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  • · Fachbeitrag · Schriftform

    Wirksamkeit der Schriftformheilungsklausel weiterhin ungeklärt

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Nießbrauchsberechtigte handelt nicht treuwidrig, wenn er trotz einer formularvertraglichen Schriftformheilungsklausel einen Mietvertrag, in den er gemäß § 566 Abs. 1, § 567 S. 1 BGB eingetreten ist, unter Berufung auf einen Schriftformmangel kündigt (BGH 30.4.14, XII ZR 146/12, Abruf-Nr. 141809).

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte schloss in 5/07 mit den Voreigentümern einer als Einkaufszentrum genutzten Gewerbeimmobilie einen Mietvertrag über zehn Jahre. § 2 des Mietvertrags beschreibt den im Bereich einer marktähnlich gestalteten Ladenpassage gelegenen Mietgegenstand als „Räumlichkeiten zur Benutzung als Verkaufs-/Ladenflächen im EG 1, Ebene 3, 75 m², gemäß dem als Anlage 1 beiliegenden Mietflächenplan“. Der dem Vertrag angeheftete Mietflächenplan zeigt einen Ausschnitt aus der Ladenpassage, in dem neben zwei als „Lager“ und „Verkauf“ bezeichneten Bereichen auf den Verkehrs- und Gemeinschaftsflächen Tische mit Bestuhlung eingezeichnet sind, ohne dass diese einem Ladenlokal konkret zugeordnet sind. Der Beklagte nutzte das Mietobjekt als Gaststätte mit Getränkeverkauf.

     

    § 20 Abs. 2 des Mietvertrags lautet: „Vertragsänderungen bedürfen in jedem Fall der Schriftform, dies gilt auch für die Aufhebung dieser Schriftformklausel. Den Parteien ist § 550 S. 1 BGB bekannt. Sie verpflichten sich, bei Nichteinhaltung der Schriftform dieses Vertrags die Schriftform nachträglich herbeizuführen sowie bei Veränderungen alles zu unternehmen, um dem Schriftformerfordernis zu genügen und vor diesem Zeitpunkt nicht wegen der mangelnden Form zu kündigen.“ Die neue Eigentümerin der Gewerbeimmobilie räumte der Klägerin ein am 18.6.08 ins Grundbuch eingetragenes Nießbrauchsrecht an dem Grundstück ein. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform des Mietvertrags zum 31.12.10. Das OLG Düsseldorf (MK 13, 2, Abruf-Nr. 123782) gibt der Räumungsklage statt. Der BGH weist die Revision des Beklagten zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (BGH MK 14, 75, Abruf-Nr. 141133; MK 10, 91, Abruf-Nr. 101182; NJW 09, 2195; MK 08, 155, Abruf-Nr. 081734).

     

    Merke | Der Mietgegenstand muss zur Wahrung der Schriftform so hinreichend bestimmbar bezeichnet sein, dass es einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich ist, den Mietgegenstand zu identifizieren und seinen Umfang festzustellen (BGH NJW 00, 354).

     

    Etwa verbleibende Zweifel an der Lage des Mietgegenstands innerhalb eines Gebäudes lassen sich im Wege der Auslegung beseitigen, weil auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, wenn sie sich als unklar oder lückenhaft erweisen. Selbst wesentliche Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts brauchen daher nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt. Insoweit darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (BGH NJW 99, 3257).

     

