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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Wenn´s im Kreisel kracht:Wer haftet bei einem Unfall im Kreisverkehr?

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    | Wie Pilze schießen sie seit geraumer Zeit aus dem Boden. Über Sinn und Unsinn der Kreisel wird landauf, landab heftig gestritten. Auch in puncto Haftung gehen die Meinungen auseinander. VA hat die aktuelle Rechtsprechung analysiert. |

     

    Arbeitshilfe / Grundregeln zum Kreisverkehr in 10 Punkten

    • 1. Wer hat Vorfahrt? Seit der StVO-Novelle vom 5.8.09 steht die maßgebliche Regelung nicht mehr in § 9a, sondern in § 8 Abs. 1a StVO: „Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt.“ Der einfahrende Verkehr ist also wartepflichtig. Zum Anscheinsbeweis für eine Wartepflichtverletzung s. Punkt 10.

     

    • 2. Falsche oder fehlende Beschilderung: Beim Zeichen 215 (Kreisverkehr) allein ohne Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) (nicht zulässig laut VwV-StVO) oder bei Fehlen beider Schilder an der Einfahrt ist der Verkehr auf der Kreisfahrbahn - entgegen verbreiteter Ansicht - gegenüber dem einfahrenden Verkehr wartepflichtig (rechts vor links, § 8 Abs. 1 S. 1 StVO). Zur Situation nur Zeichen 205 „Vorfahrt gewähren“ siehe AG München 11.7.12, 343 C 8194/12, SP 13, 71.
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    • Kreisverkehr ist also nicht gleich Kreisverkehr. Es gibt echte (die mit Doppelbeschilderung) und unechte. Letztere sind rechtlich Kreuzungen (Beispiel: Oststadtkreisel in Karlsruhe). Ohne Beschilderung gilt hier rechts vor links.
    • 3. Blinken: Bei der Einfahrt in einen Kreisverkehr mit der vorgeschriebenen Beschilderung Zeichen 215 und 205 ist es unzulässig, den Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen (§ 8 Abs. 1a S. 2 StVO). Beim Verlassen des Kreisverkehrs ist Blinken Pflicht, egal auf welchem Fahrstreifen man fährt (§ 9 Abs. 1 S. 1 StVO, dazu KG NZV 09, 498).

     

    • 4. Rechtsfahrgebot: Es gilt auch im einspurigen Kreisverkehr. Deshalb ist es regelmäßig unzulässig, die Kreisbahn zu „schneiden“, indem die Fahrbahn bis zum äußersten linken Rand ausgenutzt wird (OLG Hamm VA 04, 41). Zum Schutzzweck des Rechtsfahrgebots OLG Köln 12.3.15, 19 U 153/14.

     

    • 5. Halten: Das Verbot des Überfahrens der Mittelinsel und des Haltens innerhalb des Kreisverkehrs ergeben sich aus Zeichen 215 (Kreisverkehr). Zum Schutzzweck OLG Köln 12.3.15, 19 U 153/14.

     

    • 6. Spurwechsel: Wer in einem zweistreifigen Kreisverkehr innen fährt, muss den Vorrang des Außenfahrenden beachten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kreisfahrbahn zweistreifig markiert ist oder nicht. Bei einem Wechsel des Fahrstreifens muss nach § 7 Abs. 5 StVO ausgeschlossen werden, dass andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Es muss rechtzeitig und deutlich geblinkt werden.
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    • Ein Fahrstreifenwechsel liegt auch in folgender Situation vor: Der Pkw befährt den äußersten rechten Fahrstreifen, der aus dem Kreisverkehr herausführt, folgt ihm aber nicht, sondern fährt über die Ausfahrt hinaus innerhalb des Kreisverkehrs weiter auf einem Fahrstreifen, der zunächst der zweite von rechts war (KG 26.7.10, 12 U 188/09 - „Großer Stern“ in Berlin).
    • 7. Pfeilmarkierungen/Zeichen 297: Bei zwischen Leitlinien befindlichen Pfeilen auf der Fahrbahn handelt es sich nicht um bloße Fahrempfehlungen. Dies sind verbindliche Fahrtrichtungsgebote (BGH VA 14, 58 = NJW 14, 1181 für den Falkenseer Platz in Berlin-Spandau, kein echter Kreisverkehr, sondern ein großräumiger Straßenring). Wer statt dem Pfeil zu folgen im Kreisverkehr bzw. Straßenring bleibt, verstößt gegen ein Fahrtrichtungsgebot (BGH a.a.O.). Das verkehrswidrige Weiterfahren ist zugleich ein Fahrspurwechsel i. S. d. § 7 Abs. 5 StVO.

