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  • · Fachbeitrag · Schriftform

    Mieterwechsel durch Vertragsübernahme: Nur Bezugnahme auf Mietvertrag wahrt Schriftform

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Soll in einem Mietvertrag, der wegen seiner Laufzeit der Schriftform des § 550 BGB bedarf, ein Mieterwechsel herbeigeführt werden, muss die schriftliche Vereinbarung zwischen dem früheren und dem neuen Mieter eine hinreichend deutliche Bezugnahme auf den Mietvertrag enthalten, wenn die Schriftform gewahrt bleiben soll.
    • 2. Die für die Wirksamkeit der Vertragsübernahme erforderliche Zustimmung des Vermieters kann formlos erfolgen.
     

    Sachverhalt

    Der gewerbliche Mietvertrag ist auf 15 Jahre befristet mit einer Verlängerungsoption von einmal fünf Jahren für die Mieterin. Nach Ablauf der Mietzeit sollte sich das Mietverhältnis jeweils um ein Jahr verlängern, wenn nicht Mieter oder Vermieter binnen sechs Monaten vor Ablauf der Mietzeit schriftlich kündigten. Die Mieterin schloss am 26.4.01 mit der Beklagten einen „Kauf- und Übertragungsvertrag über einen Geschäftsbetriebsteil“ (asset-deal). Danach tritt die Beklagte anstelle der Mieterin u.a. in sämtliche Rechte und Pflichten aus den in einer Vertragsanlage aufgeführten Verträgen ein. In der Anlage findet sich eine mit „Raummieten 2000“ überschriebene tabellarische Aufstellung von Mietobjekten, eingeteilt in Standorte, Bezeichnung der Vermieter und Angabe der zu zahlenden Mieten, die die Angabe beinhaltet: „Standort: Hamburg; Vermieter: Klägerin; Mietzins 22.900“. In 01 und 02 wurde die Miete von der Mieterin, danach von der Beklagten bezahlt.

     

    Die Klägerin hält die Befristung im Mietvertrag für wirksam und begehrt die Feststellung, dass das Mietverhältnis bis 31.5.16 - also 15 Jahre - befristet ist. Die Beklagte hält die Befristung für unwirksam. Sie verlangt mit ihrer Widerklage die Feststellung, dass das Mietverhältnis aufgrund ihrer Kündigung vom 30.3.11 zum 30.9.11 beendet worden ist. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Revision hat keinen Erfolg.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH prüft in zwei Schritten:

     

    • Zunächst klärt er, auf welche Weise das Mietverhältnis auf die Beklagte übergegangen ist.

     

    • Dann prüft er, ob der Mietvertrag wegen eines Schriftformmangels gemäß § 550 S. 1, § 578 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und von der Beklagten ordentlich gekündigt werden konnte.

     

    Mieterwechsel durch Gesamtrechtsnachfolge (Umwandlung)

    Eine Gesamtrechtsnachfolge hätte stattgefunden, wenn die Mieterin und die Beklagten einen Verschmelzungsvertrag i.S. von § 2 Nr. 1, § 30 UmwG geschlossen hätten oder die Mieterin ihr Vermögen ganz oder teilweise auf die Beklagten übertragen hätte (§ 174 Abs. 1 und 2 UmwG). Keine dieser beiden Möglichkeiten einer Umwandlung von Unternehmen, die zu einer Gesamtrechtsnachfolge führen, ist festgestellt.

     

    Mieterwechsel durch Gesamtrechtsnachfolge („asset-deal “)

    Erwirbt der Käufer - wie hier - die Gesamtheit der einzelnen Wirtschaftsgüter eines Unternehmens oder Betriebsteils (sog. „asset-deal“), wird der Erwerber nicht Gesamtrechtsnachfolger des Veräußerers. Grund: Die Abwicklung des Unternehmenskaufs erfordert für jeden einzelnen Vermögensgegenstand, der auf den Erwerber übertragen werden soll, einen gesonderten Übertragungsakt, der sich nach den maßgeblichen dinglichen Vorschriften richtet. Deshalb tritt der Erwerber bei einem „asset-deal“ nicht im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge in Vertragsverhältnisse ein, aus denen der Veräußerer berechtigt und verpflichtet ist und die von dem Unternehmenskauf erfasst werden. Folge: Diese Verträge müssen zunächst in der erforderlichen Form auf den Erwerber übertragen werden, damit dieser Vertragspartei wird.

     

    Mieterwechsel durch Vertragsübernahme

    Die vereinbarte Vertragsübernahme war wirksam und die Beklagte ist anstelle der Vormieterin in den Mietvertrag eingetreten. Die Vertragsübernahme ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, das der Zustimmung aller Beteiligter bedarf (BGHZ 96, 302; 154, 171). Die Vertragsübernahme kann als dreiseitiger Vertrag oder durch Vertrag zwischen zwei Beteiligten geschlossen werden, der durch den dritten Beteiligten genehmigt wird (BGH MK 05, 192 Abruf-Nr. 051704). Das heißt: Wird ein Mieterwechsel - wie hier - in Form einer Vereinbarung zwischen dem Vormieter und dem neuen Mieter vorgenommen, bedarf es der Genehmigung durch den Vermieter, die auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann. Hier hat die Klägerin die Vertragsübernahme konkludent durch die Entgegennahme der Mietzinszahlungen, die Entgegennahme einer die Beklagte als Mieterin ausweisenden Mietbürgschaft und die Adressierung von Nebenkostenabrechnungen und Miet-
erhöhungsverlangen an diese genehmigt.

