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19.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060133

Landgericht Kassel: Beschluss vom 30.11.2005 – 1 T 170/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Kassel
1. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: 1 T 170/05
415 C 5348/05 Amtsgericht Kassel

Beschluss


In dem Prozesskostenhilfe-Beschwerdesache XXX

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Kassel durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Nesselrodt als Beschwerde-Einzelrichter am 30. November 2005

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 10. Oktober 2005 - 415 C 5348/05 - abgeändert.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Thomas Herr, Kassel, bewilligt.

Gründe:

Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2005 hat die Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen angekündigten Antrag auf Erlass von Schutzanordnungen nach § 1 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) gegen den Antragsgegner angetragen. Hinsichtlich des Inhaltes der angestrebten Anordnungen sowie zu den Gründen der Antragschrift vom 5. Oktober 2005 wird auf den Schriftsatzinhalt Bezug genommen.

Mit der im Beschlusstenor bezeichneten Entscheidung hat das Amtsgericht die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, einer Prozesskostenhilfebewilligung stehe zum einen entgegen, dass "über den selben Streitgegenstand" im Rahmen der Beschlussentscheidung der Kammer im Verfahren 1 T 109/05 (Beschluss vom 5. Juli 2005), mit dem die sofortige Beschwerde der nunmehrigen und auch damaligen Antragstellerin gegen einen ein Prozesskostenhilfegesuch zurückweisenden amtsgerichtlichen Beschluss im Verfahren 423 C 3410/05 AG Kassel zurückgewiesen worden war,. abschließend entschieden worden sei, weil ausweislich der Antragsschrift vom 5. Oktober 2005 sich das jetzige Antragsbegehren auf die selbe Sache beziehe. Soweit sich die jetzige Antragsschrift vom 5. Oktober 2005 auch auf einen weiteren Vorfall vom 23. September 2005 gründe, sei - so das Amtsgericht weiter - auch hieraus ein Rechtsschutzbedürfnis für die jetzt beabsichtigte Klage nicht herzuleiten, weil für die Antragstellerin mit einem am 22. April 2005 im Verfahren 415G 1399/05 AG Kassel zwischen ihr und dem Antragsgegner abgeschlossenen Vergleich ein Titel geschaffen worden sei, der der Antragstellerin die Möglichkeit der Vollstreckung biete. Für die weiteren Einzelheiten der Beschlussgründe wird auf die Beschlussausführungen vom 10. Oktober 2005 (BI. 18 f. d. A) Bezug genommen.

Gegen diese der Antragstellerin am 12. Oktober 2005 zugestellte Entscheidung wendet sie sich mit ihrer am 14. Oktober 2005 beim Amtsgericht eingegangen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Mit ihrer Beschwerdeschrift vom 12. Oktober 2005 macht die Antragstellerin geltend, entgegen der amtsgerichtlichen Entscheidung stehe die Prozesskostenhilfe-Beschwerdeentscheidung im Verfahren 1 T 109/05 einer erneuten Entscheidung nicht entgegen. Zudem rügt die Antragstellerin die Auffassung des Amtsgerichts zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz vom 12. Oktober 2005 (BI. 22 f. d. A.) Bezug genommen.

Im Beschwerdeverfahren hatten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18. November 2005. Hiervon hat die Antragstellerin mit einem am 8. November 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. November 2005 und der Antragsgegner mit Schreiben vom 2. November 2005, 4. November 2005 und 10. November 2005 Gebrauch gemacht. Die Antragstellerin vertieft mit ihrem Schriftsatz vom 4. November 2005 ihr Beschwerdevorbringen und behauptet hierzu weitere Vorfälle aus der Zeit vom 21. Oktober bis 29. Oktober 2005, in deren Rahmen der Antragsgegner nach Auffassung der Antragstellerin gegen seine im Vergleich vom 22. April 2005 eingegangene Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat.