     

    • 8. Verlassen des Kreisverkehrs: Beim Ausfahren durch Rechtsabbiegen gelten die Pflichten gem. § 9 Abs. 1 StVO. Dazu und auch zur Rechtzeitigkeit des Blinkens s. KG 30.8.07, 12 U 141/07. Eine gesteigerte Sorgfaltspflicht trifft den Kraftfahrer, wenn er zum Zwecke des Ausfahrens den Fahrstreifen wechselt (§ 7 Abs. 5 StVO). Siehe Punkt 6. Rückschau nach rechts ist unbedingt geboten, andererseits Vertrauen in das verkehrsgerechte Verhalten des Spurnachbarn schutzwürdig (OLG Celle VerkMitt. 66, Nr. 83).

     

    • 9. § 1 Abs. 2 StVO: Generell gilt: Wer im Kreisverkehr fährt, muss besonders vorsichtig fahren (KG 30.8.07, 12 U 141/07). Auch wer objektiv Vorfahrt hat, weil er als erster im Kreisverkehr war, muss bei Erkennen einer möglichen Vorfahrtverletzung ggfs. auf sein Vorrecht verzichten und abbremsen (LG Saarbrücken NJW 15, 177). Zu den jeweiligen Sorgfaltsanforderungen, wenn zwei Fahrzeuge nahezu zeitgleich in einen engen Kreisverkehr einfahren OLG Hamm NZV 00, 413.
    • 10. Anscheinsbeweisgrundsätze: Hier herrscht Unsicherheit, weshalb das LG Saarbrücken NJW 15, 177 die Revision zugelassen hat. Eine BGH-Entscheidung liegt jedoch nicht vor. Es sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:
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      • a) Vorfahrtregelung nach § 8 Abs. 1a StVO und Kollision zwischen einem einfahrenden Pkw und einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Pkw, Kollisionsort im Einmündungsbereich.
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    • Bei dieser Konstellation spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Wartepflichtverletzung des Einfahrenden (LG Saarbrücken a.a.O.; OLG Köln 12.3.15, 19 U 153/14; AG Perleberg SVR 16, 227; AG Hamburg-Barmbek 11.4.14, 815 C 248/12). Das Vorfahrtrecht des Gegners muss feststehen, d. h. er muss unstrittig oder erwiesenermaßen zuerst im Kreisel gewesen sein. Außerdem muss der Kollisionsort innerhalb des Einmündungsbereichs (= Einfahrtsbereich) liegen.
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      • b) Wie a), aber es ist offen, welcher Unfallbeteiligte zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist.
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    • Hier spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtverstoß desjenigen, in dessen Einmündungsbereich sich der Unfall ereignet hat (LG Saarbrücken a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; anders LG Detmold DAR 05, 222). An der erforderlichen Typizität kann es jedoch fehlen, wenn die Unfallbeteiligten aus eng beieinander liegenden Einmündungen in den Kreisverkehr einfahren (LG Saarbrücken a.a.O., OLG Köln a.a.O.). Allein der Umstand, dass zwei Straßen in unmittelbarer Nähe zueinander in den Kreisverkehr einmünden, begründet für sich allein noch nicht die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs (LG Saarbrücken a.a.O.).
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      • c) Die Vorfahrtregelung nach § 8 Abs. 1a StVO ist nicht anwendbar, es gelten die allg. Vorfahrtregeln (Beschilderung oder rechts vor links).
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    • Zum Anscheinsbeweis für eine Vorfahrtverletzung bei einer solchen Konstellation - Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) und Zeichen 301 (Vorfahrt) - siehe LG Saarbrücken 10.6.11, 13 S 40/11, juris.
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      • d) Fahrstreifenwechsel
    • Kommt es in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel in einem Kreisverkehr zu einem Unfall mit einem Fahrzeug auf dem zweiten Fahrstreifen von rechts, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Fahrstreifenwechsler die besonderen Sorgfaltspflichten aus § 7 Abs. 5 StVO nicht beachtet hat (KG 26.7.10, 12 U 188/09 - „Großer Stern“ in Berlin).
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      • e) Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot und Befahren der Mittelinsel
    • Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass diese Verstöße mitursächlich für den in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang erfolgten Unfall sind (LG Saarbrücken NZV 13, 38).
     
