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  • · Fachbeitrag · Parkverstoß

    Keine „Halterhaftung“ im Zivilrecht, aber sekundäre Darlegungs- und Beweislast?

    | Wir haben in VA 19, 125 über ein Urteil des LG Arnsberg (16.1.19, 3 S 110/18) berichtet. Dort wird bei einem Parkverstoß auf einem privatem Parkplatz die Haftung des Kfz-Halters für erhöhte Parkgebühren verneint. Über die dagegen eingelegte Revision hat inzwischen der BGH entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin betreibt für die jeweiligen Grundstückseigentümer zwei Krankenhausparkplätze. Diese sind durch Hinweisschilder als Privatparkplätze ausgewiesen. Die Benutzung ist für eine Höchstparkdauer mit Parkscheibe kostenlos. Durch Schilder ist darauf hingewiesen, dass bei widerrechtlich abgestellten Fahrzeugen ein „erhöhtes Parkentgelt“ von mindestens 30 EUR erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Pkw, der dreimal unter Verstoß gegen die „Parkbedingungen“ auf einem dieser Parkplätze abgestellt war. Die drei am Pkw hinterlassenen Aufforderungen zur Zahlung eines „erhöhten Parkentgelts“ blieben erfolglos. Daraufhin hat die Klägerin durch Halteranfragen die Beklagte als die Fahrzeughalterin ermittelt. Diese verweigerte die Zahlung. Sie habe den Pkw an den betreffenden Tagen nicht gefahren.

     

    Das AG hat die auf Zahlung der „erhöhten Parkentgelte“ sowie der Kosten der Halteranfragen und von Inkassokosten in Höhe gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Schuldner des „erhöhten Parkentgelts“ sei nicht der Fahrzeughalter, sondern nur der Fahrer. Die Beklagte habe ihre Fahrereigenschaft wirksam bestritten.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das LG zurückverwiesen (18.12.19, XII ZR 13/19, Abruf-Nr. 213888). Werde der Parkplatz unentgeltlich zur Verfügung gestellt, sei der zustandekommende Nutzungsvertrag ein Leihvertrag. Durch die Hinweisschilder wird das „erhöhte Parkentgelt“ als Vertragsstrafe in Form von AGB wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Festlegung mit mindestens 30 EUR ist hinreichend bestimmt und der Höhe nach nicht unangemessen.

     

    Zwar hat es das LG zu Recht abgelehnt, eine Haftung der Beklagten für diese Vertragsstrafe allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten. Insbesondere schuldet der Halter keinen Schadenersatz wegen der Weigerung, die Person des Fahrzeugführers zu benennen. Ihn trifft gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine entsprechende Auskunftspflicht.

     

    Anders als das LG meint, hat die beklagte Halterin aber ihre Fahrereigenschaft nicht wirksam bestritten. Es besteht kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch dessen Fahrer war. Wurde die Parkmöglichkeit unentgeltlich in Form einer Leihe eingeräumt, kann sich der Halter jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner Fahrereigenschaft beschränken.

     

    Vielmehr muss er im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast dazu vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kam. Von einer sekundären Darlegungslast des Prozessgegners ist auszugehen, wenn die primär darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, hierzu näher vorzutragen.

     

    Davon ist beim Parken auf einem privaten Parkplatz auszugehen. Denn dies ist ein anonymes Massengeschäft. Der Parkraum wird keinem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit angeboten. Es gibt regelmäßig keinen persönlichen Kontakt zwischen Betreiber und Fahrer. Folge ist, dass der Verleiher die Person des Fahrzeugführers als des Entleihers nicht kennt. Dass der Parkplatzbetreiber das Abstellen des Fahrzeugs nicht von einer vorherigen Identifizierung des Fahrzeugführers abhängig macht, ist Bestandteil dieses Massengeschäfts. Es liegt im Interesse der auf den einfachen Zugang auch zu privaten Parkplätzen angewiesenen Verkehrsöffentlichkeit. Er hat keine zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners bei Vorliegen eines unberechtigten Abstellvorgangs und damit einer Verletzung seiner letztlich aus dem Eigentum folgenden Rechte im Nachhinein in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er ‒ mittels gesteigerten Personalaufwands ‒ den Fahrer bei dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würde, könnte er dessen Personalien ebenso wenig ohne Weiteres feststellen wie auf der Grundlage etwa von Videoaufnahmen. Jedenfalls von demjenigen, der Privatparkplätze unentgeltlich zur Verfügung stellt, kann auch nicht die Errichtung technischer Anlagen (etwa eines Schrankensystems) gefordert werden, die letztlich allein der Verhütung des Missbrauchs dieses Angebots dienen.

     

    Im Gegensatz dazu ist es dem Halter, der unter Beachtung seiner prozessualen Wahrheitspflicht bestreitet, selbst gefahren zu sein, regelmäßig selbst mit einem gewissen zeitlichen Abstand ohne Weiteres möglich und zumutbar, jedenfalls die Personen zu benennen, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen. Denn er hat es regelmäßig in der Hand, wem er das Fahrzeug überlässt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Beim LG wird es nun um das „wirksame Bestreiten“ der Beklagten gehen. Entweder räumt sie jetzt ihre Fahrereigenschaft ein oder sie benennt den Fahrer im Zeitpunkt des jeweiligen Parkverstoßes. Frage ist, wie man mit dem Umstand umgeht, wenn die Beklagte den Fahrer dann nicht mehr ermitteln kannt. Denn die Parkverstöße liegen immerhin mehrere Jahren zurück. Sie wird dann unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH dazu ausführen müssen, warum sie das nicht mehr erklären kann. Wahrscheinlich wird man die einfache Erklärung „Langer Zeitablauf“ nicht ausreichen lassen. Die Beklagte wird schon mehr vortragen müssen: Wer fährt den Pkw, ggf. wie viele Personen? Warum weiß die Beklagte ‒ vom Zeitablauf mal abgesehen ‒ nicht mehr, wer gefahren ist?

     

    Und dann stellt sich natürlich auch die Frage, ob etwaige Ansprüche gegen den ‒ noch unbekannten ‒ Fahrer nicht inzwischen verjährt sind.

    Quelle: ID 46337187