     

    Schriftformmangel

    Die Schriftform des § 550 BGB ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Das heißt:

     

    • Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, sodass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen (BGHZ 142, 158). Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (BGHZ 136, 357).

     

    • Ergibt sich der Zusammenhang mehrerer Schriftstücke aus einer Bezugnahme, ist es erforderlich, dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden Urkunden verwiesen ist, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfasst sind.

     

    • Treffen die Mietvertragsparteien nachträglich eine Vereinbarung, mit der wesentliche Vertragsbestandteile geändert werden sollen, muss diese zur Erhaltung der Schriftform des § 550 S. 1 BGB hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll (BGHZ 160, 97).

     

    Dies gilt auch für eine Vereinbarung über den Wechsel der Vertragsparteien. Folge: Die vertragliche Auswechslung eines Mieters in einem Mietvertrag, der wegen seiner Laufzeit der Schriftform des § 550 BGB bedarf, erfordert die Einhaltung der Schriftform, wenn die Laufzeit erhalten bleiben soll. Das heißt: Der Mieterwechsel muss zur Wahrung der Schriftform dergestalt beurkundet sein, dass sich die vertragliche Stellung des neuen Mieters im Zusammenhang mit dem zwischen dem vorherigen Mieter und dem Vermieter geschlossenen Mietvertrag ergibt (BGH MK 05, 77, Abruf-Nr. 050913).

     

    Hier fehlt es an einem hinreichend deutlichen Bezug in dem kauf- und Übernahmevertrag auf den ursprünglichen Mietvertrag. Auch in der Anlage ist der Mietvertrag nicht hinreichend bezeichnet, insbesondere fehlt es an konkreten Angaben zum Mietobjekt, den ursprünglichen Mietvertragsparteien und zum Datum des Vertrags. Allein aus Tabellenangaben lässt sich das betroffene Mietobjekt nicht eindeutig bestimmen, zumal auch die Angabe zur Miete nicht dem im Mietvertrag genannten Mietzins entspricht. Das heißt: Es fehlt an dem für die Wahrung der Schriftform erforderlichen lückenlosen Zusammenhang aller Schriftstücke, aus denen sich die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ergeben.

    Praxishinweis

    Ein Vermieter- oder Mieterwechsel in Form einer Vertragsübernahme kann sich auf dreierlei Weise vollziehen:

     

    • Vereinbarung zwischen dem früheren und dem neuen Vermieter mit formloser Zustimmung des Mieters (BGHZ 154, 171),
    • Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter mit formloser Zustimmung des neuen Mieters (BGH MK 05, 192, Abruf-Nr. 051704) und
    • Vereinbarung zwischen Alt- und Neumieter mit formloser Zustimmung des Vermieters (OLG Düsseldorf MK 12, 19, Abruf-Nr. 120150).

     

    Allen Varianten ist gemein, dass die erforderliche Zustimmung des Dritten zwar formfrei möglich ist. Zur Wahrung der Schriftform des § 550 BGB ist jedoch unverzichtbar, dass die notwendig schriftliche Nachtragsvereinbarung über den Wechsel des Vermieters oder Mieters hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Mietvertrag Bezug nimmt.

     

    Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform hat zur Folge, dass sämtliche vereinbarte Befristungen und Optionsrechte unwirksam sind und das Mietverhältnis nach § 550 S. 2 BGB ordentlich gekündigt werden kann (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Für die Kündigung ist eine vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist jedenfalls dann nicht maßgeblich, wenn diese - wie hier - länger als die gesetzliche Kündigungsfrist ist (BGH ZMR 00, 593).

     

    Der BGH hält daran fest, dass sich jede Partei grundsätzlich auch nach jahrelanger Durchführung des Mietvertrags darauf berufen darf, dass die für den langfristigen Mietvertrag vorgesehene Form nicht eingehalten ist (MK 06, 217, Abruf-Nr. 062434; MK 04, 21, Abruf-Nr. 032567).

     

    Nur ausnahmsweise, wenn die Unwirksamkeit der vereinbarten langfristigen Vertragsdauer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf den Formmangel zu berufen. Das kann nach BGH (MK 08, 170 Abruf-Nr. 081735; MK 06, 217, Abruf-Nr. 062434; MK 05, 195, Abruf-Nr. 051084) insbesondere der Fall sein,

    • wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten
    • oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat.

     

    Beachten Sie | Die Darlegungs- und Beweislast für eine rechtsmissbräuchliche Kündigung trägt der Kündigungsgegner.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Vertragsübernahme durch Vereinbarung des alten und des neuen Mieters mit formloser Zustimmung des Vermieters, OLG Düsseldorf MK 12, 19, Abruf-Nr. 120150
    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 119 | ID 39543160