· Kinderzahnheilkunde
Individualprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen ‒ zwischen Richtlinie und Praxis

von Jasmin Klecker, ZMV, Dent-K GmbH, dent-k.de
| Die Individualprophylaxe (IP) gemäß § 22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V ist ein fester Bestandteil der gesetzlichen Versorgung für Kinder und Jugendliche zwischen dem 6. und dem vollendeten 18. Lebensjahr. Sie soll helfen, Karies und Gingivitis frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden ‒ im Idealfall, bevor überhaupt Beschwerden entstehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Aufbau des IP-Programms, seine praktische Umsetzung sowie relevante Aspekte der Dokumentation und Abrechnung. |
Diese Leistungen sieht der BEMA für die IP vor
Die IP ist im BEMA ‒ Teil I (Konservierende und chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen) durch die Nrn. IP1, IP2, IP4 und IP5 beschrieben.
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Dokumentation: Rechtssicher und prüfungsrelevant
Die Dokumentation muss vollständig, nachvollziehbar und regelwerkskonform sein ‒ nicht nur für die Abrechnung, sondern auch für die rechtliche Absicherung (§ 630f Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Wichtig sind bei
- IP1: Index (z. B. API), Kürzel, Messwert, Datum
- Wichtig | Bei den 12- bis 17-jährigen Patienten ist für jedes Kalenderhalbjahr das Datum der Erhebung des Mundhygienestatus nach der IP1 ins Bonusheft einzutragen. Das Bonusheft dient letztlich dem Versicherten als Nachweis für den Anspruch auf erhöhte Zuschüsse bei einer Versorgung mit Zahnersatz.
- IP2: Aufklärungsthemen, durchgeführte Übungen, Einzelunterweisung dokumentiert
- IP4: Material, Datum, bei 2 ×: Begründung mit DMF-Risiko
- 107 (Zahnstein): Datum, ggf. Hinweis auf Suprakonstruktionen
- Zusatzmaßnahme: Wenn Zähne wie 16, 11, 26, 36, 31 oder 46 durchgebrochen sind, kann zusätzlich die Parodontal-Screening-Untersuchung nach BEMA-Nr. 04 erfolgen. Das hilft, Zahnstein zu dokumentieren ‒ ein Bereich, der in IP-Indizes oft untergeht. Diese Dokumentation kann die spätere Abrechnung von BEMA-Nr. 107 stützen. Wenn nur übermäßig viele weiche Beläge vorhanden sind oder diese gezielt entfernt werden sollen, ist dies privat zu vereinbaren über Nrn. 4050 oder 4055 GOZ, da diese auch die Entfernung weicher Beläge beinhalten.
Wenn die Mitarbeit fehlt: IP-Leistungen anpassen
Die IP lebt von der Mitwirkung der Behandelten. Bleibt diese trotz Aufklärung aus, ist eine Reduktion der IP-Strecke zulässig und oft notwendig:
- 1. Remotivation (IP2) innerhalb von vier Monaten nach IP1
- 2. Dokumentation, wenn keine Besserung erfolgt
- 3. Reduktion auf IP1 und IP4 (ggf. 2 ×/Halbjahr)
Laut Richtlinie sollen bei guter Hygiene nur IP1 und IP4 durchgeführt werden. Umgekehrt gilt: Auch bei ausbleibender Verbesserung nach IP2 ist diese Reduktion sinnvoll ‒ und abrechnungsfähig, wenn sie dokumentiert ist.
Rechenbeispiel: Lohnt sich das?
Bei einem Stundensatz von 150 Euro/h ergibt sich ein Zeitbudget von 59 Minuten pro Jahr und Patient ‒ das ist wirtschaftlich machbar, wenn die Prozesse stimmen.
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Leistung | Anzahl | Betrag |
IP1 | 2 × | 52,00 Euro |
IP2 | 2 × | 44,20 Euro |
IP4 | 2 × | 31,20 Euro |
Zahnstein 107 | 1 × | 19,20 Euro |
Gesamt | 146,60 Euro p. a. |
Fazit und Empfehlungen
- Die IP ist ein erprobtes, wirkungsvolles Präventionsinstrument.
- Dokumentation und Indexauswahl müssen nachvollziehbar sein.
- Anpassung an die Patientencompliance ist nicht nur erlaubt, sondern Pflicht.
- Wirtschaftlich bleibt die IP nur mit klaren Abläufen, geschultem Team und sauberer Kommunikation.
- Die Wahl validierbarer Indizes und deren konsequente Anwendung erhöht die Nachvollziehbarkeit.
- Die Dokumentation muss rechtssicher erfolgen.
- Eine Compliance-orientierte Anpassung der IP-Strecke ist zulässig ‒ und notwendig.
- Die IP ist nicht nur über GKV zu erbringen. Gründe wie die Compliance können dazu führen, dass die Erbringung von Leistungen über die GOZ legitimiert bzw. Leistungen auch im Rahmen der GKV nicht angedacht sind.