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  • 01.02.2006 | Gewaltschutz

    Richtige Anwaltstaktik bei Wiederholungsfällen im Gewaltschutz

    von RA Thomas Herr, FA Familienrecht und Arbeitsrecht, Kassel

    Führt ein Gewaltschutzverfahren nicht zum gewünschten präventiven Erfolg, kommt es also zu erneuten Verletzungshandlungen, stellt sich die Frage nach dem weiteren Procedere. Der Beitrag zeigt auf, welche Folgen die Anwaltstaktik des ersten Verfahrens für das Folgeverfahren haben kann und gibt Argumentationshilfen für das weitere Vorgehen (zum Gewaltschutzgesetz [GewSchG] Goebel, FK 02, 53; Müller, FK 02, 78; 03, 11; Kloster-Harz FK 03, 116; Möller, FK 04, 30).  

     

    Beispiel

    F hat sich von M getrennt. Dieser dringt wiederholt über die offen stehende Terrassentür in die Wohnung der F ein, wo er sie bedroht. Er belästigt sie mit Telefonaten und SMS und steht täglich stundenlang vor ihrer Haustür, wo er F abfängt und beschimpft. F stellt einen Antrag nach dem GewSchG (zur Antragstellung vgl. Kloster-Harz, FK 03, 116), über den mündlich verhandelt wird.  

     

    Variante 1: Es ergeht ein antragsgemäßer Beschluss.  

    Variante 2: Die Parteien vergleichen sich auf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.  

    Variante 2a: Die Vertragsstrafe ist an den Verletzten zu zahlen.  

    Variante 2b: Die Vertragsstrafe ist an einen Dritten (z.B. Deutsches Rotes Kreuz) zu zahlen.  

    Variante 3: M verspricht zu Protokoll, sich ab sofort korrekt zu verhalten. Die Parteien geben Erledigungserklärungen ab. Das Verfahren ist beendet.  

     

    Kurz darauf belästigt und bedroht M die F aufs Neue. Wie kann F jetzt vorgehen?  

     

    Lösung: F kann wie folgt gegen M vorgehen:  

     

    In Variante 1: F kann Strafanzeige erstatten (§ 4 GewSchG).  

    In Variante 2 a und b: F könnte ihren Vertragsstrafeanspruch im Klageweg verfolgen.  

    In Variante 3: F kann einen erneuten Antrag nach dem GewSchG stellen.  

     

    Praxishinweis: Bei Variante 1 droht dem Täter im Wiederholungsfall eine strafrechtliche Verfolgung. Bei Variante 2 droht dem Täter im Wiederholungsfall eine Zivilklage auf Zahlung der Vertragsstrafe. Lediglich die Variante 3 ist ein stumpfes Schwert, da weder ein Strafverfahren noch ein Zivilverfahren unmittelbar drohen. Der Anwalt sollte sich daher grundsätzlich nicht auf Variante 3 verweisen lassen und hinsichtlich der Variante 2 die folgenden Ausführungen beachten.  

     

    Gewaltschutzantrag nach strafbewehrtem Unterlassungsvertrag möglich?

    Problematisch könnte nach dem Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags das Rechtsschutzbedürfnis für ein neues Gewaltschutzverfahren sein. Das AG Kassel (Beschluss 27.6.05, 423 C 3409/05, n.v., Abruf-Nr. 060131) und das LG Kassel (Beschluss 5.7.05, 1 T 108/05, n.v., Abruf-Nr. 060132) haben kürzlich das Rechtsschutzinteresse verneint.  

     

    Dem stehen folgende Bedenken aus dem allgemeinen Verfahrensrecht entgegen, denen das LG Kassel inzwischen Rechnung getragen und seine Rechtsprechung geändert hat (LG Kassel 30.11.05, 1 T 170/05, n.v., Abruf-Nr. 060133):