21.09.2021 · IWW-Abrufnummer 224785
Amtsgericht Straubing: Beschluss vom 23.08.2021 – 9 OWi 441/21
1. Eine Scheibenwischerverwarnung stellt im Falle eines Parkverstoßes keine Anhörung des Halters dar.
2. Eine schriftliche Anhörung des Halters hat innerhalb von 2 Wochen nach dem Parkverstoß zu erfolgen.
3. Ohne eine rechtzeitige Anhörung des Halters darf ein Kostenbescheid nach § 25a StVG gegen den Halter nicht erlassen werden.
AG Straubing, Beschluss vom 23. August 2021, Az. 9 OWi 441/21
I.
Randnummer 1
Im Hinblick auf einen mit dem Fahrzeug der Halterfirma begangenen Parkverstoß am31.03.2021 wurde am Tattag am Tatfahrzeug eine sog. Scheibenwischerverwarnungmit Verwarnungsgeldangebot angebracht.
Randnummer 2
Eine Zahlung des Verwarnungsgeldes erfolgte nicht.
Randnummer 3
Am 15.04.2021 und 06.05.2021 gingen zwei Fahrerermittlungen mit einfachem Brief andie Halterfirma. Die Schreiben enthielten jeweils zugleich einen Hinweis aufdie Kostentragungspflicht nach § 25a StVG.
Randnummer 4
Eine Rückantwort bzw. Zahlung der Halterfirma blieb aus.
Randnummer 5
Am 09.06.2021 erging sodann gegen die Halterfirma ein Kostenbescheid gemäß § 25a StVG. Der Bescheid wurde am 16.06.2021per Postzustellungsurkunde zugestellt.
Randnummer 6
Mit Schreiben vom 17.06.2021 beantragte die anwaltlich vertretene Halterfirma einegerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG hinsichtlich des Kostenbescheidesvom 09.06.2021.
Randnummer 7
Mit Schreiben vom 05.08.2021 legte die Stadt ... den Antrag auf gerichtlicheEntscheidung dem Amtsgericht Straubing vor und half dem Antrag nicht ab.
Randnummer 8
Mit Verfügung vom 10.08.2021 wurde seitens des Gerichtes der Stadt ... nochmalsGelegenheit gegeben, die Nichtabhilfeentscheidung zu überprüfen.
Randnummer 9
Mit Verfügung vom 10.08.2021 erhielt der Antragsteller Gelegenheit zurStellungnahme zum Schreiben der Stadt ... vom 05.08.2021 bis 18.08.2021.
Randnummer 10
Mit Schreiben vom 11.08.2021 teilte die Stadt ... mit, dass der Kostenbescheidaufrechterhalten werde. U.a. führte die Stadt aus, dass bedingt durch dieOsterfeiertage die erste Fahrerermittlung statt innerhalb von zwei Wochen erstam 15. Tag nach der Tat versendet worden sei.
Randnummer 11
Der Antragsteller erhielt mit Verfügung vom 12.08.2021 erneut Gelegenheit zurStellungnahme binnen offener Frist.
Randnummer 12
Mit Schreiben vom 19.08.2021 beantragte der Antragsteller die Frist zur Stellungnahmebis 08.09.2021 zu verlängern.
II.
Randnummer 13
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenbescheid iststatthaft, § 25a Abs. 3StVG. Die Fristvon zwei Wochen ist eingehalten, § 25a Abs. 3Satz 1 StVG.
Randnummer 14
Das Amtsgericht Straubing ist gemäß §§ 62, 68, 108 Abs. 1Nr. 1 OWiGörtlich und sachlich zuständig.
Randnummer 15
2. Der Antrag ist begründet.
Randnummer 16
Der angefochtene Kostenbescheid erging nicht rechtmäßig, da die Voraussetzungen fürden Erlass des Kostenbescheides nach § 25a StVG nicht vorlagen.
Randnummer 17
Die Kostenfolge des § 25a Abs. 1StVG setzt voraus,dass die Ermittlungen des Täters nicht mit angemessenem Aufwand möglich sind.Zu einem angemessenen Aufwand der Täterermittlung gehört auch die rechtzeitigeBefragung des Halters.
Randnummer 18
Eine solche rechtzeitige Halterbefragung liegt hier nicht vor.
Randnummer 19
Eine Anhörung des Halters ist nicht bereits in der sogenanntenScheibenwischerverwarnung zu erblicken. Sinn und Zweck des § 25a StVG ist die sichere Feststellung, dassder Halter die Möglichkeit hatte, den Fahrzeugführer zu benennen.
