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  • · Gesetzgebung

    GKV-FinStG ‒ die Rückkehr zur Budgetierung?

    Bild: © skd - stock.adobe.com

    von RA, FA MedR und Zahnarzt Dr. Stefan Droste, LL. M., Kanzlei am Ärztehaus, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Im Corona-Jahr 2021 erwirtschafteten die gesetzlichen Krankenkassen das größte Defizit seit der deutschen Einheit. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) konstatiert einen Fehlbetrag von 6,7 Mrd. Euro. Auch wenn sich im Jahr 2022 die Lage etwas zu stabilisieren scheint, könnte das Defizit der Kassen im Jahr 2023 mindestens 17 Mrd. Euro betragen. Um diese Finanzierungslücke kurzfristig zu überbrücken, hat das BMG am 20.10.2022 das sog. GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) beschlossen (online unter iww.de/s7051 ) ‒ mit schmerzlichen Folgen auch für die Zahnärzte. |

    Einschränkungen für die Zahnärzteschaft

    Zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen sieht das GKV-FinStG ein Bündel von Einsparmaßnahmen vor. Neben Bundeszuschüssen und unverzinsten Darlehen des Bundes für die gesetzlichen Krankenkassen sollen Einschränkungen in den Bereichen und Berufsgruppen der Apotheken und Arzneimittelpreise, Vertragsärzte, Pflege und auch Zahnärzte umgesetzt werden. Schließlich werden auch die einzelnen Beitragszahler weiter zur Kasse gebeten werden. Der Zusatzbeitrag wird steigen. Eine Anhebung des Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte ist zz. nach Ansicht des BMG nicht unrealistisch.

     

    Die für die Zahnärzteschaft maßgebliche Einschränkung lautet im Gesetzentwurf: „Die Punktwerte und Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Behandlung ohne Zahnersatz dürfen im Jahr 2023 höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte und im Jahr 2024 höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einkommen im jeweiligen Jahr steigen.“ (Vgl. Abruf-Nr. 48632422). Nach Berechnungen des BMG sollen diese Begrenzungen zu Minderausgaben für die GKV im Jahr 2023 i. H. v. rund 120 Mio. Euro und im Jahr 2024 i. H. v. rund 340 Mio. Euro führen.

    Auswirkungen für die Zahnärzteschaft

    Das GKV-FinStG hat Auswirkungen auf alle Zahnarztpraxen in Deutschland. Die o. g. Minderausgaben i. H. v. insgesamt 460 Mio. Euro für die Jahre 2023 und 2024 werden faktisch beim Honorar des Vertragszahnarztes für die erbrachten Leistungen und Behandlungen eingespart. Die (zunächst) für die kommenden zwei Jahre vorgesehenen Regelungen stellen damit eine drastische Vergütungskürzung dar. Es werden Vergleiche mit einem Rückfall in die Zeit strikter Budgetierung gezogen. Die im Gesetzentwurf enthaltene Budgetierung ist verbunden mit einer Begrenzung des Wachstums der Gesamtvergütungen auf die höchstens um 0,75 Prozent für das Jahr 2023 bzw. 1,5 Prozent für das Jahr 2024 verminderte Grundlohnsumme (= bundesweite Summe der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter, aus denen Krankenversicherungsbeiträge zu leisten sind). Daneben ist vorgesehen, dass diese Maßnahme Hand in Hand mit einer Begrenzung der Punktwertsteigerungen geht.

     

    MERKE | Die Punktwerte für Leistungen der Individualprophylaxe und Früherkennungsuntersuchungen sind zumindest nach dem Gesetzesentwurf von dieser Begrenzung ebenso ausgenommen wie der ausdrücklich genannte Bereich des Zahnersatzes. Hiermit soll zumindest dem Bereich der Behandlung von Kindern- und Jugendlichen und dem dort enthaltenen Präventionsgedanken keine Einschränkung auferlegt werden.

     

    Entwicklung durch standespolitisches Engagement

    Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Dr. Wolfgang Eßer hatte vor Verabschiedung des Gesetzes von einem „Frontalangriff auf die zahnärztliche Versorgung“ gesprochen und den Bundesgesundheitsminister aufgefordert, die strikte Budgetierung wieder zu streichen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass von der vertragszahnärztlichen Versorgung keine Gefahr für die Finanzstabilität der GKV ausgehe. Mit dem Jahr 2012 habe der Gesetzgeber die strikte Budgetierung im zahnärztlichen Bereich aufgehoben. Trotz Wegfall der Budgetierung sei der Anteil der zahnärztlichen Ausgaben an den GKV-Gesamtausgaben kontinuierlich von knapp 9 Prozent im Jahr 2000 auf aktuell 6,25 Prozent gesunken.

     

    Ein weiterer erheblicher Kritikpunkt liegt darin, dass der Gesetzgeber die gerade erst zum 01.07.2021 umgestaltete PAR-Richtlinie (vgl. die AAZ-Sonderausgaben online unter den Abruf-Nrn. 47715640 und 48023542), die eine Einbeziehung von UPT-Behandlungen in die Behandlungsstrecke vorsieht, unterläuft. Die für die neue PAR-Behandlungsstrecke notwendigen mit GBA und Bewertungsausschuss konsentierten Mittel von 800 bis 900 Mio. Euro pro Jahr werden ebenfalls unter die o. g. Budgetierung fallen und wären demnach zu den genannten Minderausgaben folgerichtig hinzuzuaddieren. Eine patientenorientierte Versorgung ist durch das neue Gesetz faktisch nicht mehr sichergestellt.

     

    Aus diesen Gründen hatten sich die einzelnen Standesvertretungen der Länder mit offenen Briefen an das BMG und die Gesundheitsminister der Länder gewandt. In einer im September veröffentlichen Stellungnahme zum GKV-FinStG war der Bundesrat den Empfehlungen seines Gesundheitsausschusses gefolgt. Er hatte gefordert, die neue, präventionsorientierte PAR-Behandlungsstrecke aus der zahnärztlichen Budgetierung herauszunehmen. Dennoch blieb auch die PAR-Strecke von der Budgetierung nicht verschont. Vertreter der KZBV sprechen gar von einem „schwarzen Tag“ für die Prävention (Pressemitteilung der KZBV vom 20.10.2022 online unter iww.de/s7182).

    Fazit: Gesetz trifft Zahnärzte doppelt und unverhältnismäßig

    In Zeiten von Corona und Energiekrise ist Sparen angesagt. Doch an welcher Stelle? Ist es richtig, gerade bei der Gesundheitsfürsorge den Hebel anzusetzen, wo doch Hilfspakete wie Tankrabatte, Energieumlagen und Sondervermögen für die Bundeswehr zeigen, dass staatliche Hilfe vermeintlich überall ‒ teils mit der „Gießkanne“ ‒ gewährt wird. Die Zahnärzteschaft ist von den geplanten Einschränkungen besonders betroffen. Steigende Energiekosten können von den Praxisinhabern nicht abgefedert werden, ein Herabsenken der Raumtemperatur scheint bei der Behandlung von Älteren und Kindern unangebracht. Hinzu kommt der in der GOZ bestehende seit 33 Jahren nicht angepasste und damit stark überalterte Punktwert, der zu einer nicht angemessenen Vergütung von Privatleistungen führt. Die faktische Rückkehr zur Budgetierung im vertragszahnärztlichen Bereich, die mit den o. g. Einschränkungen einhergeht, trifft den Zahnarzt doppelt und damit unverhältnismäßig.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2022 | Seite 5 | ID 48623606