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  • · Fachbeitrag · Zustellungsvollmacht

    Verjährungsunterbrechung durch Zustellung

    • 1.Ergibt sich aus den Akten, dass dem Verteidiger durch Rechtsgeschäft eine Vollmacht zur Vertretung des Betroffenen erteilt worden ist, kann an ihn wirksam zugestellt werden, selbst wenn sich eine auf ihn lautende schriftliche Verteidigervollmacht nicht bei den Akten befindet.
    • 2.Hat der Verteidiger eine auf einen anderen Rechtsanwalt lautende Vollmacht zu den Akten gereicht, ohne dass dieser im weiteren Verfahren in Erscheinung tritt, kann nicht eingewandt werden, dass die Zustellung (hier: des Bußgeldbescheids) an diesen anderen Rechtsanwalt hätte bewirkt werden müssen.

    (OLG Braunschweig 13.5.13, 1 Ss (OWi) 83/13, Abruf-Nr. 132381)

     

    Sachverhalt

    Mit Schreiben vom 23.7.12 hatte sich Rechtsanwältin F. bei der Verwaltungsbehörde erstmals als Verteidigerin des Betroffenen gemeldet und um Übersendung der Akten an sie gebeten. Dem Schreiben hatte sie eine Vollmachtsurkunde beigefügt, die auf Rechtsanwältin H. ausgestellt war. Diese Rechtsanwältin wird auf dem Briefkopf des genannten Schreibens, der ansonsten den Namen „F.“ als Namen der Kanzlei angibt und hervorhebt, als „angestellte Rechtsanwältin“ bezeichnet. Nachdem F. die Akten eingesehen und wieder zurückgesandt hatte, erließ die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid, der F. als „genannten Verteidigerin“ zugestellt wurde. Die Verteidigerin hat Eintritt der Verjährung reklamiert. Das AG hat nicht eingestellt und das damit begründet, dass das Verhalten der Verteidigerin als sog. Verjährungsfalle rechtsmissbräuchlich sei. Zum Beleg hat das AG auf einen weiteren Vorgang hingewiesen, in dem die Verteidigerin ebenfalls allein in Erscheinung getreten sei, wiederum zunächst eine auf einen anderen Verteidiger ausgestellte Vollmacht zu den 
Akten gereicht und sich wegen angeblich unwirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids dann später auf Verjährung berufen habe.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG ist ebenfalls nicht von Verjährung ausgegangen, hat aber den Vorwurf des Aufbaus einer Verjährungsfalle offengelassen. Es hat mit der rechtsgeschäftlichen Vollmacht argumentiert. Ob der vorliegende Fall, wie das AG meint, ebenfalls als bewusst herbeigeführte Verjährungsfalle und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten der Verteidigerin (vgl. dazu auch BGHSt 51, 88) zu bewerten ist, und Folge ist, dass es auf eine zur Akte gelangten Verteidigervollmacht nicht mehr ankommt, kann dahinstehen. Der Verteidigerin wurde nämlich eine Zustellungsvollmacht rechtsgeschäftlich erteilt. Die Regelung der § 145a StPO, § 51 Abs. 3 OWiG schließt eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht keineswegs aus. Sie schafft vielmehr nur daneben eine zusätzliche - fingierte - Rechtsmacht zur Entgegennahme von Zustellungen durch einen Strafverteidiger. Auch einem Verteidiger kann - zusätzlich - durch Rechtsgeschäft eine Zustellungsvollmacht erteilt werden. Das liegt angesichts dessen, dass eine Zustellung auch an sonstige rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Dritte erfolgen könnte, sogar nahe. Diese bedarf dann keiner besonderen Form (§ 167 BGB). Sie kann z.B. auch mündlich erteilt werden.

     

    Eine solche Vollmacht ist der Verteidigerin vorliegend - wie sie in der Hauptverhandlung vor dem AG selbst mitgeteilt hat - erteilt worden. Danach hat der Betroffene „per Telefax und Telefon“ sie (also gerade nicht Rechtsanwältin H.) als Verteidigerin beauftragt. Durch ein „Versehen der Mitarbeiter“ sei dem Betroffenen anschließend aber der Vordruck einer auf H. lautenden Vollmacht übersandt worden. Das weitere Erfordernis, dass aus Gründen der Rechtssicherheit auch das Vorliegen einer rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht in den Akten dokumentiert sein muss, ist ebenfalls erfüllt, weil sich die oben wiedergegebenen Ausführungen der Verteidigerin aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vor dem AG ergeben. Zwar wurde kein Wortprotokoll geführt, sondern nur festgehalten, dass die Verteidigerin (im Zusammenhang mit den Erörterungen zur Verjährungsfrage und den dazu verlesenen Urkunden) eine Erklärung abgegeben hat, jedoch wird der Inhalt dieser Erklärung dann im schriftlichen Urteil des AG im Einzelnen mitgeteilt.

     

    Praxishinweis

    Das OLG hat die nicht einfache Frage „Verjährungsfalle, ja oder nein?“ umschifft und ist auf die rechtsgeschäftliche Vollmacht als Zustellungsvollmacht ausgewichen (vgl. dazu auch BayObLG NZV 04, 315). Damit war der Bußgeldbescheid wirksam zugestellt und somit die Verjährung gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG wirksam unterbrochen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Verjährungsfalle u.a. OLG Brandenburg VRS 117, 305; OLG Düsseldorf StraFo 08, 332; s.a. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 3253.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 197 | ID 42235677