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  • 03.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132805

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 02.04.2013 – 5 RBs 33/13

    Zu den Urteilsanforderungen bei der Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes vom Verkehrsverstoß.


    5 RBs 33/13

    OLG Hamm

    Beschluss:

    Bußgeldsache
    In pp.
    hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm am 02.04.2013 beschlossen:

    I. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen vom 13. Dezember 2012 wird das Urteil des Amtsgerichts Warstein vom 13. Dezember 2012 mit den Feststellungen zur Fahreridentität aufgehoben. Die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
    II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Warstein zurückverwiesen.

    Gründe:
    I.
    Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 54 km/h zu einer Geldbuße von 240,00 € und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat unter Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG an.

    Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts, wobei sie insbesondere die Urteilsfeststellungen zur Fahreridentität für lückenhaft hält.

    Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Rechtsbeschwerdeschrift vom 18. Januar 2013 Bezug genommen.

    Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat unter dem 25. Februar 2013 Stellung genommen und mit näheren Ausführungen, auf die verwiesen wird, beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

    II.
    Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Feststellungen zur Fahreridentität.

    Auch wenn die erhobene Verfahrensrüge nicht in einer dem § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG genügenden Weise ausgeführt und damit unzulässig ist - worauf bereits die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat -, hat die Rechtsbeschwerde der Betroffenen mit der Sachrüge vorläufig Erfolg, da die Urteilsgründe lückenhaft sind, §§ 267 Abs. 1, 337 StPO in Verbindung mit §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG. Sie lassen nicht in rechtlich überprüfbarer Weise erkennen, ob die vom Sachverständigen oder dem Bußgeldrichter selbst durch Vergleich des Tatfotos mit dem Gesicht der Betroffenen vorgenommene Identifizierung eine tragfähige Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung ist.

    1. Zur Fahreridentität der Betroffenen enthält das Urteil folgende Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen:

    „(…)
    Die Betroffene hat sich im Termin nicht eingelassen.

    Trotzdem wurde die Betroffene auf dem vom Geschwindigkeitsverstoß gefertigten Beweisfoto vom Gericht erkannt.

    Das Gericht hat sich dabei der Hilfe des Sachverständigen H. bedient. Dieser hat ausgeführt, bei einem Vergleich des Beweisfotos in der Akte mit der persönlichen Inaugenscheinnahme der Betroffenen unter zur Hilfenahme technischer Hilfsmittel haben sich keine Widersprüche zu dem Beweisfoto ergeben. Insbesondere der hohe Haaransatz, die Nase und der Mund stellten keinen Widerspruch zum Beweisfoto dar. Der relativ hohe Oberlippenraum sei ein seltenes Merkmal. Daher bestehe aus seiner Sicht höchstwahrscheinlich eine Identität der Betroffenen mit der auf dem Beweisfoto erkennbaren Person.

    Diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht nach persönlicher Inaugenscheinnahme an. Die markante Kinnpartie, die Nase, die Wangenknochen, der Mund, die hohe Stirn und der Haaransatz sowie die Größe der Augen stimmten so deutlich mit der auf dem Beweisfoto abgebildeten Person überein, dass das Gericht aufgrund dieser Inaugenscheinnahme und aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen keinen Zweifel an der Identität mit der gefahrenen Person hat.“

    2. Diese Urteilsausführungen zur Fahreridentität genügen indes nicht den Anforderungen, die die obergerichtliche Rechtsprechung an die tatrichterlichen Feststellungen zur Identifizierung des/der Betroffenen als Fahrzeugführer/in mittels (Tat-)Fotos stellt.

    Für die Identifizierung eines Betroffenen anhand bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigter Lichtbilder gilt im Grundsatz Folgendes:

    Zunächst hat allein der Tatrichter zu entscheiden, ob ein Lichtbild die Feststellung zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist. Daher kann eine Rechtsbeschwerde, die beanstandet, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit dem abgebildeten Fahrzeugführer identisch, keinen Erfolg haben. Denn die Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht prinzipiell untersagt. Ob ein solches Lichtbild für das Gericht - mit oder ohne sachverständige Beratung - jedoch ein geeignetes Beweismittel darstellt, ist - beschränkt auf den Maßstab, den wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und die Erfahrungssätze des täglichen Lebens vorgeben - durch das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar (vgl. dazu: BGHSt 41, 376 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. April 2008 zu 2 Ss OWi 499/08, zitiert nach juris Rn. 10, 11). Sofern das Gericht - wie hier - nicht entsprechend der Vorgaben des Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom 19. Dezember 1995 (4 StR 170/95 = NZV 1996, 157 ff.) von der Möglichkeit der deutlichen und zweifelsfreien Bezugnahme auf das/die in der Akte befindliche/n Lichtbild/er gemäß §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Gebrauch und damit die in der Akte befindlichen Lichtbilder nicht zum Bestandteil der Urteilsgründe macht, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität, vor allem zur Bildschärfe, und zum Bildinhalt enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenarten so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der (über §§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG) eröffneten Möglichkeit der eigenen Betrachtung des/der Lichtbild/er die Überprüfung von dessen/deren Ergiebigkeit ermöglicht wird (vgl. nur: OLG Bamberg, Beschluss vom 21. April 2008 zu 2 Ss OWi 499/08, zitiert nach juris Rn. 13; OLG Koblenz, Beschluss vom 02. Oktober 2009, 2 SsBs 100/09, zitiert nach juris Rn. 11).

    Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht.

    Von der Möglichkeit, die §§ 267 Absatz 1 Satz 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG eröffnet, hat der Tatrichter keinen Gebrauch gemacht. Da eine solche Bezugnahme - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, deutlich und zweifelsfrei erfolgen muss, reicht der bloße Hinweis darauf, die Betroffene sei „auf dem vom Geschwindigkeitsverstoß gefertigten Beweisfoto vom Gericht erkannt“ worden, nicht aus. Denn dieser beschreibt lediglich den Beweiserhebungsvorgang, auf den sich die Überzeugungsbildung des Tatrichters gründet, ermöglicht dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht aber nicht die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Beweisfoto für die Identifizierung geeignet ist. Der Tatrichter hätte somit die Bildqualität und die auf dem Beweisfoto abgebildete Person im Einzelnen beschreiben müssen. Dies ist indes nicht geschehen. Angaben zur Qualität des Beweisbildes fehlen gänzlich. Soweit das Urteil einzelne Identifizierungsmerkmale aufgezählt hat, entbehren auch diese im Wesentlichen einer ausreichend genauen Beschreibung im vorgenannten Sinne.

    Daher ermöglichen die Urteilsfeststellungen keine hinreichende Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht auf die Sachrüge, ob die Überzeugungsbildung des Tatrichters frei von Rechtsfehlern ist.

    III.
    Wegen des aufgezeigten Mangels können der Schuldspruch und damit auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben, so dass das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben war (§§ 79 Absatz 3 OWiG, 353 Abs. 1 StPO).

    Die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen werden aufgehoben, soweit sie von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 79 Abs. 3 OWiG, 353 Abs. 2 StPO). Das sind die Feststellungen zur Fahreridentität.

    IV.
    Gemäß § 79 Abs. 6 Alt. 2 OWiG wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Warstein zurückverwiesen. Mangels ausreichender Tatsachengrundlage kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats (§ § 79 Abs. 6 Alt. 1 OWiG) nicht in Betracht. Diese durch eigene Feststellungen zu ergänzen, ist dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich.

    RechtsgebietStPOVorschriftenStPO 267