Der Antragsgegner tritt mit seinen vorgenannten Schreiben dem Antrags- und Beschwerdevorbringen entgegen.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist form- und fristgerecht angebracht und auch im Übrigen zulässig. Sie musste auch in der Sache Erfolg haben, weil die beabsichtigte Klage, mit der die Antragstellerin, hinsichtlich derer die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen ohne Ratenzahlungsanordnung vorliegen, den Erlass gerichtlicher Anordnungen nach § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG anstrebt, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Entgegen der amtsgerichtlichen Auffassung steht die Beschwerdeentscheidung der Kammer im Verfahren 1 T 109/05 LG Kassel vom 5. Juli 2005 einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Mit dem Beschluss vom 5. Juli 2005 ist zwar die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen einen amtsgerichtlichen Beschluss zurückgewiesen worden, mit dem die beantragte Prozesskostenhilfe für ein Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz von der Antragstellerin begehrt worden war, in dem die Antragstellerin diejenigen Anträge zu verfolgen beabsichtigte, die sie nunmehr auch mit ihrer verfahrensgegenständlichen Antragsschrift vom 5. Oktober 2005 angekündigt hat. Ein die Prozesskostenhilfe versagender Beschluss erlangt aber auch nach der Neufassung des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO im Falle seiner Unanfechtbarkeit keine materielle Rechtskraft und die Voraussetzungen, unter denen es gleichwohl einem neuerlichen Antrag auf Prozesskostenhilfe am Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann, sind vorliegend nicht gegeben. Bereits im Hinblick auf den in der Antragsschrift vom 5. Oktober 2005 von der Antragstellerin geltend gemachten weiteren, nach der Beschlussentscheidung vom 15. Juli 2005 abgelaufenen Vorfall vom 23. September 2005 und unter Berücksichtigung der weiteren Vorfallbehauptungen im Beschwerdeverfahren aus der Zeit vof!1 21. Oktober bis 29. Oktober 2005, die gemäß § 571 Abs. 2 S. 1 ZPO zulässige neue Angriffsmittel darstellen, liegt dem jetzigen Prozesskostenhilfeverfahren nicht mehr der Lebenssachverhalt zugrunde, auf den sich die Beschwerdeentscheidung vom 5. Juli 2005 bezog. Mithin liegt eine Entscheidung, die den selben Lebenssachverhalt erschöpfte wie er im nunmehrigen Verfahren von der Antragstellerin zur Begründung ihres Antragsvorbringens geltend gemacht wird, nicht vor.

Es fehlt entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes einem auf der Grundlage der Antragschrift vom 5. Oktober 2005 betriebenen Verfahren nach dem GewSchG aber auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Antragstellerin. Insoweit gilt Folgendes:

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, d. h. bei solchen Verfahren, in denen die das Verfahren einleitende Partei kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Diese Voraussetzungen können jedoch nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden, weil grundsätzlich jeder Rechtssuchende einen öffentlich rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die Gerichte, denen die rechtsprechende Gewalt anvertraut ist, sein Anliegen sachlich prüfen und bescheiden. Ein solcher Ausnahmefall eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. die Beispiele in: Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., Vor § 253 Rn. 18 ff. m. w. N.) liegt hier nicht vor. Insbesondere kann der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis nicht unter Hinweis auf den zwischen den Parteien im Verfahren 415 C 1399/05 AG Kassel am 22. April 2005 abgeschlossenen Vergleich abgesprochen werden. Zwar ist richtig, dass sich der Antragsgegner in diesem Vergleich verpflichtet hat, solche Handlungen zu unterlassen bzw. vorzunehmen, auf die sich die nunmehrigen angekündigten Anträge in der Antragschrift vom 5. Oktober 2005 beziehen. Zutreffend ist auch, dass sich in dem vorgenannten Vergleich der Antragsgegner verpflichtet hat, für jeden Fall der Zuwiderhandlung einen im Vergleich näher bezifferten Geldbetrag zugunsten einer dort näher bezeichneten Einrichtung zu zahlen. All dies setzt die Antragstellerin aber allein in den Stand, im Falle von etwaigen Verstößen des Antragsgegners gegen die von ihm übernommenen Unterlassungs- und Handlungspflichten die Zwangsvollstreckung zu betreiben bzw. den Antragsgegner auf Zahlung in Anspruch zu nehmen. Im Hinblick auf den von der Antragstellerin behaupteten Vorfall vom 23. September 2005 sowie die weiteren behaupteten Vorfälle aus der Zeit vom 21. Oktober bis 29. Oktober 2005 kommt jedoch im Falle ihrer Erweislichkeit in Betracht, dass die Antragstellerin mit ihrem angekündigten Antragsbegehren durchdringt und es so zu gerichtlichen Anordnungen kommen kann, die im Falle weiterer Verstöße des Antragsgegners - Grundlage einer Bestrafung des Antragsgegners nach § 4 GewSchG sind. Bei den im Vergleich vom 22. April 2005 vom Antragsgegner übernommenen Unterlassungs- und Handlungspflichten handelt es sich weder in der Form noch nach dem Inhalt um vollstreckbare Anordnungen nach § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG. Die Schaffung einer Bestrafungsgrundlage führt jedoch bereits dazu, dass der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden Verfahren nicht abgesprochen werden kann, insbesondere nicht unter Hinweis auf den Vergleich vom 22. April 2005.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da die erfolgreiche Prozesskostenhilfebeschwerde gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Auslagen auch im Beschwerdeverfahren nicht erstattet werden (§ 127 Abs. 4 ZPO).

RechtsgebietFamilienrechtVorschriften§§ 1 ff. GewSchG; § 253 ZPO

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