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  • · Strafrecht

    Eine einzige Gebührenziffer zu Unrecht berechnet: Praxisdurchsuchung ist unverhältnismäßig

    Bild: ©BillionPhotos.com - stock.adobe.com

    von RA, FA MedR Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg, rechtsanwalt-schinnenburg.de

    | Wenn eine einzige Gebührenposition im Wert von rd. 22 Euro abgerechnet, die zugehörige Leistung aber nicht erbracht wurde, ist eine polizeiliche Praxisdurchsuchung aufgrund des geringen Schadens unverhältnismäßig (Landgericht [LG] Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27.05.2022, Az. 12 Qs 24/22). Der Praxisinhaber, der sich im vorliegenden Fall erfolgreich gegen eine Praxisdurchsuchung wehrte, ist zwar ein Humanmediziner. Dennoch ist das Urteil gleichermaßen für Zahnarztpraxen relevant. |

     

    Fall und Entscheidung

    Die gesetzlich versicherte Patientin eines Arztes hatte u. a. behauptet, bei ihr sei eine verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen mit einer Dauer von mindestens 15 Minuten (EBM-Nr. 35110, bewertet mit 193 Punkten bzw. 21,74 Euro beim Orientierungswert für das Jahr 2022) abgerechnet worden, die der Arzt tatsächlich aber nicht erbracht habe. Dies traf zwar zu, jedoch war es wahrscheinlich, dass nur ein Versehen vorlag.

     

    Das LG befand, dass eine Durchsuchung angesichts des möglicherweise entstandenen Schadens in Höhe von 21,74 Euro unverhältnismäßig sei und hob deshalb den Durchsuchungsbeschluss auf. Das Gericht ließ sich auch nicht von der ‒ in solchen Fällen häufig vorgebrachten ‒ Behauptung der Staatsanwaltschaft beirren, die Verdachtsmomente ließen auf eine Vielzahl von Fällen schlussfolgern. Für alle weiteren Fälle lag eben kein konkreter Verdacht vor.

     

    Folgen und Tipps für Inhaber von Zahnarztpraxen

    Es kommt vor, dass Zahnarztpraxen aufgrund eines Gerichtbeschlusses polizeilich durchsucht werden. Der Schaden für den Zahnarzt ist enorm: Patienten werden möglicherweise abgeschreckt, zudem nehmen die Polizeibeamten häufig Unterlagen, manchmal auch Computer mit, was den Praxisbetrieb erheblich behindert. Deshalb sollten Sie eine Durchsuchung nach Möglichkeit vermeiden bzw. verhindern oder ‒ wenn dies nicht gelingt ‒ darauf hinwirken, dass die Durchsuchung möglichst schnell beendet wird.

     

    • Durchsuchung droht oder steht unmittelbar bevor? ‒ So gehen Sie als Zahnarzt vor
    • Bei einer Praxisdurchsuchung geht es meistens um die Sicherstellung von Unterlagen, die einen bestimmten Patienten betreffen und dies meist aufgrund einer Strafanzeige eben dieses Patienten. Deshalb sollten Sie auf eine Einigung mit dem Patienten bedacht sein, damit dieser nicht zu einer Strafanzeige greift.
    • Bieten Sie an, alle gewünschten Unterlagen vorzulegen, damit keine Durchsuchung und/oder Beschlagnahme nötig ist.
    • Hat dennoch ein Gericht einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, so sollten Sie ‒ mithilfe eines Rechtsanwalts ‒ alle Hebel in Bewegung setzen, damit dieser Beschluss wieder aufgehoben und die beschlagnahmten Unterlagen herausgegeben werden. Dazu müssen Sie unter Vorlage von Beweismitteln vortragen, dass der Verdacht gar nicht zutrifft oder dass die Durchsuchung zumindest unverhältnismäßig ist.
     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2022 | Seite 4 | ID 48658459