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  • · Fachbeitrag · Freiheitsstrafe

    Unverzichtbarkeit einer kurzfristigen Freiheitsstrafe

    Verhängt das Tatgericht eine i.S. des § 47 Abs. 1 StGB kurzfristige Freiheitsstrafe, muss sich der Tatrichter in den Urteilsgründen damit auseinandersetzen und belegen, dass diese „unverzichtbar“ ist (OLG Naumburg 15.1.14, 2 Rv 2/14, Abruf-Nr. 140345).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Beleidigung in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dagegen richtet sich dessen Revision, die hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg hatte.

     

    Das AG hat kurze Freiheitsstrafen verhängt. Die Urteilsbegründung belegt indes nicht, dass deren Verhängung unabdingbar im Sinne des § 47 StGB ist. Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 StGB ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls festzustellen. Dabei sind die Anzahl, das Gewicht und der zeitliche Abstand der Vorstrafen, die Umstände der Tat und deren Schuldgehalt, sowie die Lebensverhältnisse des Täters zu berücksichtigen. Die Unerlässlichkeit bedarf einer besonderen und eingehenden Begründung. Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe setzt daher voraus, dass unter Beachtung des Regel-Ausnahmeverhältnisses die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung mit einer umfassenden und erschöpfenden Begründung dargestellt wird. Das AG hat in allen drei Fällen „aufgrund der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen sowie der kurz vor Tatbegehung verbüßten Freiheitsstrafe“ eine kurze Freiheitsstrafe für „erforderlich“ gehalten. Dabei hat es diese Formulierung gleichlautend für alle drei Fälle gewählt. Nach den Feststellungen des Urteils ist der Angeklagte jedoch nicht wegen Beleidigung oder vergleichbarer Delikte vorbestraft, weshalb einschlägige Vorstrafen im Hinblick auf die Verurteilung wegen zweifacher Beleidigung nicht vorliegen. Das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB darf im Übrigen nicht schematisch aus einschlägigen Vorstrafen, Bewährungsbrüchen oder der Wirkungslosigkeit früherer Haftzeiten geschlossen werden, sondern ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls festzustellen.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung entspricht der h.M. (vgl. grundlegend BGHSt 24, 165; dazu Fischer, StGB, 61. Aufl., § 47 Rn. 10; zuletzt u.a. KG StRR 07, 113; OLG Braunschweig StRR 13, 469; OLG Naumburg StRR 13, 472), die von den Tatgerichten gerade in verkehrsstrafrechtlichen Verfahren häufig übersehen wird. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat danach beim Revisionsgericht nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. z.B. BGH NStZ 96, 429; OLG Hamm VRS 96, 191; OLG Köln NJW 01, 3491, jeweils m.w.N.). Das gilt vor allem, wenn es sich um einen bislang unbestraften Angeklagten handelt (OLG Hamm a.a.O.). Zudem muss bei Fallgestaltungen mit geringem Unrechtsgehalt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im besonderen Maße beachtet werden (vgl. OLG Karlsruhe StV 13, 735). Fehler an dieser Stelle muss der Verteidiger mit der (allgemeinen) Sachrüge geltend machen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 67 | ID 42503343