Randnummer 20
Gemessen an diesen Voraussetzungen genügt die Scheibenwischerverwarnung nicht, um voneiner sicheren Feststellung auszugehen. Es ist nicht hinreichend gewährleistet,dass die Scheibenwischerverwarnung zur Kenntnis des Halters gelangt. Hierbeisind lebensnah vielfältige Ursachen, angefangen von bloßem Vergessen bis zurNichtwahrnehmung des Zettels, möglich. Auch ist im Hinblick auf dieBegrifflichkeiten des eingetragenen Halters, der nicht zwingend immer dieVerfügungsgewalt über das Fahrzeug hat, für den Fahrer nicht zu überblickenbzw. einsehbar, wer als Halter zu benachrichtigen ist (NZV 2020, 504).
Randnummer 21
Auch die seitens der Stadt ... am 15.04.2021 und 06.05.2021 an den Halter versandteAnhörung genügt nicht dem vorgenannten Rechtzeitigkeitsgebot. In Anlehnung andie Rechtsprechung zu § 31a StVZO ist die Rechtzeitigkeit amZwei-Wochen-Maßstab zu messen. Nur bei einer solchen kurzen Zeitspanne ist einErinnerungsvermögen des Halters für die Frage, wer am Tattag das Fahrzeughatte, realistisch (NZV 2020, 504, vgl. auch AG Berlin-Tiergarten,Beschluss vom 27.04.2016 - 290 OWi 389/16 (LSK 2016, 132258, beck-online).Vorliegend erfolgte die Absendung des Anhörungsbogens erst nach Ablauf derZwei-Wochen-Frist. Hier sind keine Gründe ersichtlich, dass der Anhörungsbogennicht innerhalb von zwei Wochen hätte versandt werden können. Die Tatsache,dass die Osterfeiertage in den Zeitraum der 2 Wochen fallen, rechtfertigt keineVerlängerung der Frist. Erinnerungen an den Fahrer sind im Gedächtnis einesHalters nicht deswegen länger verhaftet, weil kurz nach der Tat Feiertage folgen.Vielmehr ist davon auszugehen, dass gerade Feiertage dazu führen können, dassdurch Abschalten vom Alltagstrubel die Erinnerung eher verblasst. Gerade beiFeiertagen ist daher die Frist von 2 Wochen strikt einzuhalten. Im Übrigenfallen durch die Osterfeiertage für die Stadt lediglich 2 Werktage (Karfreitagund Ostermontag) als Arbeitstage weg.
Randnummer 22
Entgegen des Vorbringens der Stadt ... ist es auch nicht belegt, dass dieScheibenwischerverwarnung bereits innerhalb von 14 Tagen in den Verantwortungsbereichdes Halters gelangt ist.
Randnummer 23
Ein weiteres Argument, dass die Scheibenwischerwarnung nicht als rechtzeitigeBefragung anzusehen ist, ist der Hinweis der Stadt ... im Anhörungsschreiben.Insofern geht die Stadt ... selbst davon aus, dass erst dieses Schreiben alsAnhörung des Betroffenen zu werten ist, was durch den Hinweis auf § 55 OWiG untermauert wird.
Randnummer 24
Ein weiteres Argument gegen die Gleichsetzung von Scheibenwischerverwarnung undAnhörung des Halters ist auch, dass, selbst bei Erhalt der Verwarnung, derHalter nicht davon ausgehen muss, dass die Verwarnung zugleich als Aufforderungzu verstehen ist, den wahren Fahrer zu benennen. Es ist für einenrechtsunkundigen Laien nicht zweifelsfrei zu erkennen, dass zugleich eine Anhörungsmöglichkeiteröffnet ist.
Randnummer 25
In der Rechtsfolge war daher der Kostenbescheid aufzuheben. Die Kostenfolge des § 25a StVG ist keine Ermessensentscheidung,sondern zwingend vorgesehen. Insofern war der Prüfungsumfang des Gerichts nichtbeschränkt.
Randnummer 26
Eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme für den Antragsteller war zur Wahrungdes rechtlichen Gehörs nicht geboten. Es erfolgte keine Verwertung vonSchriftstücken zum Nachteil des Antragstellers. Im Übrigen sind dem Schreibender Stadt ... vom 05.08.2021 keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zuentnehmen.
Randnummer 27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 473a StPO.