    • Quotentabelle

    Quote

    Sachverhalt

    Entscheidung

    100 : 0 pro A

    Zwei Pkw, Vorfahrtverletzung durch Pkw B zumindest nach Anscheinsbeweisregeln und weitere Verstöße; bei A nur Betriebsgefahr.

    OLG Köln

     12.3.15, 19 U 153/14,

    100 : 0 pro A

    Pkw B fährt in engem Kreisverkehr auf Gespann A auf; jede Seite: ich war zuerst drin. Fakt: nahezu gleichzeitig an verschiedenen Einmündungen eingefahren; Vorfahrtverletzung nicht feststellbar.

    OLG Hamm

    10.11.99, 13 U 58/99,

    NZV 00, 413

    100 : 0 pro A

    Zwei Pkw, Kollisionsort im Bereich der Einfahrt Pkw B, Anscheinsbeweis für Verletzung der Vorfahrt von Pkw A, der vorher im Kreisverkehr war.

    AG Hamburg-Barmbek 11.4.14, 815 C 248/12

    100 : 0 pro A

    Zwei Pkw, Pkw A befand sich im Kreisverkehr und wollte ihn verlassen; Pkw B wollte in den Kreisverkehr einfahren; dabei Kollision Vorderwagen B/Beifahrertür A; Anscheinsbeweis für Vorfahrtverletzung durch B nicht erschüttert durch die unbewiesene Behauptung eines irritierenden Blinkens.

    AG Perleberg

    14.4.16, 11 C 382/15,

    SVR 16, 227

    100 : 0 pro A

    Falkenseer Platz in Berlin mit zwischen den Leitlinien befindlichen Pfeilen, mehrspuriger Straßenring; Pkw B kollidiert mit Gespann A unmittelbar vor einer Ausfahrt; B ist nicht der Pfeilrichtung gefolgt und abgebogen, sondern im Ring geblieben.

    BGH

     VA 14, 58

    70 : 30 pro A

    Pkw A und Pkw B mit Fz. C im Schlepp/Warnblinkanlage eingeschaltet; Pkw A war im Kreisverkehr, wo eingefahren unklar; Pkw B wollte einfahren. Vorfahrtverletzung nach Anscheinsregeln; Mithaftung Pkw A wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO.

    LG Saarbrücken

     NJW 15, 177

    2/3 : 1/3 pro A

    Zwei Pkw kollidieren innerhalb des Kreisverkehrs; jede Seite behauptet, zuerst drin gewesen zu sein; in dieser Frage non liquet, weshalb Vorfahrtverletzung nicht feststellbar; zulasten von Pkw B: Überfahren der Mittelinsel und Verstoß gegen Rechtsfahrgebot; bei A nur Betriebsgefahr.

    LG Saarbrücken

    NZV 13, 38

    2/3 : 1/3 pro A

    Karolinenplatz in München mit „unglücklicher Verkehrsführung“ (AG), weil keine Kombination von Zeichen 215/205 (nur 205 !) und wegen „unglücklich“ angelegter Fahrbahnmarkierungen; genauer Kollisionsort nicht rekonstruierbar; Vorfahrtverletzung durch B, aber kein Vertrauen auf Vorfahrt bei A wegen fehlender Doppelbeschilderung.

    AG München

    11.7.12, 343 C 8194/12,

    SP 13, 71

    0 : 100 gegen Radfahrer

    Radfahrerin kollidiert mit Pkw an der Einmündung in einen Kreisverkehr, kein Verschulden des Pkw-Fahrers trotz Zeichens 205, erhebliches Eigenverschulden der Radfahrerin.

    OLG Hamm

     17.7.12, 9 U 200/11