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  • 28.10.2020 · IWW-Abrufnummer 218607

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 08.09.2020 – 2 Ss-OWi 817/20

    Zur Begründung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist auch mitzuteilen, was der Betroffene im Falle der Gewährung des letzten Wortes vorgebracht hätte.


    2 Ss-OWi 817/20

    OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

    BESCHLUSS

    In der Bußgeldsache
    gegen pp.

    Verteidiger: xxx

    wegen Straßenverkehrsordnungswidrigkeit,

    hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Senat für Bußgeldsachen — durch die Einzelrichterin am 08. September 2020 beschlossen:

    Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 02. März 2020 wird verworfen (§ 80 Abs. 1, 2 OWiG).

    Mit der Verwerfung des Zulassungsantrags gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWG).

    Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO).

    Gründe:

    I. Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 4 OWiG ist zwar zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

    Das Amtsgericht Frankfurt am Main hätte den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil vom 02. März 2020 nicht mangels rechtzeitiger Begründung als unzulässig verwerfen dürfen. Die Begründung des Rechtsbeschwerdeantrags erfolgte frist- und formgerecht mit Schriftsatz des Verteidigers vom 20. April 2020. Gemäß § 43 Abs. 2 StPO lief die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das am 19. März 2020 zugestellte Urteil nämlich erst am Montag den 20. April 2020 ab.

    Der Beschluss des Amtsgerichts vom 30. April 2020, durch den trotz rechtzeitiger Begründung die Zulassungsrechtsbeschwerde des Betroffenen gemäß § 346 Abs. 1 StPO i. V. m. § 80 Abs. 4 OWiG als unzulässig verworfen wurde, war daher aufzuheben.

    II. Der Zulassungsantrag wird allerdings verworfen, weil eine Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des sachlichen Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (§§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

    Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung erhebt, er habe „das letzte Wort" nicht erhalten, ist die insoweit erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben worden und somit unzulässig. So ist es nicht nur erforderlich, den tatsächlichen Ablauf der Hauptverhandlung wiederzugeben sowie den für die Beurteilung der Beachtung des § 258 StPO maßgeblichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (OLG Jena, Beschluss vom 27. Oktober 2004 — 1 Ss 229/04). Darüber hinaus ist in einem auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unterbliebene Gewährung des letzten Wortes gestützten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auch mitzuteilen, was der Betroffene im Falle der Gewährung des letzten Wortes vorgebracht hätte (Senat, Beschluss vom 14. August 2018 — 2 S -OWi 651/18; OLG Jena, Beschluss vom 09. Dezember 2003 — 1 Ss 314/03; BayObLG, Beschluss vom 15. April 1996 — 3 ObOWi 42/96; BeckOK OWiG/Bär, 27. Edition 01. Juli 2020, OWiG § 80 Rdn. 20). Zweck der Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 OWi ist nämlich, dass in begründeten Fällen ein Verfassungsverstoß gegen Art. 103 GG innerhalb der Fachgerichtsbarkeit bereinigt wird (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812; Göhler OWiG, 17. Auflage 2017, § 80 Rdn. 16a). Demnach muss für den Vortrag nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG das gleiche verlangt werden wie für eine entsprechende Verfassungsbeschwerde. Es genügt somit nicht, wie sonst bei Versagung des letzten Wortes, den Verfahrensverstoß darzutun, weil das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht abstrakt von der Möglichkeit des Beruhens des Urteils auf diesen Verfahrensverstoß ausgeht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 258 Rdn. 33f.), sondern es müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, aufgrund deren die Beruhensfrage geprüft werden kann (BayObLG MDR 1992, 802). Vorliegend fehlt jedoch der Vortrag, was der Betroffene im Fall der Gewährung des letzten Wortes vorgetragen hätte, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bereits aus diesem Grund ausscheidet.

    Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung erhebt sein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sei zu Unrecht abgelehnt worden, ist die insoweit erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben worden und somit unzulässig. Mit der Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann schlüssig dargetan, wenn behauptet wird, dass der Beweisantrag unter Verstoß gegen das Willkürverbot aus offensichtlich unzutreffenden verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt worden sei (vgl. OLG Frankfurt, 2 Ss-OWi 1278/16). Gemessen an diesen Maßstäben legt der Betroffene aber nicht schlüssig dar, dass die Einholung des beantragten Gutachtens aus sachfremden Gründen unterblieben und die Entscheidung des Gerichts schlechterdings unvertretbar wäre, zumal das Gericht d n Beweisantrag in der Hauptverhandlung beschieden und sich in den Urteilsgründen mit der Frage der Fahrereigenschaft des Betroffenen auseinandergesetzt hat.

    Es ist auch nicht geboten, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Im vorliegenden Verfahren sind keine Rechtsfragen ersichtlich, die klärungsbedürftig, d. h. noch offen, zweifelhaft oder bestritten sind. insbesondere sie Voraussetzungen für die Identifizierung eines Fahrers anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Fotos sind hinreichend obergerichtlich geklärt (BGHSt 41, 376).

    Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eben so wenig geboten. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt mit Blick auf den — bei der Sachrüge ausschließlich zugrunde gelegten — Urteilsinhalt bereits keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkenn n, so dass auch nicht die Gefahr erneuter Fehlentscheidungen gleicher Art besteht, die es geboten erscheinen lassen könnte, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einzugreifen.

    Die Überprüfung einer Einzelfallentscheidung soll durch das Zulassungsverfahren nicht ermöglicht werden. Dementsprechend wird auch von der beantragten Tenorberichtigung abgesehen.