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  • · Nachricht · Haftungsrecht

    Haftungsquote bei Zusammenstoß von fahrendem Pkw und geöffneter Autotür

    | Einer der Klassiker im Unfallrecht: Ein Autofahrer will aussteigen und öffnet die Autotür. In dem Moment fährt ein anderes Fahrzeug vorbei und stößt mit der sich öffnenden Tür zusammen. Das AG Frankenthal musste in einem solchen Fall über die Haftungsquoten entscheiden. |

     

    In dem Fall hatte der Kläger am Fahrbahnrand gehalten und wollte aussteigen. Als er die Fahrzeugtür öffnete, kam es zur Kollision mit einem in dem Moment vorbeifahrenden Pkw. Am Pkw des Klägers entstand erheblicher Sachschaden. Die Parteien stritten darüber, wie weit der Kläger die Tür geöffet hatte und ob der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte.

     

    Das Amtsgericht Frankenthal hat dem Kläger 1/3 des Gesamtschadens zugesprochen (26.6.20, 3c C 61/19). Denn er hat den Schaden durch Unachtsamkeit beim Ausstieg aus dem Fahrzeug überwiegend selbst verschuldet.

     

    • Nach § 14 Abs. 1 StVO muss sich jeder Verkehrsteilnehmer beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Ein- bzw. Aussteigende muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs in beiden Richtungen mit höchster Vorsicht beachten. Er muss den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Er darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts oder von vorn Kommenden gefährdet. Diesen Anforderungen wurde das Verhalten des Klägers nicht gerecht.

     

    • Der Beklagte hat den Unfall jedoch mitverursacht. Er ist ohne ausreichenden Seitenabstand an dem parkenden Fahrzeug vorbeigefahren. Nach § 5 Abs. 4 S. 2 StVO darf nur überholt werden, wenn ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten und der Überholte nicht behindert, gefährdet oder gar geschädigt werden kann. Gleiches gilt für das Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen. Hiergegen hat der Beklagte verstoßen. Er hat den klägerischen Pkw mit einem deutlich zu geringen Seitenabstand von lediglich 30‒35 Zentimetern passiert.

     

    Damit haben beide Fahrer, von deren Fahrzeugen eine vergleichbare Betriebsgefahr ausgeht, den Unfall schuldhaft herbeigeführt. Der Verstoß des Klägers wiegt jedoch schwerer. Er hat entgegen der besonderen Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO die Gefahrensituation erst heraufbeschworen. Hätte er sich regelkonform verhalten, hätte es gar nicht zum Unfall kommen können. Demgegenüber hat der Beklagte lediglich das Fehlverhalten des Klägers nicht in angemessener Weise beachtet und einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Nach Ansicht des Gerichts ist es daher gerechtfertigt, im Ergebnis die Haftung im Verhältnis 1/3 : 2/3 zulasten des Klägers zu verteilen.

     

    PRAXISTIPP | Der sachbearbeitende Rechtsanwalt muss in entsprechenden Fällen die folgenden Grundsätze berücksichtigen:

     

    • Wer aus einem Fahrzeug aussteigt, muss dabei insbesondere das Vorrecht des fließenden Verkehrs mit höchster Vorsicht beachten. Er muss den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Er darf die Wagentür nur öffnen, wenn er sicher sein kann, dass er keinen von rückwärts Kommenden gefährdet.

     

    • Einen Vertrauensschutz zugunsten des Aussteigenden auf Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes des Vorbeifahrenden gibt es dabei nicht.

     

    • Anhaltende oder parkende Fahrzeuge dürfen nur passiert werden, wenn dem Vorbeifahrenden die Einhaltung eines ausreichenden Seitenabstandes möglich ist.

     

    • Welcher Seitenabstand als ausreichend angesehen werden kann, lässt sich nicht allgemein festlegen, sondern kann nach den Gegebenheiten an der Unfallstelle und den konkreten Umständen variieren.

     

    • Ein Abstand von lediglich 30-35 cm ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände (Engstelle, entgegenkommender Verkehr o.ä.) aber jedenfalls zu gering und führt zu einem Mitverschulden des passierenden Verkehrsteilnehmers.
     

     

    Quelle: ID 46825741