Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Unfallschadensregulierung

    Stundenverrechnungssätze: Massive Kritik am BGH

    • 1. Der BGH-Rechtsprechung, wonach der Schädiger den Geschädigten unter bestimmten Voraussetzungen auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen kann, ist nicht zu folgen. Sie basiert auf falschen tatsächlichen Annahmen und ignoriert hergebrachte bewährte Rechtsinstitute.
    • 2. Eine Reparatur in einer „freien“ Werkstatt bietet selbst bei technischer Gleichwertigkeit keinen gleichwertigen Ersatz gegenüber der Reparatur in einer Markenwerkstatt.
    • 3. Die vom BGH gezogene Grenze von drei Jahren ist willkürlich.
    • (AG Berlin-Mitte 28.8.12, 111 C 3172/10, Abruf-Nr. 122752)

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Im Schadensgutachten, das der Kl. nach einem Unfall mit seinem mehr als drei Jahre alten Pkw eingeholt hatte, waren die Reparaturkosten auf 6.411 EUR veranschlagt. Der bekl. VR zahlte nur 4.783 EUR, weil er die Stundenverrechnungssätze kürzte. Er verwies den Kl. auf mehrere Werkstiätten, darunter eine BMW-Fachwerkstatt mit angeblichen Netto-Stundensätzen für Karosserie und Mechanik von 78,50 EUR. Wie eine schriftliche Zeugenauskunft des Geschäftsführers ergab, werden in Wirklichkeit 139,64 EUR berechnet. Ob die außerdem benannten freien Werkstätten zu den angegebenen niedrigen Sätzen arbeiten, hat das Gericht nicht aufgeklärt. Das sei aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht erforderlich, heißt es in dem Urteil, das dem Kl. den eingeklagten Differenzbetrag voll zuspricht. Die Kernaussagen sind in den oben mitgeteilten (redaktionellen) Leitsätzen zusammengefasst. Hervorzuheben sind ferner die (Hilfs-)Erwägungen zur technischen Gleichwertigkeit, wobei sich das Gericht kritisch mit den Euro-Garant-Betrieben und den Identica-Werkstätten auseinandersetzt. Im günstigsten Fall handele es sich bei den Angaben der Versicherer zur Gleichwertigkeit um Behauptungen ins Blaue hinein.

     

    Praxishinweis

    Fünf BGH-Urteile, mit dem Porsche-Urteil sechs, haben nicht dafür gesorgt, dass an der heiß umkämpften Front „Stundenverrechnungssätze“ Ruhe eingekehrt ist. Etliche Probleme sind höchstrichterlich noch ungeklärt, die Urteile der Instanzgerichte weiterhin beklagenswert uneinheitlich. Die Fundamentalopposition wie jetzt aus Berlin mag zwar, aufs Ganze gesehen, quantitativ zu vernachlässigen sein. Die Qualität der Argumente freilich ist zumindest teilweise durchaus beachtlich. Das gilt für die hier vorgestellte Berliner Entscheidung, aber auch für die Anti-BGH-Urteile des AG Kerpen 13.12.11, 104 C 294/11, Abruf- Nr. 122822, und des AG Siegen 16.3.12, 14 C 1073/11, Abruf-Nr. 121641, um nur einige zu nennen. Bei der Abwehr von Verweisungen können diese Entscheidungen hilfreich sein.