nicht laufend nummeriert wurden. Programmierprotokolle für das PC-Kassensystem konnte der Friseur dem Prüfer des Finanzamts nicht vorlegen. Außerdem zeichnete er sein Trinkgeld von Kunden nicht als Einnahmen auf und bewahrte von Kunden in Anspruch genommene Gutscheine nicht auf.

     

    1.2 Zusatzfeststellungen

    Das Finanzamt nahm zudem eine Erlösverprobung vor, in dem es die Chemieumsätze (Dauerwelle, Färbung etc.) anhand der gekauften Waren kalkulierte. Dabei wurden 250 von 17.252 Datensätzen ausgewertet. Das führte zu erheblichen Differenzen gegenüber den erklärten Chemieerlösen. Die Zuschätzungen lagen im ersten Jahr dabei deutlich über den Werten der Richtsatzsammlung des BMF. Auch eine Geldverkehrsrechnung, die der Prüfer durchführte, brachte eine Unterdeckung ans Licht, d. h., der Friseur gab nach dieser Berechnung beruflich und privat mehr Geld aus, als er durch seine erklärten Einnahmen zur Verfügung hatte. Das Problem bei dieser Geldverkehrsrechnung: Es fehlten die Anfangs- und Endbestände, sprich wie viel Geld bei Beginn der Geldverkehrsrechnung vorhanden war und wie viel zum Schluss.

     

    1.3 Folge

    Die Prüfer des Finanzamts versuchen bei der Kassenprüfung jeden noch so kleinen Mangel festzuhalten. In dem Streitfall des FG Münster führte das im Gesamtergebnis zu erheblichen Zuschätzungen beim Umsatz und Gewinn und somit zu erheblichen Steuernachzahlungen plus Nachzahlungszinsen. Das FG Münster stimmte zwar der Grundaussage des FA zu, dass die Kassenführung nicht ordnungsgemäß war. Doch die Richter erteilten den übermäßigen Zuschätzungen eine klare Absage.

    2. Die wichtigsten Aussagen des Urteils für die Praxis

    In den folgenden Passagen werden die wichtigsten Aussagen des FG Münster beleuchtet und die Argumente für und gegen Zuschätzungen einzeln betrachtet.

     

    2.1 Aussage 1: Keine Unterscheidung zwischen elektronischer Registrierkasse und PC-Kassensystem

    Die Grundsätze zur ordnungsgemäßen Kassenführung bei elektronischen Registrierkassen gelten nach Auffassung der Richter des FG Münster auch für PC-Kassensysteme, weil PC-Systeme mindestens ebenso manipulationsanfällig sind wie elektronische Registrierkassen.

     

    PRAXISHINWEIS | Unternehmen können nicht punkten, wenn sie argumentieren, dass für PC-Kassensysteme die Aufbewahrungspflichten für Organisationsunterlagen anders als bei elektronischen Registrierkassen nicht zu führen sind.

     

    2.2 Aussage 2: Fehlende Programmierprotokolle führen zu nicht ordnungsgemäßer Kassenführung

    Bewahrt ein Unternehmen nicht alle erforderlichen Unterlagen zur Kassenführung auf, führt das bereits zur nicht ordnungsgemäßen Kassenführung.

     

    Ob die mithilfe des Kassensystems erstellten Kassenberichte die Einnahmen vollständig darstellen, kann nicht geprüft werden, wenn ein Unternehmen die Programmierprotokolle nicht aufbewahrt hat und dem Prüfer des Finanzamts deshalb nicht vorlegen kann. Es genügt nicht, statt der Programmierprotokolle nur die Bedienungsanleitung vorzulegen.

     

    Dass fehlende Programmierprotokolle Zuschätzungen zum Gewinn und Umsatz rechtfertigen, gilt nach Aussage der Finanzrichter übrigens unabhängig von der Gewinnermittlungsart.

     

    PRAXISHINWEIS | Entscheidend dafür, dass die fehlenden Programmierprotokolle zur Verwerfung der ordnungsmäßigen Kassenführung führten, war im Urteilsfall die Tatsache, dass zwei Gutachter die Manipulationsmöglichkeit des PC-Kassensystems nicht ausschließen konnten.

     

    Zwar werben viele Hersteller von Kassensoftware damit, dass die fehlende Manipulation testiert ist. Dazu ist zu beachten, dass solche Testate niemals vom Finanzamt stammen können. Die Finanzverwaltung erstellt generell keine Testate darüber, ob eine Buchhaltungssoftware den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht oder nicht. Die Testate, mit denen Softwarehersteller werben, stammen meist von Wirtschaftsprüfern und haben vor Gericht keinerlei Aussagekraft.

     

    2.3 Aussage 3: Finanzamt muss tatsächliche Manipulation nicht nachweisen

    Weder das Finanzamt noch ein Gericht müssen einem Unternehmen mit einem PC-Kassensystem nachweisen, dass es tatsächlich Manipulationen vorgenommen hat. Es genügt zur Verwerfung der ordnungsgemäßen Kassenführung vielmehr, dass das System Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

     

    2.4 Aussage 4: Fehlende Aufbewahrung von Gutscheinen und Nichterfassung von Trinkgeldern führen zu Zuschätzungen

    Zu weiteren Hinzuschätzungen kommt es, wenn der Friseur Gutscheine ausgegeben hat, die von Kunden eingelöst wurden. Diese eingelösten Gutscheine sind als Einnahmenursprungsaufzeichnungen aufbewahrungspflichtig. Werden diese Gutscheine nicht aufbewahrt, liegt ein weiterer Mangel der Kassenführung vor, der zu Korrekturen beim Umsatz und Gewinn führt.

