· Fachbeitrag · Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB): Unfall, Unfallort und Tathandlung
von RiOLG a. D. Detlef Burhoff, Leer/Augsburg
| Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) spielt in der Praxis eine große Rolle. Die Kenntnis von der aktuellen Rechtsprechung ist daher für den im Verkehrsstrafrecht tätigen Rechtsanwalt/Verteidiger von großer Bedeutung. Wir stellen daher die in den Jahren 2019 ‒ 2025 ergangene Rechtsprechung in einem Überblick vor. Nicht enthalten sind hier die Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis und zivilrechtliche Entscheidungen. Über die werden wir in einem zweiten Teil berichten. Die Zusammenstellung hat den Stand von Anfang Mai 2025. |
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Entscheidung | Leitsatz/Sachverhalt |
BGH 19.8.21, 4 StR 137/21, VRS 140, 323 | Es liegt kein Unfall im Straßenverkehr vor, wenn nach den Feststellungen der angeklagte Fahrzeugführer zwar mit der Stoßstange seines Kraftfahrzeugs gegen das Knie des Opfers fuhr, dieses jedoch weder Verletzungen noch Schmerzen erlitt. |
BGH VRS 147, 148 | Die für die Annahme eines „Unfalls im Straßenverkehr“ erforderliche Verknüpfung des Schadensereignisses mit einem Verkehrsgeschehen ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn sich das Verhalten schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Auswirkung einer deliktischen Planung zeigt, wie sie an beliebigen anderen Orten mit beliebigen anderen Mitteln auch durchführbar wäre. In dem Fall hatte der Angeklagte den Liebhaber seiner Mutter auf dem Gehweg erkannt, sein Auto zurückgesetzt und ihn dann überfahren. |
KG 12.2.21, (3) 121 Ss 1/21 (5/21), NStZ 22, 118 | Das vom Angeklagten alkoholbedingt herbeigeführte Unfallgeschehen ist kein Unfall im Rechtssinne, wenn es am wirtschaftlichen Schaden fehlt. |
OLG Naumburg DAR 24, 513 | Nicht jeder Unfall ist schon deshalb ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des § 142 StGB, weil er sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignet. Vielmehr setzt die Annahme eines „Verkehrsunfalls“ nach dem Schutzzweck der Norm des § 142 StGB einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhang voraus. In dem „Verkehrsunfall” müssen sich gerade die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben.
Der erforderliche straßenverkehrsspezifische Zusammenhang ist auch dann gegeben, wenn sich die Gefahr verwirklicht hat, die dadurch entsteht, dass sich ein Fußgänger auf einem Supermarktparkplatz im räumlichen Bereich der dort abgestellten Kraftfahrzeuge bewegt, etwa, um zu seinem Fahrzeug zu gelangen. |
AG Calw 7.3.24, 8 Cs 33 Js 364/24, NJW 24, 1283 | Bei einem Schaden durch „panisches“ ‒ hier: infolge einer schweren Spinnenphobie getätigtes ‒ Öffnen der Türe eines in einem Parkhaus stehenden, ausgeschalteten Kraftfahrzeugs liegt ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinn von § 142 StGB fern. In dem Ereignis hat sich keine straßenverkehrsspezifische Gefahr verwirklicht. |
AG Dortmund 1.9.20, 723 Cs - 268 Js 1007/20 - 276/20, NZV 21, 334 | Ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des § 142 StGB liegt mangels straßenverkehrsspezifischen Gefahrenzusammenhangs in sog. „Einkaufswagen“-Fällen nicht vor. |
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Entscheidung | Leitsatz/Sachverhalt |
OLG Zweibrücken 11.11.19, 1 OLG 2 Ss 77/19, DAR 20, 153 | Der Umstand, dass eine im privaten Eigentum stehende und als Privatparkplatz gekennzeichnete Verkehrsfläche aufgrund eines Defekts an der Schrankenanlage „faktisch für die Öffentlichkeit zugänglich“ ist und dies vom Verfügungsberechtigten geduldet wird, genügt zur Begründung der für eine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) erforderlichen Öffentlichkeit der Verkehrsfläche insbesondere dann nicht, wenn die einzelnen Stellplätze vermietet sind. |
OLG Naumburg DAR 24, 513 | Ein allgemein zugänglicher privater Parkplatz eines Supermarkts gehört zum räumlichen Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs. |
LG Aachen 5.10.20, 60 Qs 43/20 | Dem Schutzzweck der Norm entsprechend gehört zum Unfallort auch der räumliche Nahbereich der Unfallstelle, bei der noch ein räumlicher Bezug zum eigentlichen Unfallort dergestalt vorhanden ist, dass ein anderer Unfallbeteiligter den Täter nach Lage des Falls unschwer als wartepflichtigen Unfallbeteiligten erkennen oder als solchen jedenfalls noch vermuten kann; auch dabei ist auf die Erkennungsmöglichkeiten eines an der eigentlichen Unfallstelle zurückgebliebenen (anderen) Unfallbeteiligten abzustellen. Es genügt dabei bereits eine geringere Absetzbewegung, sofern sie nur zu einer gewissen räumlichen Trennung vom Unfallort geführt hat.
Äußert ein Unfallbeteiligter gegenüber dem Unfallgegner, dieser habe Schuld an dem Unfall und entfernt er sich sodann vom Unfallort, ehe er im Bereich einer etwa 40 Meter vom Kollisionsort entfernten Einfahrt wendet und zum Kollisionsort zurückkehrt, liegt ein vollendetes Sichentfernen vom Unfallort vor. |
LG Flensburg 3.3.23, II Qs 9/23 | Der Autozug „Sylt Shuttle“ ist öffentlicher Verkehrsraum (für § 316 StGB). |
LG Lübeck 3.9.21, 4 Qs 164/21, zfs 22, 589 | Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals von dem Unfall erfuhr, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Anschluss an BGH 15.11.10, 4 StR 413/10, NStZ 11, 209). |
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