    • So begründet der BGH die fehlende Bestimmbarkeit der Mietfläche
    • Aus § 2 des Mietvertrags ergibt sich nur, dass der Mieter zur Nutzung einer Verkaufs- und Ladenfläche berechtigt ist, die sich in Ebene 3 im Erdgeschoss des Einkaufszentrums befindet und die Mietfläche insgesamt 75 m² beträgt.
    • Aus dem in Bezug genommenen Mietflächenplan ist ersichtlich, dass zum Mietgegenstand ein Lager mit einer Fläche von 11 m² und ein Verkaufsbereich von 17,37 m² gehört. Die genaue Lage der verbleibenden 46,63 m² Mietfläche kann der Planskizze dagegen nicht entnommen werden.
    • In dem Plan sind auf dem als Gemeinschafts- und Verkehrsfläche genutzten Bereich der Passage mehrere Tische mit Bestuhlung eingezeichnet, aus denen geschlossen werden kann, dass der Beklagte dort zur Aufstellung von Tischen und Stühlen für seinen Gaststättenbetrieb berechtigt sein soll.
    • Welcher konkrete Bereich der Gemeinschafts- und Verkehrsfläche ihm hierfür zur Verfügung steht, lässt sich aus der Skizze jedoch nicht entnehmen, zumal in dem Plan mit einer Sektbar, einer Bäckerei und einem Feinkostimbiss noch weitere Ladengeschäfte eingezeichnet sind, die möglicherweise ihre Waren im Bereich der Gemeinschaftsfläche vertreiben.
     

    Praxishinweis

    Der Fall zeigt exemplarisch, welche Konsequenzen es hat, wenn Vermieter und Mieter bei der Beschreibung des Mietgegenstands nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen. Soll der langfristig konzipierte Mietvertrag für seine Dauer Bestand haben, muss der Mietgegenstand so bestimmbar beschrieben werden, dass ein Erwerber die vermietete Fläche zweifelsfrei feststellen kann. Unvollständige Beschreibungen des Mietgegenstands und pauschale Planangaben - wie sie hier vorliegen - führen zwingend zur Anwendbarkeit des § 550 S. 1 BGB und begründen die latente Gefahr einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung durch eine der Ursprungsparteien oder den Erwerber der Immobilie.

     

    Die jüngst von Abramenko (ZMR 14, 434) vorgeschlagene Übertragung der Rechtsprechung des VIII. Senats (MK 07, 124, Abruf-Nr. 140524) zur Annahme eines Kündigungsverzichts im Wege ergänzender Auslegung bei unwirksamer Befristung i.S. des § 575 BGB scheitert schon an dem andersgelagerten und mit § 575 BGB nicht vergleichbaren Normzweck des § 550 BGB.

     

    Der XII. Senat entscheidet erneut, dass die vorzeitige ordentliche Kündigung nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstößt, weil die Vermieterseite aufgrund einer vertraglichen Schriftformklausel zur Nachholung der Schriftform verpflichtet wäre. Wie der Senat bereits für eine vergleichbare Schriftformheilungsklausel ausgesprochen hat (MK 14, 81, Abruf-Nr. 140605), verhält sich ein Grundstückserwerber, der gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eingetreten ist, nicht treuwidrig, wenn er trotz einer im Mietvertrag enthaltenen Heilungsklausel das Mietverhältnis wegen eines Schriftformmangels kündigt. Das gilt unabhängig davon, ob die Heilungsklausel individualvertraglich vereinbart wurde oder Bestandteil eines Formularvertrags ist.

     

    Da der BGH den Nießbraucher dem Erwerber gleichstellt, ist auch dieser nicht an eine Schriftformheilungsklausel gebunden. Folge: Das Mietverhältnis der Parteien ist nach den in MK 14, 81 dargelegten Grundsätzen durch die ordentliche Kündigung der Klägerin gemäß § 542 Abs. 1, § 550, § 578 Abs. 1, 2, § 580a Abs. 2 BGB zum 31.12.10 beendet worden.

     

    Die mit Spannung erwartete Frage, ob die Heilungsklausel, wie vom OLG angenommen, wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam ist, konnte der Senat wiederum offen lassen. Es bleibt abzuwarten, ob er das Verfahren XII ZR 154/13 (NZB gegen OLG Koblenz NZM 13, 767) für die überfällige Klärung dieser Frage nutzt.

     

    Wichtig | Anwälte sollten ihre Mandanten bei der Abfassung von Verträgen darauf hinweisen, dass der Erwerber in keinem Fall an eine Schriftformheilungsklausel gebunden werden kann und dass auch im Verhältnis der Ursprungsparteien jede denkbare Formulierung einer Schriftformheilungsklausel bis zu einer Entscheidung des BGH nicht sicher ist.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 130 | ID 42753232