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  • · Fachbeitrag · Beweisverwertungsverbot

    Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots im Zivilverfahren

    | Strafrecht meets Zivilrecht“, oder: Manchmal ist es auch für einen „Zivilisten“ ganz gut, mal in der Strafrechtskiste nachzuschauen. Das ist das Fazit aus einer Entscheidung des LG Köln (13.1.16, 13 S 129/15, Abruf-Nr. 146512 ). |

     

    Sachverhalt

    In dem Zivilverfahren ist von den Parteien um den Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall gestritten worden. Beteiligt waren der Kläger mit seinem BMW und der damals 15 Jahre alte Beklagte als Fußgänger. Der Beklagte hatte eine Straße überquert, wobei es zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Klägers gekommen. Schaden rund 1.300 EUR. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte sei ohne auf eine Rot zeigende Fußgängerampel und den fließenden Verkehr zu achten auf die Straße und gegen die Seite seines Fahrzeugs gelaufen. Er habe - bei der Unfallaufnahme gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten - angegeben, dass er ohne auf den Verkehr zu achten auf die Straße gelaufen sei, um den auf der anderen Straßenseite haltenden Bus noch zu erreichen und nicht länger auf den nächsten warten zu müssen. Der Beklagte hat das bestritten. Er hat im Übrigen seine Angaben gegenüber den Polizeibeamten für unverwertbar gehalten. Er sei nicht umfassend auf sein sich aus § 136 StPO, § 46 OWiG ergebendes Schweigerecht hingewiesen worden. Das AG Brühl (28.5.15, 21 C 140/14) hat der Klage stattgegeben. Das LG Köln hat sie auf die Berufung des Beklagten hin abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach der Rechtsprechung des BGH ist die strafprozessuale Belehrung des Beschuldigten/Betroffenen nicht darauf gerichtet, diesen auch vor einer zivilrechtlichen Verfolgung zu schützen. Daher kann ein sich für das Strafverfahren ergebendes Beweisverwertungsverbot jedenfalls nicht ohne Weiteres auf den Zivilprozess übertragen werden. Entscheidend ist aber eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall. Dabei sind den Interessen eines Minderjährigen ggf. ausnahmsweise der Vorrang einzuräumen.

     

    Das LG geht von einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der vom Beklagten gemachten Angaben aus. Dieses stützt es auf einen Verstoß gegen die sich aus § 136 StPO, § 46 OWiG ergebende Belehrungspflicht der Polizeibeamten. Dabei war bei dem minderjährigen Beklagten zusätzlich eine Belehrung erforderlich, dass er berechtigt ist, vor einer Aussage zur Sache seine Eltern zu kontaktieren, § 67 JGG. Aus den Angaben der Polizeibeamten im Rahmen ihrer Vernehmung vor dem AG ergibt sich jedoch, dass diese den Beklagten tatsächlich nicht über sein Konsultationsrecht belehrt haben. Das danach bestehende Beweisverwertungsverbot des Strafprozesses kann aber nicht ohne Weiteres auf den Zivilprozess übertragen werden.

     

    Entscheidend ist eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall (BGH NJW 03, 1123). Dabei ist hier den Interessen des Beklagten ausnahmsweise der Vorrang einzuräumen. Maßgeblich ist insoweit, dass der Beklagte zum Zeitpunkt seiner Vernehmung minderjährig war. So betraf insbesondere auch die die Kammer leitende Entscheidung des BGH (a.a.O.) gerade keine Konstellation, in der ein Minderjähriger beteiligt gewesen wäre. Dieser Umstand verdient aber im Rahmen der hier erforderlichen Abwägung eine besondere Beachtung. Wegweisend für den Zivilprozess ist § 455 ZPO. Danach dürfen Minderjährigen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr nicht parteiverantwortlich vernommen werden. An ihrer Stelle sind ausschließlich die gesetzlichen Vertreter zu vernehmen. Das spricht dafür, dass auch im Zivilprozess eine „verantwortliche“ Aussage Minderjähriger überhaupt erst ab dem 16. Lebensjahr in Betracht kommen soll. Der Beklagte war zum Zeitpunkt des Unfalls und der Vernehmung erst 15 Jahre alt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Einfach wird es mit einem Beweisverwertungsverbot im Zivilverfahren nicht. Der BGH (a.a.O.) geht nämlich davon aus, dass das Schutzbedürfnis der Partei des Zivilprozesses, die als Beschuldigter vernommen worden ist, nicht aktiv zu ihrer strafrechtlichen Verfolgung beitragen zu müssen, schon dadurch gewährleistet ist/war, dass hinsichtlich ihrer früheren Angaben ein strafrechtliches Verwertungsverbot besteht/bestand. Jedenfalls dann, wenn das Strafverfahren bereits rechtskräftig zu einem Freispruch geführt hat, ist daher nach Auffassung des BGH ein solches Schutzbedürfnis grundsätzlich nicht mehr gegeben.

    Quelle: ID 43898038