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  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Beweismaßabsenkung nach § 287 ZPO für HWS-Verletzung

    • 1. Die Anwendung des § 287 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer feststehenden Verletzung beschränkt, sondern umfasst auch weitere Körperschäden aus derselben Schädigungsursache.
    • 2. Das Gebot persönlicher Gutachtenerstattung (§ 407a Abs. 2 ZPO) wird nicht verletzt, wenn der vom Gericht bestellte medizinische Sachverständige einen Mitarbeiter (hier: Oberarzt) mit bestimmten Vorarbeiten und Untersuchungen betraut, er selbst aber exploriert/untersucht und anschließend den Inhalt des Gutachtens verantwortlich bestimmt.

    (OLG Köln 19.2.14, 16 U 99/10, Abruf-Nr. 141504)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Ein gesetzlicher Krankenversicherer macht aus übergegangenem Recht Schadenersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend. Neben unstrittigen Verletzungen war umstritten, ob die Versicherte zusätzlich eine unfallbedingte HWS-Verletzung und eine reaktive Depression erlitten hatte. Die Bekl. behaupteten Unfallfremdheit und verwiesen auf eine als solche unstreitige LWS-Vorschädigung. Das LG hat der Klage auf Ersatz von Aufwendungen nach Einholung eines medizinischen Gutachtens im Wesentlichen stattgegeben. Mit ihrer Berufung bekämpfen die Bekl. die Beweiswürdigung des LG und wenden sich insbesondere gegen die Verwertung des Gutachtens. Das OLG hat die Berufung nach ergänzender Beweisaufnahme zurückgewiesen.

     

    In der Gesamtschau bestehe eine hinreichende, überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO), dass die HWS-Beschwerden und deren Chronifizierung zumindest mitursächlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Da die Primärverletzung feststehe, komme nicht der Strengbeweis nach § 286 ZPO, sondern die Beweiserleichterung nach § 287 ZPO zur Anwendung. Zur Begründung siehe oben Leitsatz Nr. 1. Ausführlich setzt sich das OLG sodann mit dem Einwand der Unverwertbarkeit des schriftlichen Gutachtens auseinander. Die praktizierte Vorgehensweise hält es für sinnvoll und mit § 407a Abs. 2 ZPO vereinbar.

     

    Praxishinweis

    In der Beweismaßfrage betritt das OLG zwar kein Neuland (Anschluss an BGH VersR 09, 69), gleichwohl verdient die Entscheidung Beachtung. Wie im HWS-Update VA 11, 203 anhand zahlreicher Beispiele dargestellt, geht es in dieser zentralen Frage vor Gericht drunter und drüber. Die hier vorgestellte Entscheidung, der zuzustimmen ist, liefert weitere Argumentationshilfe. Sie kann in den Argumentationsvorschlag VA 11, 204 Pkt. 4 integriert werden. Um es nochmals deutlich zu sagen: Als Primärverletzung (erster Verletzungserfolg) genügt irgendeine unfallbedingte Verletzung des Körpers oder der Gesundheit, und sei es eine Verstauchung des kleinen Zehs. Weitere Verletzungen, auch ein sog. HWS-Schleudertrauma, hat der Richter nach § 287 ZPO zu beurteilen.

     

    Was das OLG zu § 407a Abs. 2 ZPO ausführt, ist gleichfalls praxisrelevant. Zumal bei medizinischen Gutachten ist das Tandem Prof./Oberarzt üblich. Art und Umfang der Arbeitsteilung ergeben sich oft erst bei der mündlichen Anhörung.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 91 | ID 42686545