     

    Auch die Trinkgelder für den Unternehmer selbst, die nicht in der Kasse, sondern im Sparschwein landen, sind als Einnahmen den bisherigen Kasseneinnahmen hinzuzurechnen. Auch hier liegt bei Nichterfassung ein Kassenmangel vor, weil dadurch die Kassensturzfähigkeit nicht mehr gegeben ist.

     

    2.5 Aussage 5: Erlösverprobung darf nicht zu unverhältnismäßigen Zuschätzungen führen

    Nach den zahlreichen Argumenten, die für eine Zuschätzung zum Umsatz und Gewinn führten, haben die Richter des Finanzgerichts allerdings auch Kritik an der Ermittlung der Zuschätzungsbeträge angebracht und diese deutlich reduziert.

     

    Die durchgeführte Kalkulation der Chemieumsätze des Prüfers bei dem Friseur eignete sich als Schätzungsgrundlage nicht. Die bei einer Schätzung gewonnenen Ergebnisse müssen nämlich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH 5.12.07, X B 4/07). Die Hochrechnung des Kalkulationsergebnisses auf die Gesamtumsätze führte zu einem Ergebnis, das weit außerhalb der amtlichen Richtsätze lag und mit dem Betrieb nicht erzielbar war. Das Finanzgericht schlug deshalb einen Sicherheitszuschlag von 7,5 % auf die erklärten Nettoumsätze vor.

     

    • Zuschätzungsrahmen von Finanzamt und Finanzgericht
    Jahr 1
    Jahr 2
    Jahr 3

    Zuschätzung durch Finanzamt

    100.000

    40.000

    25.000

    Zuschätzung durch Finanzgericht

    28.756

    29.080

    28.357

     

    PRAXISHINWEIS | Sie sehen hier eindrucksvoll, dass das Zuschätzungsergebnis des Prüfers bei Schätzungsmängeln oftmals nicht mehr als ein Strohfeuer ist und möglicherweise nur den Weg für einen Kompromissvorschlag darstellt.

     

    Suchen Sie also nach fehlerhaften Stellschrauben in der Zuschätzungsberechnung des Prüfers und listen Sie diese auf. Ein Kompromissvorschlag rückt damit in nahe Sicht.

     

     

    PRAXISHINWEIS | In der Praxis empfiehlt sich als Signalwirkung aus diesem Urteil folgende Vorgehensweise für den Steuerberater bzw. Unternehmer:

     

    • Lassen Sie sich von dem Prüfer die Kalkulationsunterlagen und seine Berechnungsschritte detailliert schriftlich vorlegen.
    • Vergleichen Sie die Ergebnisse des Prüfers mit den Richtsätzen der betreffenden Branche.
    • Liegen die Zuschätzungsbeträge über den Ergebnissen laut Richtsatzsammlung, sollten Sie einen prozentualen Sicherheitszuschlag vorschlagen.
    • Führen Sie zudem Nachweise an, dass die vom Prüfer in den Raum gestellten Zuschätzungsbeträge niemals hätten erzielt werden können.
    • Suchen Sie nach fehlerhaften Argumentationsketten und fehlerhaft dargestellten Konsequenzen in der Berechnung.
     

    Diese Vorgehensweise dürfte in der Praxis zu einem für beide Seiten erträglichen Kompromiss führen. Denn auch der Prüfer dürfte an einem Kompromiss und an der zügigen Beendigung des Prüfungsfalls interessiert sein. Denn auch Prüfer unterliegen einem Statistik- und Zeitdruck. Stellungnahmen in einem Einspruchs- oder gar Klageverfahren sind wenig förderlich.

     

    2.6 Aussage 6: Geldverkehrsrechnung ohne Anfangs- und Endbestände hat keine Aussagekraft

    Die Prüfer in den Finanzämtern versuchen ihre Hinzuschätzungsbeträge oftmals durch eine Bargeldverkehrsrechnung zu untermauern. Doch fehlen bei dieser Geldverkehrsrechnung die Anfangs- und Endbestände, ist sie als Schätzungsgrundlage nicht geeignet. Denn bei den Anfangs- und Endbeständen handelt es sich um existenzielle Bestandteile einer jeden Geldverkehrsrechnung (BFH 25.7.91, XI R 27/89).

     

    PRAXISHINWEIS | Lassen Sie den Prüfer also die Bargeldverkehrsrechnung durchführen, wenn er unbedingt möchte. Diese zeitintensive Berechnung können Sie dann mit den Urteilsgrundsätzen angreifen, wenn er die Anfangs- und Endbestände nicht vorweisen kann. In der Zeit, in der der Prüfer die Geldverkehrsrechnung anfertigt, hat er wenigstens keine Zeit, neue Prüfungsfelder aufzureißen.

     

    3. Tatsächliche Verständigung in Erwägung ziehen

    Hat sich der Prüfer des FA aufgrund Ihrer Argumente und aufgrund der Signalwirkung des Urteils des FG Münster auf einen für Sie akzeptablen Kompromiss eingelassen, sollten Sie noch einen Schritt weitergehen und dieses Ergebnis auch für die Steuerjahre festklopfen, die bereits abgelaufen sind und für die Steuerjahre, die bereits laufen. Damit vermeiden Sie, dass für die Folgejahre erneut eine Betriebsprüfung stattfindet und ein neuer Prüfer womöglich deutlich höhere Zuschätzungen vornimmt.

     

    Rechtssicherheit verschafft Ihnen eine tatsächliche Verständigung (BMF 30.7.08, IV A 3 - S 0223/07/10002; das BMF-Schreiben ist noch anwendbar; siehe hierzu BMF 14.3.16, Az. IV A 2 - O 2000/15/10001).

    Quelle: Ausgabe 08 / 2017 | Seite 195 | ID 44770694

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