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  • · Fachbeitrag · Kinderzahnheilkunde

    Individualprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen ‒ zwischen Richtlinie und Praxis

    von Jasmin Klecker, ZMV, Dent-K GmbH, dent-k.de

    | Die Individualprophylaxe (IP) gemäß § 22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V ist ein fester Bestandteil der gesetzlichen Versorgung für Kinder und ugendliche zwischen dem 6. und dem vollendeten 18. Lebensjahr. Sie soll helfen, Karies und Gingivitis frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden ‒ im Idealfall, bevor überhaupt Beschwerden entstehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Aufbau des IP-Programms, seine praktische Umsetzung sowie relevante Aspekte der Dokumentation und Abrechnung. |

    IP-Leistungen im Überblick

    IP1 ‒ Mundhygienestatus:

    Dokumentation der Mundhygiene anhand standardisierter Indizes (z. B. API, PBI oder Quigley-Hein). Dabei werden auch Retentionsstellen erfasst und ggf. Zähne eingefärbt. Ein gewählter Index sollte über die gesamte IP-Phase beibehalten werden. Abrechenbar: max. 1 × je Kalenderhalbjahr, mit mind. 4 Monaten Abstand.

     

    IP2 ‒ Mundgesundheitsaufklärung:

    Aufklärung über Ursachen und Prävention von Karies, Gingivitis und Zahntraumata ‒ kombiniert mit praktischer Anleitung zur Mundhygiene. Fluoridempfehlungen und Übung der Reinigungstechniken gehören dazu. Einzelunterweisung ist Pflicht. Abrechenbar: 1 × je Kalenderhalbjahr.

     

    IP4 ‒ Lokale Fluoridierung:

    Auftragen von Fluoridlack oder -gel nach Entfernung weicher Beläge und Trockenlegung der Zähne. Bei hohem Kariesrisiko (nach DMF-Index) 2 × pro Halbjahr zulässig ‒ auch bei geringer Compliance, sofern dokumentiert.

     

    IP5 ‒ Fissurenversiegelung:

    Nur bei kariesfreien Fissuren der bleibenden Molaren 6 und 7 möglich. Bei initialen Läsionen ist eine GKV-Abrechnung ausgeschlossen ‒ dann ggf. GOZ 2000 oder Füllungstherapie bei tieferer Schädigung.

    Dokumentation: Rechtssicher & prüfungsrelevant

    Die Dokumentation muss vollständig, nachvollziehbar und regelwerkskonform sein ‒ nicht nur für die Abrechnung, sondern auch für die rechtliche Absicherung (§ 630f Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Wichtig:

    • IP1: Index (z. B. API), Kürzel, Messwert, Datum
    • IP2: Aufklärungsthemen, durchgeführte Übungen, Einzelunterweisung dokumentiert
    • IP4: Material, Datum, bei 2 ×: Begründung mit DMF-Risiko
    • 107 (Zahnstein): Datum, ggf. Hinweis auf Suprakonstruktionen
    • Zusatzmaßnahme: Wenn Zähne wie 16, 11, 26, 36, 31 oder 46 durchgebrochen sind, kann zusätzlich die Parodontal-Screening-Untersuchung nach BEMA-Nr. 04 erfolgen. Das hilft, Zahnstein zu dokumentieren ‒ ein Bereich, der in IP-Indizes oft untergeht. Diese Dokumentation kann die spätere Abrechnung von BEMA-Nr. 107 stützen. Wenn nur übermäßig viele weiche Beläge vorhanden sind oder diese gezielt entfernt werden sollen ist dies privat zu vereinbaren über Nrn. 4050 oder 4055 GOZ, da diese auch die Entfernung weicher Beläge beinhalten.

    Wenn die Mitarbeit fehlt: IP-Leistungen anpassen

    Die IP lebt von der Mitwirkung der Behandelten. Bleibt diese trotz Aufklärung aus, ist eine Reduktion der IP-Strecke zulässig und oft notwendig:

    • 1. Remotivation (IP2) innerhalb von vier Monaten nach IP1
    • 2. Dokumentation, wenn keine Besserung erfolgt
    • 3. Reduktion auf IP1 und IP4 (ggf. 2 ×/Halbjahr)

    Laut Richtlinie sollen bei guter Hygiene nur IP1 und IP4 durchgeführt werden. Umgekehrt gilt: Auch bei ausbleibender Verbesserung nach IP2 ist diese Reduktion sinnvoll ‒ und abrechnungsfähig, wenn sie dokumentiert ist.

    Rechenbeispiel: Lohnt sich das?

    Bei einem Stundensatz von 150 Euro/h ergibt sich ein Zeitbudget von 59 Minuten pro Jahr und Patient ‒ das ist wirtschaftlich machbar, wenn die Prozesse stimmen.

     

    • Punktwert: 1,30 Euro/Punkt
    Leistung
    Anzahl
    Betrag

    IP1

    2 ×

    52,00 Euro

    IP2

    2 ×

    44,20 Euro

    IP4

    2 ×

    31,20 Euro

    Zahnstein 107

    1 ×

    19,20 Euro

    Gesamt

    146,60 Euro p.a.

     

    Fazit & Empfehlungen

    • IP ist ein erprobtes, wirkungsvolles Präventionsinstrument.
    • Dokumentation und Indexauswahl müssen nachvollziehbar sein.
    • Anpassung an die Patientencompliance ist nicht nur erlaubt, sondern Pflicht.
    • Wirtschaftlich bleibt die IP nur mit klaren Abläufen, geschultem Team und sauberer Kommunikation
    • Die Wahl validierbarer Indizes und deren konsequente Anwendung erhöht die Nachvollziehbarkeit.
    • Die Dokumentation muss rechtssicher erfolgen.
    • Eine Compliance-orientierte Anpassung der IP-Strecke ist zulässig ‒ und notwendig.
    • Die IP ist nicht nur über GKV zu erbringen. Gründe wie die Compliance, können dazu führen, dass die Erbringung von Leistungen über die GOZ legitimiert bzw. Leistungen auch im Rahmen der GKV nicht angedacht sind.
    Quelle: Ausgabe 08 / 2025 | Seite 6 | ID 50426962