· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Pauschale Abgeltung von Überstunden: Klausel unwirksam, aber Vergütung nur im Einzelfall!
von RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Klausel, wonach sämtliche Über- oder Mehrarbeit mit der vereinbarten Vergütung abgegolten sei, wegen Verstoßes gegen das „Transparenzgebot“ aus § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Daraus folgt nach dem BAG indes nicht, dass der Arbeitnehmer per se einen Anspruch auf Abgeltung der Überstunden hat (Urteil vom 17.8.2011, Az: 5 AZR 406/10). |
Der Fall
Eine Rechtsanwaltskanzlei hatte die Aufnahme eines angestellten Anwalts als Partner abgelehnt und kurz darauf das Arbeitsverhältnis gekündigt. Der Anwalt nahm die Kanzlei daraufhin auf Vergütung von Überstunden in Höhe von circa 40.000 Euro in Anspruch. Der Anwalt bezog zuletzt eine Vergütung von 8.000 Euro brutto, mit der etwaig notwendige Über- oder Mehrarbeit abgegolten sein sollte (pauschale Abgeltungsklausel). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg urteilte zugunsten des Anwalts und sprach eine Vergütung der prozessual nachgewiesenen Überstunden in Höhe von circa 30.000 Euro zu. Die dagegen gerichtete Revision der Kanzlei war erfolgreich.
Die Entscheidung
Das BAG bestätigt zunächst, dass die zugrundeliegende pauschale Abgeltungsklausel intransparent und damit unwirksam sei. Der Arbeitnehmer müsse bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“. Daran fehle es, weil der Umfang der zu leistenden Überstunden in keiner Weise konkretisiert oder beschränkt sei.
Eine Vergütung der Überstunden könne der Anwalt gleichwohl nicht beanspruchen, weil die Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB nicht vorlägen. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Erwartung sei zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben. Einen allgemeinen Rechtssatz, dass jede Mehrarbeits- oder dienstliche Anwesenheitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten sei, gebe es aber gerade bei Diensten höherer Art bzw. bei leitenden Angestellten nicht. Maßgeblich sei eine objektivierte Einzelfallprüfung unter Beachtung der Verkehrssitte, der Art, Dauer und des Umfangs der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander. Hier habe sich der Anwalt die Aufnahme in die Partnerschaft erhofft; für eine Überstundenabgeltung sei dann kein Raum.
PRAXISHINWEISE | Die Entscheidung überzeugt wertungsmäßig nicht: Der Arbeitgeber, der eine unwirksame Klausel verwendet, erreicht so sein mit der unwirksamen Klausel verfolgtes Ziel. Berater sollten dies bei Vertragsgestaltung beachten. |