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  • · Nachricht · Prozessrecht

    Divergenzvorlage zur Vertretungsvollmacht

    | Ist der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen, kann die Verwerfung seiner Berufung (§ 329 Abs. 1 StPO) ggf. noch dadurch verhindert werden, dass er von seinem anwesenden Verteidiger vertreten wird (§ 329 Abs. 2 StPO). Voraussetzung ist, dass dieser über eine (ausreichende) Vertretungsvollmacht verfügt. Um die Anforderungen an eine solche Vollmacht wird in der Rechtsprechung der OLG gestritten. |

     

    1. OLG Hamm: Abwesenheitsvertretung muss ausdrücklich genannt sein

    In der Frage hatte sich vor einiger Zeit das OLG Hamm geäußert (24.11.16, 5 RVs 82/16). Gegenstand seiner Entscheidung war eine Vertretungsvollmacht mit folgendem Formulartext: „Die Vollmacht erstreckt sich auf meine Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen sowie im Vorverfahren ‒ ebenfalls für den Fall meiner Abwesenheit in einer Verhandlung ‒ ...“ Das OLG Hamm hatte diese Vertretungsvollmacht für unzureichend erachtet. Die Vertretungsvollmacht müsse ausdrücklich auch die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung erfassen. Nur dann könne von einer zulässigen Vertretung im Sinne des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ausgegangen werden. Aus diesem Grund wurde die dortige Revision verworfen.

     

    2. OLG Düsseldorf: Besonderer Hinweis ist nicht erforderlich

    Das will das OLG Düsseldorf nun in einem Verfahren mit inhaltsgleicher Vertretungsvollmacht anders sehen (8.9.21, III-2 RVs 60/21, Abruf-Nr. 225352). Eine ohne Einschränkung für alle Instanzen erteilte Vertretungsvollmacht decke die Vertretung des abwesenden Angeklagten ohne Weiteres in allen strafprozessual zulässigen Vertretungsfällen ab. Der Gesetzgeber habe die Vertretungsvollmacht in den vorgenannten Vorschriften gleichbehandelt. Im Falle der Berufungshauptverhandlung müsse dies nicht ausdrücklich hervorgehoben werden (vgl. OLG Oldenburg StV 18, 148).

     

    Da das OLG Düsseldorf von der Rechtsprechung des OLG Hamm abweichen will, musste es diese Frage zuvor gemäß § 121 GVG als Divergenzvorlage dem BGH zur Entscheidung vorlegen.

     

    PRAXISTIPP | Bis zur Entscheidung des BGH sollten Verteidiger in anhängigen Revisionsverfahren gegen Verwerfungsurteile, in denen diese Frage eine Rolle spielt, die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BGH beantragen. Im Übrigen empfiehlt es sich, die Vertretungsvollmacht immer so abzufassen, dass keine Zweifel über ihren Umfang entstehen können. Das heißt, dass alle in Strafsachen vorgesehenen Verwerfungskonstellationen, also im Berufungsverfahren (§ 329 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 StPO), im Strafbefehlsverfahren (§ 411 Abs. 2 StPO), nach Maßgabe des § 234 StPO, im Privatklageverfahren (§ 387 Abs. 1 StPO), im Einziehungsverfahren (§ 428 Abs. 1 S. 1 StPO) und im Revisionsverfahren (§ 350 Abs. 2 S. 1 StPO) in die Vollmacht aufgenommen werden sollten. Zudem sollte auch ausdrücklich aufgeführt werden, dass die Vertretungsvollmacht auch für das Bußgeldverfahren gilt (zur Vertretungsvollmacht Burhoff in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn. 4073).

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 16 | ID 47742557