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  • · Fachbeitrag · Vollrausch

    Zur Feststellung eines Vollrauschs i.S.d. § 323a StGB

    • 1. Ein Rausch i. S. d. § 323a StGB verlangt den sicheren Nachweis, dass sich der Täter in einen Zustand versetzt hat, der ihn so beeinträchtigt, dass mindestens der Bereich verminderter Schuldfähigkeit erreicht ist.
    • 2. Es gibt keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz, der dazu berechtigt, allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration auf eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu schließen. Liegt der Wert der BAK über 2 g Promille besteht zwar Anlass, die Frage der verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern und entsprechende Feststellungen zu treffen, jedoch bedeutet dies für sich allein noch nicht, dass eine verminderte Schuldfähigkeit tatsächlich sicher anzunehmen wäre.
    • 3. Die sog. Maximalrechnungsmethode (maximaler Abbauwert von 0,2 g Promille je Stunde sowie einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 g Promille) führt zu besonders hohen BAK und darf deshalb nicht zur Anwendung kommen, wenn sich die Höhe der BAK - wie hier bei der Feststellung des Tatbestands - zum Nachteil des Täters auswirkt.
    • 4. Ist das Verhältnis von Vollrausch und Rauschtat ein Stufenverhältnis, das die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ rechtfertigt, dürfen einem Angeklagten keine Nachteile aus seiner Anwendung erwachsen.

    (OLG Braunschweig 4.7.14, 1 Ss 36/14, Abruf-Nr. 142587)

     

    Praxishinweis

    Diese in den Leitsätzen festgehaltenen, an sich eindeutigen Vorgaben der ständigen Rechtsprechung hatte das LG nicht beachtet, sodass das OLG schon aus dem Grund die Verurteilung aufgehoben hat. Es hat zudem aber auch noch Beanstandungen gegenüber der Strafzumessung des LG erhoben, und zwar:

     

    • Die Strafkammer war zwar gem. § 323a Abs. 2 StGB vom Strafrahmen des § 315c Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren) ausgegangen. Sie hatte aber nicht die gebotenen Feststellungen zu einer etwaigen Strafmilderung nach § 49 Abs. 1, § 21 StGB getroffen. Solche Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, weil die Kammer Schuldunfähigkeit nicht ausschließen konnte und lediglich von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen ist.

     

    • Sodann hatte das LG die Höhe der BAK von 2,15 Promille, die aus Sicht der Kammer ein besonderes Maß an Pflichtwidrigkeit offenbarte, strafschärfend berücksichtigt. Damit hatte das LG aber in unzulässiger Weise den Grund der Strafbarkeit, nämlich den Rausch, strafschärfend gewertet.

     

    • Ein weiterer Fehler ist der Kammer unterlaufen, weil sie den hohen Schaden des Pkw (ca. 9.000 EUR) zulasten des Angeklagten gewertet hat. Das war zwar grundsätzlich zulässig, der Schaden hätte jedoch nicht - wie geschehen - auf der Grundlage einer bloßen „Einschätzung“ eines Zeugen ermittelt werden dürfen, wenn nicht erkennbar ist, weshalb der Zeuge - ein Polizeibeamter - über die dazu erforderliche Sachkunde verfügt.
    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 191 | ID 42913116